Stell dir vor, du wärst in einem engen Käfig eingesperrt, umgeben von beängstigenden Geräuschen und Gerüchen, ohne zu wissen, was als Nächstes passiert. Dies ist die Realität für Millionen von Tieren, die jedes Jahr in Laboren in ganz Deutschland und Europa missbraucht werden. Obwohl die Regierung Versprechungen macht, die Zahl der Tierversuche zu reduzieren und langfristig zu ersetzen, bleibt diese konstant hoch. Doch warum ist das so?
Fast hätte man gedacht, dass 2021 ein gutes Jahr im Kampf gegen Tierversuche sein würde. Damals kündigte nämlich die deutsche Regierung im Koalitionsvertrag eine Reduktionsstrategie für Tierversuche an. Seitdem ist einiges an Zeit vergangen und viele warten immer noch auf konkrete Maßnahmen.
Währenddessen werden in Deutschland weiterhin jährlich etwa 3 Millionen Tiere für wissenschaftliche Zwecke eingesetzt. Hinzu kommen 2,5 Millionen sogenannte Überschusstiere, die gezüchtet, aber aufgrund genetischer Merkmale nicht für Versuche verwendet und daher getötet werden. In Europa sind es sogar 8 Millionen Tiere, die jährlich für Versuche missbraucht werden.
Diese Zahlen sind trotz der EU-Richtlinie 2010/63, die den Ersatz von Tierversuchen seit 2010 als ultimatives Ziel vorsieht, konstant geblieben. Es ist unübersehbar, dass Tierversuche trotz entsprechender gesetzlicher Vorgaben und erheblicher ethischer Bedenken nicht weniger werden.
Umstritten: Tierversuche in Deutschland
Tierversuche sind nicht nur ethisch umstritten, sondern auch wissenschaftlich. Die biologischen Unterschiede zwischen Tieren und Menschen sind so groß, dass viele Ergebnisse gar nicht übertragbar sind. Dennoch werden Tiere oft unter grausamen Bedingungen gehalten und leiden unter den Experimenten. Sie werden giftigen Substanzen ausgesetzt, mit tödlichen Viren infiziert oder in belastende Stresssituationen gebracht. Das Tierschutzgesetz in Deutschland sieht zwar strikte Bedingungen für Tierversuche vor und empfiehlt, diese möglichst durch tierfreie Methoden zu ersetzen. Doch leider ist das Genehmigungsverfahren intransparent und lässt viele Fragen offen.
Wie lauten die gesetzlichen Vorgaben genau: Was ist erlaubt und was ist vorgeschrieben?
Das Gesetz schreibt vor, dass Substanzen wie Chemikalien, Pestizide und Medikamente auf ihre Giftigkeit oder Unverträglichkeit getestet werden müssen, um Mensch, Tier und Umwelt zu schützen. Interessanterweise verlangt der Text gleichzeitig, dass diese Tests, wenn möglich, ohne den Einsatz von Tieren durchgeführt werden sollen. Dies folgt dem 3R-Prinzip, welches die Begriffe „replace“ (ersetzen), „reduce“ (reduzieren) und „refine“ (verfeinern) umfasst. Allerdings müssen alternative Tests erst durch entsprechende Behörden akzeptiert werden. Die bürokratischen Prozesse sind jedoch langwierig, die finanzielle Förderung nicht ausreichend und so greift die Industrie weiterhin auf Tierversuche zurück.
Während Tierversuche für die Forschung nicht explizit vorgeschrieben sind, liegt es in der Verantwortung der Forschenden, die passendste Methode für ihre Experimente auszuwählen. Auch hier verlangt das Gesetz, möglichst auf Tierversuche zu verzichten. Trotz dieser gesetzlichen Vorgaben sind Tierversuche bei vielen Behörden, Geldgebern und Herausgebern nach wie vor der Standard und werden oft gefordert und unterstützt. Somit ist das Gesetz ein misslungener Balanceakt zwischen festgefahrenen Methoden und der ethischen Verantwortung gegenüber den Tieren.
Europa ohne Tierversuche: Initiativen und Hoffnung
Es gibt jedoch einen Silberstreif am Horizont: Viele innovative, tierleidfreie Methoden, insbesondere Tests für Haut- und Augenreizungen, haben sich als überlegen erwiesen und ersetzen bereits in vielen Bereichen die traditionellen Tierversuche. Es ist von entscheidender Bedeutung, die Entwicklung und Anwendung dieser Methoden gezielt zu fördern und ihre breite Anwendung zu unterstützen.
Im August 2022 setzte eine europäische Bürgerinitiative ein deutliches Zeichen gegen Tierversuche. Unter dem Motto „Save cruelty free cosmetics – für ein Europa ohne Tierversuche“ forderte sie einen strategischen Ausstiegsplan für Tierversuche in Europa. Als die Frist im August 2022 endete, konnte die Initiative weit mehr als die geforderte Million gültiger Unterschriften vorweisen.
Die EU-Kommission reagierte innerhalb der vorgegebenen Frist auf diesen eindrucksvollen Aufruf und sorgte zunächst für Enttäuschung. Denn die Hauptforderung, das Tierversuchsverbot für Kosmetika zu stärken, ignoriert die Kommission und verweist stattdessen auf laufende Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof. Allerdings versprach sie einen Ausstiegsplan für Tierversuche zu entwerfen, die für Tests mit Industriechemikalien, Pestiziden, Bioziden sowie Human- und Tierarzneimitteln noch vorgeschrieben sind. Weiterhin schlug die Kommission einen europäischen Forschungsraum vor, in dem Länder ihre Fortschritte beim Ersatz von Tierversuchen teilen können.
Doch obwohl diese Pläne vielversprechend klingen, bleibt abzuwarten, ob sie tatsächlich in die Tat umgesetzt werden.
PETA’s Research Modernisation Deal
Vor drei Jahren haben Wissenschaftler:innen von PETA weltweit den „Research Modernisation Deal“ (RMD) ins Leben gerufen. Dieser Deal zielt darauf ab, die Wissenschaft strategisch zu modernisieren und Tierversuche durch alternative Methoden zu ersetzen. Der RMD skizziert klare Maßnahmen, um Tierversuche in bestimmten Bereichen sofort zu stoppen und den Übergang in anderen Bereichen durch gezielte Förderung und Untersuchungen zu beschleunigen. Anfang 2023 wandte sich PETA mit einem Schreiben an zentrale Ministerien wie das BMEL, BMBF und BMUV. Basierend auf dem RMD wurden in diesem Schreiben spezifische Vorschläge für die Implementierung in Deutschland vorgelegt.
Informiere dich zum Research Modernisation Deal
Zu den Vorschlägen gehörten unter anderem ein detailliertes Konzept für die Struktur des im Koalitionsvertrag festgelegten „ressortübergreifenden Kompetenznetzwerks“. Des Weiteren wurden Optimierungen im Antragsverfahren für Tierversuche vorgeschlagen, wie die verpflichtende Nutzung von Datenbanken für alternative Methoden und die Präregistrierung sowie vollständige Veröffentlichung von Tierstudien. Ein besonderer Fokus lag auf der Neugestaltung der beratenden Tierversuchskommissionen, einschließlich einer Erweiterung ihrer Befugnisse, wie beispielsweise einem Vetorecht gegenüber bestimmten Experimenten.
Hier kannst du dich über den Stand des Deals informieren und die dazugehörige Petition „Wissenschaft statt Tierversuche“ unterschreiben. Du siehst, dass Tierversuche ein kontroverses Thema sind, das sowohl ethische als auch wissenschaftliche Fragen aufwirft. Es ist jedoch an der Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Versprechen einhalten und konkrete Schritte in Richtung eines tierversuchsfreien Kontinents unternehmen.
Unterschreibe jetzt die Petition!
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