Lurking heißt auf Deutsch lauern – und beschreibt im Zusammenhang mit Social Media die Gewohnheit, Inhalte nur zu konsumieren, ohne selbst aktiv zu posten oder zu kommentieren.
Wenn heute kritisiert wird, dass zahlreiche Menschen zu viel Zeit auf Social Media verbringen, steht dabei oft das Posten in Fokus: Jede Mahlzeit, jeder Kaffee und jede Sporteinheit muss gepostet werden. Doch auf Social Media nur zuzusehen und dabei anonym und still zu bleiben, ist auch sehr gängig. Dieses Verhalten wird als Lurking bezeichnet.
Lurking steht nicht einfach für Desinteresse, sondern könnte der psychologischen Forschung zufolge mit verschiedenen Persönlichkeits- und Motivationsmerkmalen zusammen.
Welche Persönlichkeit haben Lurker:innen?
In einer Studie von 2025 fanden Forschende heraus, dass Persönlichkeitsmerkmale wie Gewissenhaftigkeit („conscientiousness“), Neurotizismus („neuroticism“) und die Furcht vor negativer Bewertung („fear of negative evaluation“) vorraussagen können, dass jemand Inhalte konsumiert, aber selbst kaum Beiträge leistet – also Lurking betreibt.
Auch eine andere Untersuchung zeigt: Wenn Nutzer:innen Überlastung oder Müdigkeit durch soziale Medien erleben – etwa durch Informationsfülle oder sozialen Druck –, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich passiv verhalten. Wer viel liest, aber wenig teilt, könnte demnach eher darauf bedacht sein, wie er/sie nach außen wirkt oder einfach wenig Lust zur Kommunikation online zu haben.
Während das Wort Lurking sprachlich negativ besetzt ist (lauern), ist „nur lesen“ also nicht zwangsläufig negativ – es kann Ausdruck eines reflektierenden Nutzungsverhaltens sein. Studien zum Lurking konkludieren, dass man einer Online-Community nicht zwangsläufig schadet, wenn man lediglich zuhört oder sich Informationen aneignet, statt aktiv mitzuwirken. Vielmehr haben Lurker:innen oft gute Gründe, sich zumindest zeitweise passiv zu verhalten und können zu gegebener Zeit auch in eine aktive Rolle wechseln.
Insgesamt lässt sich also sagen: Lurking wird häufig begleitet von Persönlichkeitsmerkmalen wie
- höherer Vorsicht,
- mehr Selbst-Monitoring und
- größerer Sorge um Bewertung.
Welche Typen von Lurking es gibt

Nicht alle stillen Nutzerinnen und Nutzer sind gleich – Forschungen unterscheiden verschiedene Typen von Lurking-Verhalten. Eine Studie identifizierte zum Beispiel die folgenden sieben Motivationen:
- Freizeit/Spaß: Man durchstöbert die sozialen Medien einfach aus dem Wunsch nach Unterhaltung – ohne die Absicht, selbst etwas zu posten. Beispiel: Du scrollst abends durch TikTok-Memes, lachst ein bisschen, likest vielleicht nichts und kommentierst auch nicht.
- Aktuelle Themen: Man lurkt, um sich über Nachrichten, Trends oder gesellschaftliche Themen auf dem Laufenden zu halten. Beispiel: Du liest Twitter/X-Threads zu einer Wahl oder einem Skandal, willst aber nicht in die Diskussion einsteigen.
- Neugier: Man beobachtet andere aus Interesse daran, was sie tun oder wie es ihnen geht. Beispiel: Du checkst regelmäßig das Profil einer alten Schulfreundin, um zu sehen, was in ihrem Leben passiert – ohne jemals etwas zu liken oder zu schreiben.
- Angst/Unsicherheit: Man würde gerne posten oder kommentieren, traut sich aber nicht – zum Beispiel aus Angst vor negativen Reaktionen. Beispiel: Du willst in einer Facebook-Gruppe eine Meinung kundtun, aber hast Angst, dass du damit für Virtue Signalling kritisiert wirst. Also liest du stattdessen nur still mit, ob jemand anderes diese Meinung äußert.
- Meinung/Distanz: Man verfolgt Diskussionen, fühlt sich aber bewusst distanziert oder will neutral bleiben. Beispiel: Du liest hitzige Reddit-Debatten über geschlechterneutrale Sprache, möchtest aber nicht Partei ergreifen und bleibst lieber stille:r Beobachter:in.
- Wissen/Lernen: Man nutzt Social Media bewusst, um Wissen zu sammeln oder von anderen zu lernen. Beispiel: Du willst ein kleines Online-Business starten und lurkst in Startup-Subreddits, um zu verstehen, wie andere es machen.
- Politische Teilhabe/Aktivismus: Man lurkt, um Informationen für politisches oder soziales Engagement zu sammeln – bevor man aktiv wird oder um Aktionen zu verfolgen. Beispiel: Du verfolgst Instagram-Stories lokaler Aktivist:innen, um zu sehen, wann die nächste Demo stattfindet, ohne selbst etwas zu posten.
Welche Folgen Lurking haben kann
Das passive Konsumieren auf sozialen Plattformen ist nicht immer ohne Konsequenzen – sowohl in individueller als auch in sozialer Hinsicht. In der Studie von 2024 zeigte sich, dass ein Zuviel an Information oder sozialer Interaktion zu Müdigkeit („social media fatigue“) und Angst führen kann; diese emotionalen Zustände wiederum fördern das Lurking-Verhalten. Folgen können sein:
- Reduziertes Engagement: Personen, die sich müde oder überfordert fühlen, zeigen weniger Bereitschaft, sich einzubringen.
- Mögliche soziale Isolation: Wer kaum interagiert, knüpft weniger Bindungen, bekommt weniger Rückmeldung und kann sich in Gemeinschaften weniger eingebunden fühlen.
- Bewältigungsstrategie: Lurking kann aber auch als konstruktive Reaktion auf Druck oder zu viel Vergleich in den sozialen Medien verstanden werden – als Mittel, sich vor Überforderung zu schützen.
Wichtig dabei: Es ist nicht automatisch schädlich, nur zu lesen – entscheidend sind die Begleitumstände wie das Gefühl der Überforderung, negative Bewertungserfahrungen oder ähnliches.
Was man über Lurking noch nicht weiß

Trotz zunehmender Forschung bleiben zahlreiche Fragen offen. Zu den zentralen Wissenslücken gehören:
- Kausalität versus Korrelation: Es ist nicht klar, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale Lurking auslösen oder andersherum Lurking diese verstärkt. Die meisten Studien sehen sich dabei nur Korrelationen an, also aktuelle Zusammenhänge – ohne jedoch über längere Zeit hinweg zu messen, was zuerst da war und deshalb das andere beeinflusst haben könnte.
- Plattform- und kulturspezifische Unterschiede: Lurking-Muster könnten sich je nach sozialer Plattform, Nutzungsnormen oder Land unterscheiden – die Generalisierbarkeit ist noch begrenzt.
- Langfristige Konsequenzen: Was passiert, wenn jemand über Jahre vorwiegend lurkt? Wie wirkt sich das auf soziale Integration, Wohlbefinden oder berufliche Netzwerke aus?
- Positive Aspekte stärker herausarbeiten: Während häufig auf Risiken (wie soziale Isolation) hingewiesen wird, ist weniger klar, wann gezieltes Lurking vorteilhaft ist – zum Beispiel als Lern- oder Beobachtungsstrategie wie im Punkt sechs oben.
- Interventionen und Gestaltung: Welche Gestaltung von Plattformen würde Lurking verändern oder gezielt unterstützen (wenn positiv)? Welche Nutzer:innengruppe profitiert davon?
Fazit: Wenn du häufig durch Social-Media-Feeds scrollst, aber selten kommentierst oder postest, zeigst du exakt jenes Verhalten, das in der Forschung als „Lurking“ bezeichnet wird. Es ist nicht unbedingt negativ – es kann mit ganz bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen, Motivationen und situativen Faktoren einhergehen. Gleichzeitig kann es bedeuten, dass du dich vor Überforderung schützt oder bewusst beobachtest, statt dich aktiv einzubringen.
Dennoch lohnt es sich, aufmerksam zu sein: Wenn das Lurking mit Müdigkeit, Vergleichsstress oder sozialem Rückzug verbunden ist, könnte es sinnvoll sein, deine Nutzungsgewohnheiten zu reflektieren.
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