Plötzlich ist er da: Der Heißhunger auf ein Stück Schokolade, ein paar Chips oder einen deftigen Burger. Doch welche Funktion hat Heißhunger und was will dein Körper dir damit sagen?
Die allermeisten Menschen kennen Heißhunger. Nicht bei allen Menschen ist es die Lust auf etwas Süßes; viele lechzen auch nach Salzigem wie Chips oder Nüssen oder sogar etwas fettig-deftigem wie Pommes oder anderem Fast Food. Doch woher kommt dieses Bedürfnis und welche Signale des Körpers stecken dahinter?
Was ist Heißhunger?
Heißhunger ist plötzlich da und lässt sich schwer unterdrücken. Der ganze Körper giert dann nach einem ganz bestimmten Lebensmittel: „Jetzt ein Schokoriegel!“ oder „Eine Portion Pommes, jetzt sofort!“ Medizinisch ist Heißhunger kein definierter Begriff, aber die allermeisten Menschen kennen diese Gier. Und den Mechanismus gibt es aus gutem Grund: Denn evolutionär gesehen war Nahrung nicht immer so allgegenwärtig wie heutzutage.
Heißhunger: Ein evolutionäres Erbe
Der Neurowissenschaftler Marc Tittgemeyer vom Max-Planck-Institut forscht an den Ursachen für Heißhunger und bestätigt in einem Artikel der Max-Planck-Gesellschaft, dass ein Zusammenhang zwischen Evolution und Heißhunger besteht.
„Die Evolution hat Gehirn und Körper gelehrt, dass es nicht jederzeit etwas zu essen gibt. Wenn dann mal Nahrung im Überfluss vorhanden ist, sollte man sich den Bauch vollschlagen, um für magere Zeiten gewappnet zu sein“.
Marc Tittgemeyer vom Max-Planck-Institut
Doch: In der heutigen deutschen Gesellschaft gibt es eigentlich keinen Nahrungsmangel mehr, zudem essen wir anders als unsere Vorfahren. Genau die Produkte, auf die wir am meisten Lust bei Heißhunger haben, gab es damals noch gar nicht: Hochverarbeitete und hochkalorische Produkte, die mit wenig Masse dem Körper große Mengen an Zucker und Fett zuführen.
Die Kombination von Proteinen, Zucker und Fetten in diesen Produkten spricht unser Belohnungssystem stark an. Fett- und zuckerhaltige Lebensmittel setzen im Gehirn besonders viel Dopamin frei und das wiederum fördert den Heißhunger auf diese Produkte umso mehr.
Hunger vs. Heißhunger
Bei der Allgegenwärtigkeit von Nahrung ist es manchmal gar nicht so einfach zwischen Hunger und Heißhunger zu unterscheiden. Denn: Viele Menschen spüren nur noch selten wirklich Hunger, zu oft essen wir einfach aus Gewohnheit.
- Hunger ist ein existenzielles, physiologisches Bedürfnis nach Nahrung: Der Magen fühlt sich leer an und grummelt, die Konzentration lässt nach.
- Heißhunger hingegen ist ein oft starkes, emotionales oder psychologisches Verlangen nach bestimmten Lebensmitteln, das auch trotz Sättigung auftauchen kann.
Heißhunger: Was sind die Gründe?
Es gibt viele unterschiedliche Gründe dafür, dass wir Heißhunger bekommen. Teilweise hat der Körper eindeutige Gründe, weshalb jetzt sofort Nahrung zugeführt werden muss, in anderen Situationen spricht aber die Psyche oder die Gewohnheit aus dem Heißhunger.
Ein zu niedriger Blutzuckerspiegel
Der Blutzuckerspiegel ist zu niedrig: Der Körper und das Gehirn sind nicht ausreichend versorgt – jetzt muss es schnell gehen und wir bekommen Heißhunger. Ein kleiner süßer Snack ist genau das, was den Blutzuckerspiegel jetzt wieder normalisiert. Der Körper gibt hier also ein klares Zeichen, was notwendig ist, damit er weiter funktionieren kann.
Die Macht der Gewohnheit
Häufig haben wir bestimmte Gewohnheitspfade, die sich regelmäßig wiederholen: Nach dem Mittagessen zurück im Büro, schreit der Körper förmlich nach einem Schokoriegel oder abends auf der Couch ist es die reine Gewohnheit, die uns zu der Tüte Chips greifen lässt. Versuche mal bewusst darauf zu achten, ob du solche Gewohnheiten im Zusammenhang mit Heißhunger entdecken kannst und teste aus, inwieweit sich die Gewohnheiten umwandeln lassen.
Emotionales Essen
Heißhunger und Emotionen sind eng miteinander verknüpft: Bei Stress, Traurigkeit, Frust, Einsamkeit oder anderen emotional herausfordernden Situationen greifen viele Menschen zu Schokolade, Chips und Co. Kein Wunder, denn zucker-, fett- und kalorienreiche Lebensmittel sprechen unser Belohnungszentrum im Gehirn an. Das Glückshormon Dopamin sorgt dafür, dass wir uns besser fühlen.
Prämenstruelles Syndrom
Viele Frauen kennen Heißhunger kurz vor der Menstruation. Und tatsächlich ist das keine Einbildung, wie eine Untersuchung der Uni Gießen feststellte: Frauen – insbesondere mit einem niedrigen Progesteronspiegeln – reagierten in der Zeit kurz vor der Menstruation deutlich sensibler auf Bilder mit hochkalorischen Lebensmitteln als in anderen Zyklusphasen.
Schwangerschaft
Eine weitere klassische Situation, in der Heißhunger auftaucht, ist die Schwangerschaft: Durch den erhöhten Kalorien- und Nährstoffbedarf ist die Verstärkung des Appetits während der Schwangerschaft biologisch durchaus sinnvoll. Schließlich wird dadurch die ausreichende Versorgung des Ungeborenen sichergestellt. Gleichzeitig steigt bei einem ungezügelten Essverhalten das Risiko für ein erhöhtes Körpergewicht bei dem Ungeborenen. Zudem gibt es Hinweise aus Versuchen mit Mäusen, dass Stress in der Schwangerschaft die Entstehung von Heißhungerattacken im Erwachsenenalter begünstigen kann.
Nährstoffmangel
Ob Heißhunger auch durch einen Mangel an Nährstoffen entstehen kann – etwa das Verlangen nach Schokolade bei einem Magnesiummangel – ist umstritten. Es ist durchaus möglich, dass eine Mangelsituation dein Verlangen nach einem bestimmten Lebensmittel verstärkt, allerdings solltest du dann lieber zu einer gesunden Variante (im Fall von Schokolade beispielsweise zu einer Banane) greifen, als deinem Heißhunger nachzugeben.
Erkrankungen und Medikamente
Weitere Gründe für Heißhunger können auch bestimmte Erkrankungen wie beispielsweise Schilddrüsenerkrankungen, Diabetes, aber auch Alkoholsucht, Essstörungen oder Migräne sein. Auch die Einnahme von Medikamenten kann Heißhunger auslösen: Beispielsweise wirken Psychopharmaka häufig auf das Sättigungs- und das Hungerzentrum im Gehirn.
Wenn es mehr als nur Heißhunger ist
Heißhunger betrifft viele Menschen und ist – sofern er nur gelegentlich auftritt – relativ unproblematisch. Es gibt jedoch auch Menschen, bei denen der Heißhunger bereits ein gesundes Maß übersteigt und sich zu einer Essstörung entwickelt hat. Wenn du das Gefühl hast, dass du übermäßig häufig an Heißhunger leidest und oft große Mengen an Süßem, Salzigem, Fettigem oder anderen ungesunden Lebensmitteln über die Sättigung hinaus isst, solltest du dir professionelle Hilfe suchen.
Was du gegen Heißhunger tun kannst
Die Forschungsgruppe um Marc Tittgemeyer fand heraus, dass unsere Ernährungsgewohnheiten sich auf unsere Vorlieben auswirken: Je mehr zucker- und fetthaltige Lebensmittel wir essen, desto mehr reagiert unser Belohnungszentrum und unser Körper verlangt immer wieder nach diesen Lebensmitteln. Möglicherweise lassen sich die Vorlieben mit entsprechend gesünderen Gewohnheiten auch wieder verändern – zumindest deuten erste Versuche an Mäusen daraufhin.
Grundsätzlich bedeuten diese Ergebnisse, dass wir versuchen sollten, so wenig Fertiggerichte, Süßigkeiten und fettige Snacks zu essen wie möglich und lieber zu gesunden Lebensmitteln wie Gemüse, Obst und Nüssen greifen sollten. Allerdings: So ganz einfach ist das nicht.
Teilweise kann es helfen, regelmäßig und ausgewogen zu essen, sodass der Heißhunger nicht durch einen zu niedrigen Blutzuckerspiegel entsteht.
Wenn du dir bestimmte Verhaltensmuster angeeignet hast, wie beispielsweise auf dem Weg nach Hause noch schnell eine kleine Leckerei bei der Bäckerei mitzunehmen, versuche hin und wieder einen anderen Weg zu gehen und so die Gewohnheit zu durchbrechen.
Hilfreich kann es auch sein, Essen nicht als Belohnung zu nutzen: Anstatt sich ein Eis nach einem anstrengenden Termin zu gönnen, probiere es doch mal mit einer Massage, einem Spaziergang durch einen schönen Park oder einem guten Buch an einem gemütlichen Ort. Denn: Dein Belohnungszentrum wird es sich merken.
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