Wenn Waren oder Dienstleistungen in die eine Richtung fließen, fließt Geld in die andere Richtung zurück: Das einfache Grundprinzip unseres Wirtschaftssystems gilt vielerorts nicht mehr. Das Geld kommt nicht mehr dahin zurück, wo es ausgegeben wurde. Regionalwährungen könnten helfen, das zu ändern.
Unser Wirtschaftssystem beruht auf folgendem Grundprinzip: Wenn Waren oder Dienstleistungen in die eine Richtung fließen, fließt Geld in die andere Richtung zurück – zum Beispiel, wenn Brötchen beim Bäcker über der Ladentheke den Besitzer wechseln. Jedes Kind weiß das. Weniger bekannt dagegen ist, dass das kinderleichte Grundprinzip in vielen Regionen nicht mehr funktioniert. Der Wirtschaftskreislauf ist aus den Fugen geraten.
Betroffen von diesem Ungleichgewicht sind große Währungsräume, wie die Eurozone, die in ihrer Wirtschaftsleistung sehr heterogen ist und in der es strukturstarke und strukturschwache Regionen gibt.
Das Problem dabei: Waren- oder Dienstleistungen fließen oft nur noch in eine Richtung – und zwar aus den produktiven Regionen in die weniger produktiven, strukturschwachen Gebiete. Letztere müssen dauerhaft viel einkaufen und verkaufen selbst wenig. Ihnen droht ein Teufelskreis: Niedrige Kaufkraft in einer Region führt zu niedrigen Umsätzen der lokalen Unternehmen und wiederum zu niedrigen Löhnen.
Viele Staaten versuchen das Ungleichgewicht durch Ausgleichszahlungen zu verringern – Deutschland beispielsweise mit dem Solidaritätsbeitrag oder auf lokaler Ebene mit dem kommunalen Finanzausgleich. Vielleicht könnte dieses Problem aber auch auf einem ganz anderen Weg gelöst werden: mit Regionalwährungen.
Lokale Erlöse auch wieder lokal ausgeben
Das wichtigste Kriterium einer Regionalwährung ist, dass lokale Erlöse auch wieder lokal ausgegeben werden. Das Geld kommt den Unternehmen vor Ort zugute, da sich außerhalb eines bestimmten Einzugsgebietes niemand findet, der die Regionalwährung akzeptiert.
Der Bäcker beispielsweise, der sich seine Brötchen in Euro bezahlen lässt, kann mit seinen Einnahmen europaweit bei anderen Unternehmen Zutaten für seinen Teig kaufen (und so zum Beispiel das günstigste Mehl aus dem Ausland erstehen). Ein Kollege, der sich in einer Regionalwährung bezahlen lässt, kann das nicht. Er muss das Mehl im Umkreis kaufen, indem die Währung akzeptiert wird. Damit stärkt er also die regionale Wirtschaft.
Regionalgeld stärkt also die reale Wirtschaft vor Ort. Während nur rund magere fünf Prozent der umgesetzten Euros in der Realwirtschaft landen, sind es bei Regionalwährungen nahezu 100 Prozent. Wichtig ist, dass Regionalgeld zusätzlich zum Euro eingesetzt wird und die Gemeinschaftswährung nicht ersetzt, sondern ergänzt. Im Gegensatz zu anderen Alternativwährungen, wie zum Beispiel der digitalen Währung Bitcoin, kann mit Regionalgeld nicht spekuliert werden.
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Regionalwährung Chiemgauer
Die wahrscheinlich bekannteste Regionalwährung in Deutschland ist der Chiemgauer, mit dem mittlerweile bei über 500 Unternehmen in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein bezahlt werden kann.
Ein Chiemgauer entspricht einem Euro, hat im Gegensatz zur Gemeinschaftswährung (oder auch zur D-Mark, die noch heute eingetauscht werden kann) aber ein Verfallsdatum. Die Geldscheine sind nur sechs Monate gültig, danach müssen sie mit einem Aufkleber verlängert werden – und das kostet zwei Prozent des jeweiligen Geldscheinwertes. Nach drei Jahren ist die Regionalwährung gänzlich wertlos.
Geld ist ein Zahlungsmittel. Das Horten und Spekulieren mit Geld muss unattraktiv gemacht werden“ – Christian Gelleri
Das Verfallsdatum hat zur Folge, dass der Chiemgauer nicht gehortet, sondern schnell ausgegeben wird und damit zügig wieder im Wirtschaftskreislauf landet. „Geld ist ein Zahlungsmittel. Das Horten und Spekulieren mit Geld muss unattraktiv gemacht werden“, sagt Christian Gelleri. Der Handelslehrer ist sozusagen der Vater der Regionalwährung und hat den Chiemgauer im Jahr 2003 als Projekt an der Waldorfschule in Prien entwickelt.
Der Chiemgauer hat eine weitere Besonderheit: Drei Prozent seines Umsatzes geht an gemeinnützige Vereine in der Region, was ebenfalls den lokalen Zusammenhalt stärkt. Neben dem Papier-Chiemgauer gibt es auch einen elektronischen Chiemgauer. Er kann auf normale Euro-Bankkonten, die eine Zusatzvereinbarung Chiemgauer haben, überwiesen werden. Zum Beispiel auch bei der Triodos Bank.
„Sardex“-Kredite sind das jüngste Erfolgsbeispiel
Für Gelleri hat seine Regionalwährung noch eine weitere, eine aufklärende Dimension. „Wir wollen zum Nachdenken über ein besseres Geldsystem anregen“. Der Geldkreislauf drehe sich in den großen Währungsräumen immer langsamer, die Geldmenge werde immer größer und damit entstünden „riesige Geldblasen“, sagt er. Auch von einem nachhaltigen Standpunkt aus betrachtet hätten Regionalwährungen Vorteile, sagt der Chiemgauer-Gründer. Die Transportwege würden dadurch kürzer, was die Umwelt entlaste.
Wie die lokale Nachhaltigkeit gefördert werden kann, zeigt ein Beispiel aus den Niederlanden: Dort ist unter anderem die Triodos Bank Teil einer Regionalgeld-Initiative, der United Economy. Die United Economy ist ein Zusammenschluss von nachhaltigen Unternehmen, die sich gegenseitig in Uniteds bezahlen. Das Besondere dabei: Die Unternehmer können sich untereinander Kredite geben, ohne Zinsen zu verlangen. Mit dem Netzwerk stärken sich die gleichgesinnten Unternehmen gegenseitig und bringen so die Nachhaltigkeit vor Ort voran.
Der Chiemgauer ist bei weitem nicht die einzige Regionalwährung in Deutschland: Über 40 davon gibt es bundesweit. Auch über Deutschlands Grenzen hinaus verbreiten sich die Zusatzwährungen. Das jüngste Erfolgsbeispiel kommt aus Sardinien. Die „Sardex-Kredite“ auf der italienischen Insel haben der brachliegenden regionalen Wirtschaft wieder Leben eingehaucht und dafür gesorgt, dass der Wirtschaftskreislauf vor Ort wieder funktioniert.
Der Beitrag erschien ursprünglich im Triodos-Bank-Blog diefarbedesgeldes.de
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