Die Digitalisierung hilft uns, bewusste Kaufentscheidungen zu treffen und Greenwashing von echtem Umweltschutz zu unterscheiden – wir müssen nur die Macht, die wir als Konsument*innen haben, gezielt einsetzen. Denn Nachhaltigkeit darf kein Etikettenschwindel werden.
Im Jahr 1991 gab es ein alarmierendes Video von Shell über die Gefahr des Klimawandels durch fossile Verbrennung – es verschwand schnell in der Versenkung. Heute ist das anders: Der „Greta-Effekt“ ist nur ein Beispiel dafür, wie eine Einzelaktion eines Teenagers in Schweden in weniger als einem Jahr zu einer globalen Bewegung werden kann – wenn die Aktion auf eine überfällige Handlungsnotwendigkeit trifft.
Zu verdanken haben wir das auch der Digitalisierung. Die neuen Medien ermöglichen eine globale Transparenz, die noch vor kurzem undenkbar war. Sämtliche Informationen sind nur einen Mausklick entfernt. Dabei dürfen wir uns nicht scheuen, diese kritisch zu hinterfragen. Mit ausreichend Informationen über die Quellen können wir zwischen manipulativen „Fake-News“ und informativen Argumenten unterscheiden.
Überwältigende Faktensammlungen der Wissenschafts-Community
Besonders wichtig ist die Digitalisierung für die aktuelle Diskussion um einen nachhaltigen Lebensstil und um eine fundamentale Änderung in unserem Wirtschaftssystem. Dieses darf seine ökologischen und sozialen Kollateralschäden zu großen Teilen der Gesellschaft aufbürden.
Und auch wenn sich immer noch einzelne Unbeirrbare gegen die überwältigenden Faktensammlungen der globalen Wissenschafts-Community zu stellen versuchen: Man darf guten Gewissens unterstellen, dass sich unter den Klimaaktivisten ausreichend kritische Geister befinden, die sich mit den Details auseinandergesetzt und diese kritisch geprüft haben. Quellen hierfür sind jedenfalls ausreichend vorhanden – nicht nur bei der IPCC, sondern zum Beispiel auch bei der NASA, die nicht gerade unter dem Generalverdacht eines ökologischen Fanatismus steht.
Leicht verfügbare Information: ein Segen für die Nachhaltigkeitsbewegung
Nur weil die Wahrheit oft erst einmal unangenehm ist und häufig Veränderungen verlangt, die mit unserer Bequemlichkeit konkurrieren, ist sie nicht notwendigerweise falsch. Das haben schon andere ökologische Krisenthemen wie der Saure Regen durch Luftverschmutzung, das Ozonloch durch FCKW oder die Krebsgefahr durch Asbest in den letzten Jahrzehnten bewiesen. Was gestern richtig erschien, ist nicht notwendigerweise auch morgen noch in Ordnung, wenn wir zu neuen Erkenntnissen gelangen.
Es ist ein Segen für die Nachhaltigkeitsbewegung, dass Informationen so leicht verfügbar sind. Verbraucher*innen sind nicht mehr auf die einseitige Informationsversorgung von Unternehmen oder Lobby-Gruppen angewiesen, sondern können sich selbst eine Meinung bilden – wenn sie dies möchten. Diese Mündigkeit ist allerdings nicht nur eine Chance, sondern auch eine Verantwortung. Denn niemand kann sich in Zukunft mehr mit dem Argument herausreden, er hätte wichtige Fakten nicht wissen können.
Ein Beispiel aus der Chemieindustrie: „Vergiftete Wahrheit“
Die Mündigkeit der Verbraucher*innen war nie wichtiger als heute. Wenn beispielsweise Öko-Test in einer aktuellen Ausgabe (11/2019) über die kritische Belastung von Weichmachern im Blut von Kindern sowie die Gefahr durch gesundheitlich bedenkliche PFOA-Werte in über 20% der Proben berichtet, können wir uns inzwischen sofort informieren, um was es sich hierbei handelt – und wie wir der Empfehlung folgen können, beim Kauf von Outdoorbekleidung auf Fluorcarbon- bzw. PFC-Freiheit zu achten.
Dann müssen wir nicht den Trickfilmen der Anbieter von PTFE-Membranen (=Polytetrafluorethylen, bei deren Herstellung und Verbrennung PFOAs (Perfluoractansäure) freigesetzt werden) blind Glauben schenken, die diese menschengemachte „Ewigchemie“ als vollkommen harmlos zu verniedlichen versuchen. Sondern wir werden schnell auf öffentliche Berichte zu der Gefahr von PFOA-verseuchten Böden in Holland und den USA oder Gewässern in Bayern stoßen.
Wer dann noch ein wenig weitersucht und auch ohne chemische Spezialkenntnisse den direkten Zusammenhang zwischen PFOA und PTFE (auch als Teflon® bekannt) erkennt, wird vermutlich sogar über einen der neuesten Filme aus Hollywood stolpern: „Dark Waters“ – (ab Ende April 2020 als „Vergiftete Wahrheit“) erzählt in Spielfilmlänge den Skandal, wie die Chemieindustrie die problematische Herstellung des Materials jahrelang vertuschte.
Umgekehrte Machtverhältnisse durch Digitalisierung
Wenn wir aus alarmierenden Vorfällen wie diesen etwas Positives ziehen wollen, dann das: Mit wenigen Suchbegriffen können wir uns heute als mündige Verbraucher*innen die notwendigen Informationen für ein eigenes Meinungsbild beschaffen, die noch vor wenigen Jahren unter der Decke gehalten wurden. Und somit können wir für uns eine verantwortungsbewusste Kaufentscheidung treffen.
Durch die Digitalisierung haben sich die Machtverhältnisse umgekehrt. Denn sie hat die Möglichkeiten geschaffen, dass wir mit vertretbarem Aufwand zwischen ernst zu nehmenden Nachhaltigkeitsstrategien und oberflächlichem „Greenwashing“ unterscheiden können.
Kein Unternehmen hat heute schon alle Lösungen in der Schublade, aber durch gezielte kollektive Kaufentscheidungen kann jeder Einzelne dazu beitragen, dass die Wirtschaft sich des Themas Nachhaltigkeit ernsthaft annimmt – jeder Einzelne muss sich nur selbst informieren. Wir alle sollten diese Chance nutzen!
Weiterlesen auf Utopia.de:
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