Walnüsse sind im Herbst und zur Weihnachtszeit besonders beliebt. Doch die meisten Walnüsse in Supermärkten kommen aus den USA und haben einen sehr langen Transportweg. Eine Landwirtin aus Brandenburg zeigt, dass es auch anders geht.
Vivian Böllersen setzt auf ökologischen Walnussanbau in Deutschland – und bringt damit nicht nur frische Ideen in die Landwirtschaft, sondern auch regionale Nüsse auf die Teller und ins Weihnachtsgebäck. Ihre Walnussmeisterei in Herzberg nördlich von Berlin ist mehr als nur ein landwirtschaftlicher Betrieb: Böllersen unterstützt die Forschung und ist Netzwerkerin.
Walnüsse wollen gewaschen, getrocknet und geknackt werden
Derzeit herrscht viel Betrieb vor und in der ausgebauten Scheune: In einer großen Schleuder wurde gerade eine Ladung Nüsse gewaschen. Nebenan liegen in einer meterhohen Metallbox Nüsse auf mehreren Ebenen und werden getrocknet. Die aus Frankreich importierte Knackmaschine ist das Herzstück des Betriebs. „Walnüsse zu knacken ist besonders kompliziert, da sie im Innern noch eine Zwischenwand haben“, erzählt die Unternehmerin, während sie am Fließband steht und per Hand Schalenreste aussortiert.
Die Nuss müsse einmal geknackt und im Anschluss auch noch maschinell gedreht werden, damit sich die Zwischenwand löse. Die Kerne fallen am Ende durch ein Gitter und werden nach Größe sortiert, um roh oder kandiert verkauft oder zu Mus und Öl verarbeitet zu werden.
Walnussmeisterei in Brandenburg: Geheizt wird mit Walnussschalen
Außerdem müssen Pakete für die Kund:innen des Online-Shops gepackt werden. „Wir machen etwa ein Drittel unseres Jahresumsatzes in den letzten beiden Monaten des Jahres“, sagt die Chefin von acht Mitarbeiterinnen, darunter auch Minijobber.
Im Heizraum im hinteren Teil der Scheune türmen sich Säcke voller Walnussschalen. „Wir verarbeiten 15 Tonnen Nüsse pro Jahr, da kommt einiges zusammen“, sagt die 37-Jährige. Das Heizen mit Schalen gehöre zum ökologischen Konzept, erklärt Böllersen, die in Eberswalde Ökolandbau und Vermarktung und Öko-Agrarmanagement studiert hat. In dieser Zeit kam auch die Geschäftsidee auf.
Vom Ökolandbau-Studium zur Walnuss
„Ich habe mich gefragt, warum man keine deutschen Walnüsse im Supermarkt findet“, erzählt Böllersen. Mit Abstand die meisten Walnüsse – rund 31.000 Tonnen – wurden 2024 aus den USA importiert, wie das Statistische Bundesamt mitteilt. Weitere wichtige Importländer sind demnach Brasilien, die Niederlande, Frankreich und China.
Zur Produktionsmenge in Deutschland liegen den Statistiker:innen keine Daten vor, nur zur Anbaufläche. Eine Stichprobe von utopia.de bestätigt: Walnüsse aus Deutschland sucht man in Supermärkten und Discountern vergeblich.
In ihrer Masterarbeit widmete sich Vivian Böllersen dem Potenzial des Walnussanbaus in Deutschland, mit der Erkenntnis: Es gibt ein Riesenpotenzial, das bislang nur sehr wenige Menschen nutzen. Laut jüngsten Daten des Statistischen Bundesamtes bauten Landwirt:innen im Jahr 2022 in 533 Betrieben auf 734 Hektar Walnüsse an. Fünf Jahre zuvor waren es noch 497 Betriebe und eine Fläche von 291 Hektar. Gezählt wurden allerdings nur Betriebe mit einem halben Hektar Mindestanbaufläche von Obstbäumen.
Walnussbäume bringen lange keine Erträge
Nach dem Studium vor etwa zehn Jahren pflanzte Böllersen ihre erste Fläche. Die Bäume sind noch jung, doch die Kronengröße verspricht bald erste Ernten. „Wenn es im nächsten Jahr keinen Frost gibt, habe ich vielleicht die ersten Kisten voll“, so Böllersen. Auf etwa 4,5 Hektar Grünland stehen 200 Walnussbäume. Sie bringen laut Böllersen allerdings erst im Alter von etwa 20 Jahren nennenswerte Erträge.

Parallel bewirtschaftet sie eine etwa 40 Jahre alte Walnussplantage in Sachsen-Anhalt. „Ich kaufe auch von befreundeten Betrieben und Privatleuten – überall, wo es zu viele Nüsse gibt“, sagt sie. In diesem Jahr kämen die Nüsse auch aus dem Raum Nürnberg und Baden-Württemberg. Das sei nötig, um die jahrelange Durststrecke bis zur ertragreichen Ernte zu überwinden.
Warum deutsche Walnüsse selten sind
Die Gründe für die geringe Präsenz deutscher Walnüsse im Handel seien vielfältig, so Böllersen. Langfristige Kulturen gelten als wirtschaftlich unattraktiv und die globalisierte Landwirtschaft setzte auf Importe. Erst durch Ernährungstrends und Klimadebatten rücke die Walnuss als pflanzlicher Eiweißlieferant wieder ins Blickfeld.
Herausforderungen im ökologischen Anbau
Der ökologische Walnussanbau birgt Hürden: Besonders die Walnussfruchtfliege, ein invasiver Schädling, macht Böllersen zu schaffen. „Die Fliege legt ihre Eier in die grüne Fruchthülle, die dann schimmelt – das beeinträchtigt die Qualität erheblich.“ Doch Aufgeben ist keine Option: Sie arbeitet mit Forschungseinrichtungen wie dem Julius Kühn-Institut und der Hochschule Eberswalde an Lösungen.
Böllersen kultiviert rund 40 Walnusssorten – darunter die alte deutsche Moselana, die französische Hochleistungssorte Fernor und die robuste Mars. Wie auch bei Apfelsorten gebe es bei Walnüssen eine große Sortenvielfalt. Allerdings spiegele sich diese überhaupt nicht in den Verkaufsregalen der Supermärkte wider. Die junge Landwirtin will das ändern.
Tipp: Wenn du Walnüsse aus Deutschland essen willst, sieh dich auf Wochenmärkten um oder kauf die Nüsse direkt in Hofläden oder online von regionalen (Bio-)Landwirt:innen. Ab Herbst gibt es frische Walnüsse.
Walnüsse statt Zwetschgen und Kirschen
Auch Obstbauer Peter Schwalbach im rheinhessischen Wolfsheim setzt auf Nüsse, aber auch Mandeln. Der Klimawandel mit trockenen Sommern, aber auch die veränderte Nachfrage haben ihn im Jahr 2019 zu einer radikalen Umstellung seines Betriebs veranlasst. „Die jungen Leute kaufen keine Obstkonserven mehr“, sagt Schwalbach. Gesunde Proteine, wie sie in Nüssen und Mandeln enthalten seien, seien da gefragter. Rund 30.000 Mandel- und 20.000 Walnussbäume hat er inzwischen gepflanzt. Großer Vorteil: Anders als Zwetschgen oder Kirschen bräuchten sie nicht im Sommer, sondern im Frühjahr viel Wasser.
Thorsten Michaelis von der Universität Kassel, Leiter des Projekts Nüsse und Pilze als Eiweißquelle in der Landwirtschaft (NuPiWi), sieht ebenfalls großes Potenzial im Walnussanbau. Das Projekt will landwirtschaftlichen Betrieben in Deutschland neue Perspektiven durch den Anbau von Nüssen und Pilzen eröffnen. „Wir helfen den Betrieben mit Informationen zur Entscheidungsfindung und mit Veranstaltungen“, so der Wissenschaftler an der Universität Kassel.
Im Bereich Agroforstwirtschaft sieht Michaelis die Walnuss ebenfalls auf dem Vormarsch. Der Begriff steht für eine Landnutzung, bei der Bäume oder Sträucher gezielt mit landwirtschaftlichen Kulturen oder Tierhaltung kombiniert werden. „Walnussbäume können wichtige Ökosystemleistungen bereitstellen – etwa als Schutz vor Erosion, bei der Wasserregulierung oder der Kohlendioxid-Bindung.“ Allerdings sei der Anbau mit hohen Investitionskosten verbunden.
Vivian Böllersen organisiert gemeinsam mit Michaelis Veranstaltungen, um das Thema Walnuss stärker in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen.
Nussknackmaschine bietet auch Inhaftierten Arbeit
Auch Wolfram Schnetz vom Kulturverein Einhalden in Fronhofen (Kreis Ravensburg) ließ sich von Böllersen inspirieren. Der Verein kaufte 2024 eine Nuss-Knackmaschine, um für Besitzer:innen von Walnussbäumen in der Region Walnüsse zu knacken. „Wir konnten die vielen Anfragen aber nicht mehr bewältigen“, erzählt Schnetz. Nun stehe die Maschine in der JVA Ravensburg und sei eine willkommene Arbeitsmöglichkeit für Inhaftierte im offenen Vollzug.
















