Die Klimakrise nimmt dem Sommer seine Leichtigkeit – weil sich die Hitze zunehmend bedrohlich anfühlt, findet unsere Autorin.
Ein „Stubenhocker“ zu sein galt in meiner Familie so ungefähr als die schlimmste Beleidigung, die man sich vorstellen konnte. Wenn das Wetter es zulässt, muss man raus, das stand völlig außer Frage. Der Sommer war daher immer meine Lieblingsjahreszeit, die Zeit, zu der man quasi die gesamte Freizeit draußen verbringen konnte. Da schwang Leichtigkeit und Spaß und ein Gefühl von Freiheit mit. Wenn andere hin und wieder über die Hitze jammerten, freute ich mich noch über die schönen Tage. Je mehr Sonne, desto besser.
Ich empfinde das heute nicht mehr so. Seit wenigen Jahren wandelt sich mit den Temperaturen auch meine Wahrnehmung – und anderen Menschen in meiner Bubble geht es genauso: Jetzt im Hochsommer wirkt die Sonne immer stärker bedrohlich.
Die Sonne als Bedrohung
Das ist natürlich einerseits vernünftig – starke Hitze ist eine sehr reale Gesundheitsgefahr, der man sich nicht unbedacht aussetzen sollte. Schon heute gehen Fachleute weltweit von hunderttausenden Hitzetoten im Jahr aus, während jeder Hitzewelle steigt auch in Deutschland die Todesrate. Wetterdaten zeigen zweifelsfrei, dass unsere Sommer nicht nur gefühlt, sondern wirklich heißer geworden sind und Hitzewellen länger andauern als noch vor 25 oder 30 Jahren, in den Sommern meiner Kindheit.
Natürlich ist das Gefahrenbewusstsein andererseits auch psychologisch bedingt; mein Beruf trägt sicherlich nicht dazu bei, Hitze und andere Extremwetter entspannt zu sehen. Zum Glück, möchte ich fast sagen, denn es ist natürlich essentiell, dass die mediale Berichterstattung über die Klimakrise Menschen sensibilisiert.
Viel wurde schon geschrieben über Klimaangst und über die Zukunftssorgen der jungen Menschen heute. Aber wissen und spüren sind bekanntlich zwei verschiedene Dinge. Zum ersten mal weiß ich nicht nur darüber, sondern spüre – genau wie viele, viele andere Menschen meiner Generation – die Bedrohung durch die Klimakrise an jedem heißen Tag. Oder ganz platt gesagt: Jetzt ist der Klimawandel auch für uns real. Das wiederum zeugt natürlich von dem ungemeinen Privileg, im globalen Norden zu leben. Denn Millionen Menschen in anderen Erdteilen leiden schon seit Jahren massivst unter Hitzewellen und anderen Extremwetterereignissen.
Gefahr für die kommenden Generationen
Mit einiger Wahrscheinlichkeit erleben wir gerade trotz Hitzewellen die „kältesten Sommer für den Rest unseres Lebens“, wie ein bekannter Moderator bereits im vergangenen Jahr spekulierte. Gehöre ich also zur letzten Generation, die den Sommer noch mit Leichtigkeit und Unbeschwertheit erlebt hat?
Meine Kinder lasse ich im Sommer quasi nur mit Sonnencreme und Kopfbedeckung vor die Tür und ermahne sie, im Schatten oder doch lieber drinnen zu bleiben. Soviel zum Thema Stubenhocker. Ob die jetzt aufwachsende und die nachfolgende Generation überhaupt noch die Chance haben wird, den Sommer wie wir damals als fröhliche Zeit zu erleben, daran zweifle ich mit jedem Hitzerekord und mit jeder Prognose mehr.
Denn im globalen Süden sterben längst Kinder an den Folgen der Hitze, für deren Ursache, die Klimakrise, wir alle mit verantwortlich sind. Selbst, wenn wir als Gesellschaft jetzt sofort endlich entschieden handeln würden, werden die Temperaturen bis mindestens Mitte des Jahrhunderts weiter ansteigen. Abmildern können wir den Temperaturanstieg aber sehr wohl für die nachfolgenden Generationen Ende des Jahrhunderts. Das allein sollte alle, die sich für die Zukunft ihrer eigenen (Enkel-)kinder und deren Kinder noch ein bisschen Leichtigkeit wünschen, dazu motivieren, alles Menschenmögliche für eine Eindämmung des Klimawandels zu tun.
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