Geld sei freundlicher zu Männern, sagt Claudia Müller. Das liege an den immer noch extrem unterschiedlichen Lebensrealitäten der Geschlechter. Sie appelliert an Frauen, endlich die eigene Vorsorge selbst in die Hand zu nehmen.
Immer öfter erscheinen auch in Frauenzeitschriften Kolumnen zum Thema Finanzen. Ist das Thema wirklich so wichtig? Und warum werden Frauen besonders angesprochen? Claudia Müller, Ökonomin und Gründerin des Female Finance Forum, erklärt warum:
Geld ist Lebensgrundlage
„Geld macht nicht glücklich.“ Dieses Sprichwort kennen die meisten von uns. Tatsächlich ist es aber nur halb zutreffend. Die Bundesregierung hat in einer Befragung herausgefunden, dass finanzielle Absicherung eine der Grundlagen für Lebensqualität ist. Menschen mit Schulden haben ein höheres Risiko, depressiv zu werden oder Angstzustände zu entwickeln. Außerdem machen Geldsorgen einsam, denn viele soziale Aktivitäten kosten Geld. Im ersten Schritt geht es also nicht darum, reich zu sein; es geht darum, dass es reicht.
Zudem schränken uns Geldsorgen in unserer Entscheidungsfreiheit und unserer Entscheidungsqualität ein. Bei vielen Entscheidungen, bei denen es vordergründig um Mut geht, geht es hintergründig um Finanzen: Der Sprung in die Selbständigkeit fällt leichter, wenn genug Rücklagen vorhanden sind, um ein Scheitern zu überstehen. Langfristige Pläne beruhen häufig auf zuverlässigen langfristigen Finanzflüssen durch ein geregeltes Gehalt oder andere regelmäßige Einkommensquellen.
Bei Betrachtung der Rentenentwicklung sehen wir, dass das Rentenniveau seit 1980 kontinuierlich gesunken ist. Uns auf die (gesetzliche und betriebliche) Rente allein zu verlassen, ist blauäugig. Wir müssen uns also aktiv um unsere Finanzen kümmern. Das gilt für die Altersvorsorge ebenso wie für die kurz- und mittelfristige Finanzplanung.
Diese Notwendigkeit der Vorsorge besteht für alle Menschen in Deutschland. Warum gibt es Angebote, die sich speziell an Frauen richten?
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Geld ist freundlicher zu Männern
Zunächst unterscheiden sich die Lebensrealitäten zwischen Männern und Frauen:
- Geschlechterspezifische Lohnlücke: Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer. Das wirkt sich sowohl auf unser Einkommen aus (Lohnlücke), als auch auf unsere Rentenpunkte (Rentenlücke), und auch auf unsere Möglichkeit, Geld zu sparen und zu investieren (Investitionslücke).
- Lebenserwartung: Frauen werden im Schnitt etwa fünf Jahre älter als Männer. Das heißt, dass wir mit weniger Geld länger leben – wir müssen also ganz anders planen und sparen.
- Kinder: Meistens sind es Frauen, die länger Elternzeit nehmen und/oder danach in Teilzeit arbeiten. Dementsprechend bekommen Frauen weniger Rente und haben zudem weniger Möglichkeiten, Geld beiseite zu legen. Nach einer etwaigen Trennung oder Scheidung bleiben die Kinder meistens bei der Frau. So toll Kinder sind – sie sind teuer. Wenn wir alleinerziehend sind, ist es sehr schwierig, voll zu arbeiten. Wir verdienen dadurch wieder weniger als die Männer (von den Karriereaussichten ganz zu schweigen), während wir gleichzeitig durch die Kinder höhere Kosten haben.
- Pflege: Der Großteil der Pflege von Angehörigen (übrigens selbst, wenn es die Angehörigen des Mannes sind) wird von Frauen übernommen. Dies birgt ähnliche finanzielle Hürden wie das Kinderkriegen.
- Trennung: Im Normalfall wird alles Vermögen, das während der Ehe-Zeit hinzuverdient wurde, zum Zeitpunkt der Scheidung zu gleichen Teilen auf die beiden Partner aufgeteilt. Das gilt für eine Immobilie ebenso wie für die Rentenpunkte. Allerdings tritt die durchschnittliche Scheidung in Deutschland nach 14 Jahren ein. Ab diesem Zeitpunkt ist jeder Partner auf sich selbst gestellt. Für Männer sind das häufig die „fetten Jahre“ mit hohem Gehalt und hohen Rentenansprüchen; für Frauen, die weiterhin die gemeinsamen Kinder betreuen, sind das weiterhin eher magere Jahre. Während dieser Zeit ist der (häufig besserverdienende) Partner nicht mehr unterhaltspflichtig.
Diese Unterschiede sollten bei der Finanzplanung beachtet werden. Hinzu kommt eine andere Herangehensweise an das Thema Geld:
- No risk, no fun? Entgegen aller Klischees: Frauen sind nicht risikoscheu. Wir sind risikobewusst. Das heißt, dass wir mehr Informationen haben wollen, bevor wir eine Entscheidung treffen. Das führt dazu, dass wir sehr gute Investorinnen sind. Gleichzeitig führt das auch dazu, dass wir länger brauchen, bis wir eine Entscheidung treffen. Und das bedeutet verlorene Zinseszinsen und somit weniger Gewinn auf unsere Investitionen, einfach weil wir später anfangen.
- Trau dich – lieber nicht? Bereits in der Schule sind Mädchen in MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) zurückhaltender als in anderen Fächern – allerdings nur, wenn auch Jungs in der Klasse sind. Dasselbe Verhalten lässt sich beim Thema Finanzen erkennen: Männer dominieren, Frauen halten sich zurück, insbesondere bei einem männlichen Finanzberater.
- Verkauf oder Empfehlung? Wir Frauen legen hohen Wert auf die Empfehlungen unseres Umfelds, insbesondere unseres weiblichen Umfelds. Wenn aber über Geld nicht geredet wird, kann uns niemand etwas empfehlen. Zudem sind die Finanzberater meistens männlich und haben ein Interesse daran, uns ein Finanzprodukt zu verkaufen, anstatt uns zu beraten.
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Was können wir tun?
Zunächst ist es wichtig, über Geld zu reden: Mit dem Partner/der Partnerin, mit unseren Kindern, mit den Freundinnen. Jede Einzelne kann anfangen, das Tabu rund um das Thema Geld zu durchbrechen. Außerdem gibt es viele unabhängige Informationsquellen: YouTube-Videos, Bücher, Zeitungen, Blogs… Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Mit Finanzen ist es wie mit einer Fremdsprache: Am Anfang ist es mühsam, die Vokabeln zu lernen. Aber mit der Zeit geht es uns immer leichter von der Hand und wir entwickeln Freude daran.
Der wichtigste Schritt ist aber, aktiv zu werden. Dafür musst du nicht alles bis ins letzte Detail verstanden haben: 80% richtig ist besser als 100% nicht gemacht. Außerdem kannst du bereits ab 25€ z.B. in einen breit gestreuten Aktienfonds investieren. Wir müssen nicht reich sein, um zu investieren. Wir müssen investieren, damit es reicht.
Der Beitrag erschien ursprünglich im Triodos-Bank-Blog diefarbedesgeldes.de
Die Ökonomin Claudia Müller hat mehrjährige internationale Arbeitserfahrung u.a. bei der Deutschen Bundesbank, wo sie für das Thema “Green Finance” verantwortlich war. 2017 hat sie das Female Finance Forum gegründet. Im Female Finance Forum lernen Frauen von- und miteinander den Umgang mit Geld und Finanzprodukten. Es findet kein Verkauf von Finanzprodukten statt, sondern Frauen bekommen die Grundlagen der finanziellen Bildung übermittelt. Die Vorträge und Seminare bietet Claudia Müller insbesondere Arbeitgebern an, die so Gleichstellung in ganz neuen Bereichen leben können. Claudia Müller ist Kundin bei der Triodos Bank und Autorin des Buches “Finanzen – Freiheit – Vorsorge“.
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