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AGB-Trick bei Shein & Co.: „Klauseln sind problematisch“

Shein
Foto: Monika Skolimowska/dpa

Große Onlineshops wie Shein machen weltweit Milliardenumsätze. Ein Blick in die AGBs zeigt, dass Kund:innen beim Kauf von Importware in eine Rolle schlüpfen, die rechtlich problematisch sein kann. Zwei Expert:innen erklären, welche Konsequenzen drohen.

Die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBs) kennen wir als Checkbox, die man ankreuzen muss, ehe man einen Online-Dienst nutzen kann. Die wenigsten lesen sich den meist sehr ausführlichen Text dahinter komplett durch – auch wenn es manchmal ratsam wäre.

Etwa im Fall von Online-Händlern wie Shein, Temu und Amazon. Mit einem Trick versuchen die Unternehmen, Verantwortung für ihre Produkte an Konsument:innen abzutreten. Expert:innen der Verbraucherzentrale Bayern und der NGO Public Eye warnen und erklären, wie man sich vor der Falle schützt.

Shein, Amazon, Temu: Kund:innen gelten als Importeur:innen

In den AGBs von Shein ist festgehalten, dass „der Kunde bei einer Bestellung auf dieser Website als Importeur gilt und alle Gesetze und Vorschriften des Landes einhalten muss, in dem der Kunde die Produkte empfängt.“ Shein ist kein Einzelfall: Auch die AGBs von Shops wie Amazon und Temu enthalten ähnliche Passagen.

Ein Importeur ist eine Firma oder Person, die Waren zum Zweck des Handels von ausländischen Unternehmen in ein Land einführt. Die Rolle ist mit verschiedenen Pflichten verknüpft.

„Mit dem Import von Produkten geht unter anderem die Verantwortung einher, die Ware auf Qualität, Sicherheit, Menschenrechtskonforme Herstellung und sonstige rechtliche Zulässigkeit auszuwählen und zu prüfen“, erklärt David Hachfeld von Public Eye. Seine Organisation setzt sich unter anderem für Einhaltung der Menschenrechte ein. Da dabei auch das Thema Mode eine große Rolle spielt, veröffentlichte Public Eye bereits mehrere Recherchen zu Konzernen wie Shein.

Dem Experten zufolge sind einzelne Kund:innen kaum in der Lage, diese Bedingungen zu erfüllen, schon weil ihnen der Zugang zu den notwenigen Informationen fehle. „Diese Klauseln sind problematisch, weil sie den Konsument:innen eine Verantwortung zuschieben, der diese praktisch gar nicht gerecht werden können“, urteilt der Experte.

„Höchst problematisch“: Expert:innen fordern mehr Verbraucherschutz

Wenn Unternehmen Ware importieren, haben sie oft die Möglichkeit, Informationen anzufordern und von Jurist:innen prüfen zu lassen. Für einzelne Verbraucher:innen ist das oft schwieriger. Und Shops wie Shein, Amazon und Temu sind nicht primär auf Unternehmen ausgelegt. Ihre Hauptzielgruppe sind einzelne Konsument:innen. Auch die Werbung und Apps der Plattformen seien auf europäische Endverbraucher:innen ausgerichtet, betont Hachfeld.

Der Experte fordert, dass die Plattformen daher selbst die Rolle des Importeurs und die damit verbundenen Pflichten in vollem Umfang übernehmen sollten. „Dass sie dennoch versuchen, die Verantwortung einfach durchzureichen, ist höchst problematisch – ob das rechtens ist, mögen Jurist:innen und Gerichte beurteilen“, urteilt er. Hachfeld sieht Verbraucherschutzbehörden wie das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMVU) in der Pflicht, zu intervenieren – direkt oder durch Rechtsanpassung.

Welche Konsequenzen drohen Kund:innen?

Welche Risiken ergeben sich für Kund:innen, wenn diese bei Shops wie Temu, Shein oder Amazon einkaufen und dadurch Ware importieren? Hachfeld sieht „unmittelbare Risiken von Schäden durch unsichere oder giftige Produkte“ – aber auch das Risiko, Produkte zu kaufen, die unter unfairen oder sogar menschenrechtswidrigen Bedingungen hergestellt wurden und indirekt zu diesen Problemen beizutragen. „Und diese Risiken können auch Dritte betreffen, wenn Produkte weitergegeben, verschenkt oder verkauft werden“, so der Experte.

Machen Konsument:innen sich haftbar, wenn sie Ware importieren, die rechtlich nicht zulässig ist? Simone Bueb, Referentin für Verbraucherrecht der Verbraucherzentrale Bayern, erklärt gegenüber Utopia, dass dies unter Umständen der Fall sein kann.

Grundsätzlich hafte ich für ein Gerät, das in meinem Eigentum steht“, so die Expertin. Angenommen man behält das gekaufte Gerät und es fängt Feuer, ist man gegebenenfalls schadensersatzpflichtig. Allerdings nur, wenn das eigene oder fremdes Eigentum dadurch zu Schaden kommt. Dieses Risiko ist gegebenenfalls erhöht, wenn niemand prüft, ob das Produkt Sicherheitsstandards entspricht.

Allerdings betont Bueb auch: „Auch wenn nach den AGB die Käufer als Importeure gelten, so sind nach dem Produkthaftungsgesetz immer die Hersteller verantwortlich. Diese Regelung ist nur leider sehr schwer durchzusetzen, wenn man in Fernost gekauft hat und vielleicht auch gar nicht weiß, wer der Hersteller ist, da man über eine Plattform gekauft hat.“ Schadensersatzansprüche gegenüber asiatischen Händlern durchzusetzen sei schwierig bis unmöglich.

Weitere Kritik an Amazon, Shein und Temu

Onlinehändler wie Shein, Temu und Amazon stehen nicht nur wegen ihren AGBs in der Kritik. Amazon wird unter anderem wegen schlechten Arbeitsbedingungen immer wieder kritisiert. Auch wegen der Bedingungen in einem Werk in Kaiserslautern wurde zuletzt Kritik laut.

Shein und Temu verkaufen Ultra-Fast-Fashion, die per Flugzeug nach Europa transportiert wird. Über die Arbeitsbedingungen der Näher:innen ist wenig bekannt. Public Eye sprach 2021 mit zehn Shein-Arbeiter:innen, die von Arbeitstagen mit elf bis zwölf Stunden erzählten – bei einem freien Tag im Monat.

Öko-Test fand außerdem kürzlich große Mengen an Schadstoffen in Shein-Kleidung, auch die Qualität der Produkte wird häufig kritisiert. Schließlich fördern die Shops durch zahlreiche Verkaufstricks Überkonsum. Die Verbraucherzentrale mahnte Shein und Temu wegen Manipulation ab.

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