So günstig wie Billigflüge: Dieses Start-up will den Nachtzugmarkt revolutionieren

Nox will preiswertes und komfortables Reisen im Nachtzug bieten
© Nox Mobility

Nachtzüge raus aus der „nostalgischen Nische“ holen und als Alternative für Dienstreisen etablieren – mit dieser Mission dringt ein neues Start-up auf den Nachtzugmarkt. Utopia.de zeigt, wann es losgehen soll, wie viel Privatsphäre die Kabinen bieten – und wie viel die Zugverbindungen kosten werden.

Einsteigen, einschlafen und am nächsten Morgen am Zielort aufwachen: Nachtzüge sind ein besonderes Reiseerlebnis – und erfuhren in den vergangenen Jahren einen kleinen Boom. Das liegt auch daran, dass das Nachtzugnetz endlich wieder ausgebaut wird: DB und ÖBB etwa nahmen neue Nightjet-Verbindungen von Berlin und Wien nach Paris und Brüssel ans Netz.

Doch trotz des Ausbaus bleiben die Tickets für Nachtzüge oft teuer und der Komfort manchmal auf der Strecke. Beide Probleme will das Berliner Start-up Nox lösen. Nox soll sich als „eine echte Alternative zu Kurzstreckenflügen“ etablieren. Utopia.de hat einen der beiden Gründer gefragt, wie sie das Vorhaben umsetzen wollen.

Nox: Günstige Nachtzüge mit privaten Schlafabteilen

Das Besondere an den Nachtzügen von Nox sind zum einen die günstigen Ticketpreise, die nicht teurer sein sollen als vergleichbare Flugtickets. Zum anderen will das Start-up in Nachtzug ausschließlich private Räume mit Betten anbieten.

Gründer von nox: Janek Smalla und Thibault Constant
Gründer von Nox: Janek Smalla und Thibault Constant (© Richard Lohs)

Die beiden Gründer bringen dabei viel Erfahrung im Mobilitätsbereich mit: Janek Smalla (Gründer) gestaltete bei Flixtrain die Öffnung des deutschen Eisenbahnmarkts mit und war zuletzt als General Manager bei Bolt tätig. Thibault Constant (Mitbegründer) arbeitete als Ingenieur bei Alstom und der SNCF und ist nach eigener Aussage bereits mit mehr als 400 Nachtzügen gefahren. Darüber berichtet er mit Simply Railway – einer eigenen Plattform für Zugreisen – auf YouTube und Instagram.

Nun wollen die beiden „Nachtzüge von Grund auf neu erfinden“ und für Urlauber:innen, aber auch für Dienstreisen eine attraktive Reiseoption bieten.

Wie sehen die Kabinen bei Nox aus?

Statt sich Schlafabteile mit Fremden teilen zu müssen, setzt Nox vollständig auf private Schlafkabinen und möchte damit viel Privatsphäre bieten. Gleichzeitig wollen die Gründer mit ihrem Design mehr Passagier:innen befördern können als herkömmliche Nachtzuganbieter. Das sollen drei Raumkategorien ermöglichen: Single Loft Rooms, Double Loft Rooms und Double Vista Rooms.

Die Betten im Double Loft Room
Das Doppelbett im Double Loft Room sieht komfortabel aus. (© Nox)

Single- und Double Loft Rooms sind mit Hochbetten sowie davon getrennten Sitzbereichen mit Tisch ausgestattet. Die Betten in den beiden Loft Rooms sind Einzelbetten beziehungsweise Doppelbetten und vertikal zur Fahrtrichtung konstruiert. Alle Betten sind zwei Meter lang.

Die Double Vista Rooms bieten ein Bett mit ebenerdigem Einstieg und ein zweites Bett darüber. Die Betten sind parallel zur Fahrtrichtung angebracht und bieten einen Fensterausblick, das untere Bett lässt sich zu zwei Sitzen mit großem Tisch umklappen. In allen Schlafkabinen soll genug Stauraum fürs Gepäck vorhanden sein.

Private Schlafkabine im Nachtzug bei Nox
Auch wer alleine reist, schläft im Nachtzug von Nox in einer privaten Schlafkabine. (© Nox)

Nox entwickelt auch rollstuhlfähige Nachtzüge. Rollstuhlfahrende sollen extra große Single- und Double Rooms buchen können, in direkter Nähe zu großen rollstuhlfreundlichen Toiletten.

Wie viel kosten die Nachtzugtickets?

Die Single Rooms kosten der Unternehmenswebsite zufolge ab 79 Euro pro Fahrt; die Double Rooms ab 149 Euro bzw. ab 75 Euro pro Person bei zwei Personen. Die Preise sind dynamisch gestaltet, das heißt, sie können – wie auch bei Flug- und anderen Bahnbuchungen – je nach Nachfrage variieren.

Zum Vergleich: Laut einer aktuellen Auswertung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrug der durchschnittliche Preis für einen Flug der Billigairline Ryanair im vergangenen Frühjahr 80 Euro. Zwar handelt es sich hier um den Durchschnitt, während die Nox-Preise erst bei 79 Euro starten, allerdings müssen beim Flug noch zusätzliche Gepäckkosten mitberücksichtigt werden. So kostet ein zusätzliches Gepäckstück bei Ryanair je nach Gewicht, Route und Reisedaten 12 bis 60 Euro.

DIe Double Vista Rooms bieten in den Nachtzügen von Nox den meisten Platz und Komfort.
Die Double Vista Rooms bieten in den Nachtzügen von Nox den meisten Platz und Komfort.

In allen Nox-Zügen soll man zudem Getränke und Snacks kaufen können. Auch die Fahrradmitnahme soll möglich sein: Das Fahrradticket kann man direkt beim Buchungsprozess hinzufügen.

Um die Ticketpreise für die Nachtzüge so niedrig wie bei Kurzstreckenflügen zu halten, setzt das Unternehmen seiner Website zufolge auf einen effizienten Betrieb. Auf Nachfrage von Utopia.de erklärt Gründer Janek Smalla: „Das Rezept für niedrige Ticketpreise ist eigentlich recht simpel: sehr hohe Auslastung bei hoher Kapazität an Räumen pro Zug. Dies ermöglichen wir unter anderem durch strikte Standardisierung der Flotte und unser Fahrplankonzept.“ Konkret bedeutet das, dass Nox auch Kosten sparen will, indem nächtliche Zwischenhalte, Rangieren und Koppeln oder Personalwechsel wegfallen.

Wann fahren die ersten Nox-Nachtzüge und wo?

Ab 2027 sollen die Nox-Züge ans Netz gehen – wann genau es so weit sein soll, konnte Nox Utopia.de gegenüber nicht sagen. Bis 2035 soll das Nachtzugnetz europaweit über 100 Städte umfassen. Zu Beginn wird Nox mit weniger Städten starten und das Streckennetz stückweise erweitern. Welche Städte das sein werden, konnte uns Nox zum jetzigen Zeitpunkt ebenfalls nicht sagen, sie wollen die Zielorte voraussichtlich 2026 bekanntgeben.

Bereits jetzt kann man aber auf der Webseite sehen, welche Verbindungen künftig buchbar sein sollen. Von München soll man unter anderem nach Amsterdam, Paris, Rom, Mailand und in einige deutsche Städte fahren können. Von Berlin aus geht es über Nacht nach Basel, Brüssel, Rotterdam, Wien und Zürich. Von Hamburg kommst du zu mehreren deutschen Städten sowie nach Österreich (Wörgl, Innsbruck, Wien) und Budapest.

Wie geht es bei Nox weiter?

Nox hat eigenen Angaben zufolge bereits Züge gekauft und befindet sich gerade in der Endabstimmung des Innenraumdesigns. Die Wirtschaftswoche hatte vergangene Woche berichtet, dass Nox in Osteuropa alte Wagen entkernen und sie mit dem eigenen Hotelmobiliar ausstatten will. Gleichzeitig wolle man neue Wagen kaufen. Da derzeit Verhandlungen mit Herstellern laufen, wollte Nox uns gegenüber dazu keine genaueren Angaben machen.

Im Herbst gibt es Nox zufolge eine große Finanzierungsrunde – noch besteht deshalb das Risiko, dass das Unternehmen scheitern könnte. Janek Smalla ordnet gegenüber Utopia.de ein: „Auch wenn die Nachfrage nach Bahnreisen boomt, ist der Sektor immer noch wenig standardisiert und unflexibel. Unsere potenziellen Investoren erkennen aber, dass wir mit unserem simplen, skalierbaren und daher widerstandsfähigen Betriebsmodell auf verschiedene Marktbedingungen gut reagieren können. Deshalb sind wir nach wie vor optimistisch, dass wir die Runde im Herbst wie geplant abschließen können.“

Utopia meint: Wir brauchen zuverlässigen und günstigen Bahnverkehr – tagsüber und nachts

Günstige und verlässliche Nachtzugverbindungen sind nicht nur wünschenswert, sondern notwendig, um für Reisen in Europa massentaugliche Alternativen zum Fliegen zu schaffen. Nox ist deshalb so vielversprechend, weil das Start-up häufige Hindernisse bei Nachtzug-Buchungen wie „Ich will nicht mit Fremden in einem Abteil schlafen“ aufgreift und geschickt löst.

Es bleibt zu wünschen, dass 2027 die ersten Nox-Züge durch die Nacht fahren – auch wenn das kaputte Schienennetz in Deutschland und daraus resultierende Baustellen das Vorhaben zusätzlich erschweren werden.

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