Nach der COP 27 zur Klimakrise findet vom 7. bis 19. Dezember 2022 die CBD COP 15 in Montreal statt, die das Thema Artenkrise und Biodiversität endlich in den Mittelpunkt rückt. Gut so, denn Artenvielfalt ist wichtig für das Leben auf der Erde und die zunehmenden Artenverluste zehren unsere Ökosysteme aus. Warum biologische Diversität unseren aktiven Schutz braucht und wie Artenvielfalt und Klimakrise zusammenhängen, erfährst du hier.
Noch immer steht die Krise der Biodiversität im Schatten der Klimakrise. Vielleicht, weil das Thema noch komplexer und schwer zu greifen ist. Dabei verdient die Artenkrise mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit wie das Klima. Denn Biodiversität bestimmt entscheidend, ob auf der Erde weiterhin Menschen leben können. Der Verlust einzelner Arten ist oft unauffällig – die Folgen aber sind am Ende höchst problematisch für die Ökosysteme, von denen wir abhängen.
Ein gutes Beispiel zur Veranschaulichung ist das Ökosystem Wald: Der Natur fällt es nicht besonders leicht, das Holz abgestorbener Bäume abzubauen, weil es viel sogenanntes Lignin enthält, ein Stoff, der für die „Verholzung“ sorgt. Für den Abbau sorgen unter anderem einige wenige Pilze, sogenannte Destruenten. Wenn diese aber aufgrund von klimatischen Veränderungen oder Zerstörung von Wäldern fehlen, kann sich das Holz nicht naturgemäß zersetzen und der natürliche Kreislauf im Ökosystem Wald gerät ins Stocken.
Solche Biodiversitätsverluste passieren bereits reihenweise. Mal fällt die Nahrungsquelle für eine Tierart weg, die wiederum selbst Beute ist, mal zerbricht ein symbiotisches System, bei dem zum Beispiel eine Baumart mit den Organismen in der Erde zusammenwirkt. Oder Pflanzen werden nicht mehr bestäubt, weil Insekten fehlen. Wo genau und mit welchen Auswirkungen das weltweit bereits passiert, kannst du auf grad.jetzt verfolgen. Das Projekt klärt über Kipppunkte und Biodiversität auf.
Biodiversität und Artensterben – Bedrohende Faktoren
Oft ist Biodiversitätsverlust ein schleichender Prozess und im Detail scheint dies nicht so gravierend. Die daraus resultierenden Folgen aber sind alles andere als harmlos: Das aktuelle Artensterben wird von Forschenden mit den fünf großen Massensterben der vergangenen 500 Millionen Jahre Erdgeschichte verglichen. Sie gehen davon aus, dass die unglaubliche Zahl von 1 Million Arten vom Aussterben bedroht ist, wenn wir nicht schnell handeln und die globale Biodiversität aktiv schützen.
Wissenschaftler:innen haben zahlreiche Faktoren identifiziert, die unsere biologische Vielfalt bedrohen und Biodiversitätsverluste, manche in ganz besonderem Ausmaß, herbeiführen. Darunter zum Beispiel:
- Landnutzungswandel (z. B. in der Landwirtschaft),
- Nährstoffbelastung z. B. durch Dünger,
- Schadstoffbelastung z. B. durch Pestizide,
- Übernutzung natürlicher Ressourcen (z. B. durch Fischerei),
- Klimakrise und Erderwärmung (etwa über Dürren und Waldbrände) und
- das Auftreten invasiver Arten.
Diese Faktoren wirken negativ auf die Biodiversität, teils sind sie auch Ursachen der Klimakrise. Das gilt etwa für den Landnutzungswandel, wenn beispielsweise Regenwald für Tierfutterplantagen abgeholzt wird. Zugleich ist die Klimakrise selbst inzwischen eine Bedrohung für die Artenvielfalt geworden: Ändert sich das Klima in Ökosystemen zu schnell, können die darin lebenden Arten sich nicht schnell genug anpassen – und sterben aus.
Besorgniserregend ist dabei die Tatsache, dass sich das Sterben innerhalb der nächsten Jahrzehnte vollzieht. Es rückt also für uns alle in greifbare Nähe.
So können wir Artenvielfalt erhalten
Welche Folgen die Verluste an Biodiversität haben, weiß noch niemand so genau. Bekannt ist aber, dass Ökosysteme sogenannte Kipppunkte haben, an denen plötzliche und nicht mehr umkehrbare Prozesse eintreten können. Bei einzelnen Arten lässt sich das noch einfacher ausdrücken: Ist eine Art ausgestorben, dann gibt es sie nie wieder.
Wir müssen Fragen stellen wie: Welche Ökosystemfunktionen hängen von bedrohten Arten ab? Ab welchem Biodiversitätsverlust ist ein System in seiner Leistungsfähigkeit spürbar eingeschränkt? Verstehen wir wirklich, was wir da verlieren?
Auch das Projekt grad.jetzt stellt sich genau diese Fragen und bereist verschiedene Orte der Welt, um vor Ort über die Auswirkungen von Biodiversitätsverlust zu berichten. Denn je mehr wir darüber erfahren und wissen, desto besser!
Was wir schon wissen: Biodiversität ist von unmittelbarem Nutzen. Mehr als zwei Milliarden Menschen decken ihren primären Energiebedarf mit Brennholz. Etwa vier Milliarden Menschen sind für ihre Gesundheitsversorgung hauptsächlich auf natürliche Medikamente (Heilpflanzen) angewiesen. Und etwa 70 Prozent der gegen Krebs eingesetzten Medikamente sind natürliche oder synthetische Produkte, die von der Natur inspiriert wurden, so das IPBES.
Wir sind von der Gesundheit unserer Ökosysteme abhängig. Daher darf uns die Artenkrise nicht egal sein. Sie bedroht unser Leben mindestens so sehr, wie es die Klimakrise tut.
Biodiversität bewahren – 7 einfache Tipps
Was können Menschen also im Alltag tun, um die Artenvielfalt zu erhalten und die Biodiversität zu schützen?
Hier 7 konkrete Tipps, die eigentlich für jeden Menschen umsetzbar sind:
1. Umweltorganisationen stärken. Aktivismus bei Umweltorganisationen ist hilfreich und kann viel bewegen! Greenpeace setzt sich weltweit für den Schutz der Biodiversität und der natürlichen Lebensgrundlagen von Menschen und Natur sowie für Gerechtigkeit für alle Lebewesen ein. Außerdem arbeitet Greenpeace unabhängig von Regierungen, Parteien und wirtschaftlichen Interessengruppen und lässt sich Projekte weder von der EU noch von der UNO bezahlen. Du kannst helfen, indem du an aktuellen Greenpeace-Aktionen und Petitionen teilnimmst, zum Beispiel Artenvielfalt schützen.
2. Energie sparen. Ein Thema, das uns derzeit aus ganz anderen Gründen umtreibt, gilt auch zum Schutz des Klimas und der Biodiversität. Denn umso niedriger der weltweite Energieverbrauch, umso geringer ist auch die Erfordernis, unsere Welt mit klimaschädlichen Energiequellen zu belasten. Mehr dazu im Beitrag Zehn Tipps zum Energiesparen.
3. Emissionsarm leben. Zum Beispiel auf Flugzeug und Auto verzichten. Zu erneuerbaren Energien wie Ökostrom wechseln. Keine fossilen Brennstoffe verwenden. All das trägt dazu bei, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Und weil die Klimakrise eine Ursache der Artenkrise ist, zahlen alle Maßnahmen, die das Klima schützen, auch auf die Biodiversität ein. Mehr Tipps liest du im Beitrag Klimaschutz im Alltag.
4. Tierische Produkte reduzieren: „Go vegan“ ist nicht umsonst auch ein Aufruf vieler Klimaaktivist:innen. Wir wissen längst, dass ein Großteil der Treibhausgasemissionen auf die industrielle Massentierhaltung zurückzuführen ist. Um Platz für Viehzuchtflächen zu machen, müssen Wälder weichen. Soja-Plantagen verdrängen wertvolle Regenwälder und die darin enthaltene Biodiversität. Das angebaute Soja dient hierbei nicht, wie manchmal fälschlicherweise angenommen, für die Herstellung von Tofu, sondern wird zu einem Großteil zu Tierfutter. Wie die kriminelle Brandrodung und Abholzung des Regenwaldes in Brasilien aussieht, kannst du auf grad.jetzt verfolgen.
Niemand muss vegan leben, es gilt vor allem: Weniger ist besser – insbesondere Rindfleisch und Milchprodukte sind auch fürs Klima verheerend. Hier mehr zu Klimaschäden durch Tierhaltung.
5. Weniger Fisch essen. Die extreme Ausbeutung unserer Weltmeere hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Ökosysteme im Meer. Stichwort: Überfischung. Bestimmte Arten von Thunfisch wurden zum Beispiel bereits bis auf wenige Prozent ausgerottet. Diese Arten wird es nie wieder geben. Ein anderes gravierendes Problem ist der Beifang. Dabei werden beispielsweise Delfine oder Schildkröten in den riesigen Fischernetzen mitgefangen und dann sterbend oder bereits tot zurück ins Meer geworfen.Mit deiner Unterschrift der Petition Artenschutz statt Ausbeutung – konsequenter Meeresschutz jetzt! kannst du die Biodiversität der Meere schützen.
6. Konventionelle Produkte mit Kokos- und Palmöl meiden. Palmöl stammt von der Ölpalme und wird zum Beispiel sehr häufig in Fertigprodukten verwendet. Um die für die Industrie wertvolle Ölpalme in Monokulturen anzubauen, werden Urwälder samt Biodiversität vernichtet und ganze Ökosysteme ausgerottet. Ähnliches gilt für Kokosöl. Du kannst stattdessen auf regionales Raps- oder Sonnenblumenöl setzen oder darauf achten, dass du Kokosöl aus fairen Bedingungen kaufst.
7. Bio statt konventionell einkaufen. Die ökologische Landwirtschaft geht viel schonender mit der Umwelt um. Zahlreiche Siegel sorgen für ständige Kontrollen. Das EU-Bio-Siegel setzt zwar keine sehr hohen Standards, dennoch sind diese im Grundsatz sinnvoll: Der Verzicht auf chemisch-synthetische Dünger reduziert das Problem der Überdüngung und der Grundwasserbelastung. Auch sind Pflanzenvernichtungsmittel wie Glyphosat verboten. Durch den deutlich geringeren Einsatz von Pestiziden wird auch die Biodiversität weniger belastet. Außerdem schließt das EU-Bio-Siegel Gen-Saatgut aus, dessen Einsatz bedrohlich für die genetische Vielfalt ist. Details dazu findest du im Beitrag Gentechnik.
Durch die Vernichtung von Ökosystemen, der genetischen Vielfalt einzelner Arten und Populationen, verändern wir ihre Fähigkeiten – und die sind für uns überlebenswichtig. Böden leiden, Ernteerträge und Fischfangmengen sinken, die Erde erhitzt sich – und wir kennen noch nicht einmal alle Wechselwirkungen. Daher ähnelt die derzeitige Naturzerstörung einem Experiment, bei dem man aus einem fliegenden Flugzeug noch in der Luft willkürlich Teile ausbaut, deren Bedeutung man nicht versteht – und trotzdem einfach weitermacht.
Wollen wir es auf diesen Crash wirklich ankommen lassen? Stattdessen sollten wir unsere Kräfte bündeln, um das Schlimmste zu verhindern: Mit deutlich mehr echten Schutzgebieten im Meer und an Land, geringerem Flächenverbrauch, ökologischer Landwirtschaft und Ausstieg aus fossilen Energien können wir den Artenschwund stoppen und so unser Leben in der Zukunft auf eine sicherere Basis stellen. Noch ist es nicht zu spät, um zu handeln.
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