Korallen sind schön, sonst aber ziemlich langweilig, könnte man meinen. Wer so denkt, sollte unbedingt die neue Doku „Chasing Coral“ auf Netflix ansehen. Selten hat eine Doku so schonungslos vor Augen geführt, wie unser Handeln die Meere zerstört.
Dass gesunde Korallen in ihren vielfältigen Formen und Farben nicht nur zur Deko der Riffe da sind, mag sich der ein oder andere schon gedacht haben. Vielleicht konnte man sogar schon ahnen, dass sie irgendwie eine wichtige Rolle im Meeres-Ökosystem spielen.
Aber erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit beginnen Wissenschaftler und Aktivisten vor der sogenannten „Korallenbleiche“ zu warnen – und vor den verheerenden Folgen, die das für die ganze Welt haben könnte.
Der Dokumentarfilm „Chasing Coral“, den Netflix zum Streaming anbietet, erzählt auf beeindruckende Weise von den Ursachen, Ausmaßen und Folgen der Korallenbleiche.
Der Trailer:
Korallenbleiche: Die Erderwärmung tötet die Korallen
Die Korallenbleiche ist ein Schritt im Sterbeprozess der Tiere (ja, Korallen sind Tiere!): Sie stoßen die Algen, mit denen sie in Symbiose leben, ab und verlieren so ihre Farbe – sichtbar bleibt das weiße Skelett. Hauptursache sind erhöhte Wassertemperaturen und/oder starke Sonneneinstrahlung.
“Coral bleaching itself is a stress response, much like a fever in humans is a stress response. If the temperature spikes just a little bit above the normal range corals will start to bleach.”
Das erklärt Dr. Ruth Gates, Leiterin des Hawaii Institute of Marine Biology (HIMB) an der University of Hawaii im Film: Die Korallenbleiche ist eine Stressreaktion, vergleichbar mit Fieber beim Menschen. Und wenn die Temperatur auch nur ein klein wenig steigt, beginnen die Korallen an auszubleichen.
In den vergangen zwei Jahrzehnten gab es bereits zwei größere Korallenbleichen, jeweils ausgelöst vom Wetterphänomen El Niño. Die aktuell stattfindende dritte Korallenbleiche ist jedoch die längste und am weitesten verbreitete bisher.
Wissenschaftlern zufolge hat die Welt in den vergangenen 30 Jahren etwa die Hälfte aller Korallen verloren, heißt es in „Chasing Coral“, der seit wenigen Wochen auf Netflix verfügbar ist.
Was hat das mit uns zu tun?
Du dachtest, der Klimawandel trifft uns Menschen besonders schlimm? Der Anstieg der Meeresspiegel ist ein Problem für Inselbewohner, die Wetterkapriolen zerstören die Natur? Alles richtig, doch 93 Prozent der Wärme in der Erdatmosphäre nehmen die Ozeane auf. Die Temperaturen in den Meeren haben sich in den vergangenen Jahren teils drastisch erhöht.
„We look at climate change as if it is an issue in the air. And you go: one or two degrees Celsius, does that really matter? But when you talk about the ocean, it’s like your body temperature changing. And imagine your body temperature rises one degree centigrade or two degrees centigrade. Over a period of time that would be fatal. And that’s the seriousness of the issue when you look at it in terms of the ocean.”
sagt Richard Vevers, Gründer und Geschäftsführer der NGO “The Ocean Agency” im Film. (deutsch: “Wir betrachten den Klimawandel als ob er ein Problem in der Luft wäre. Und du fragst dich: ein oder zwei Grad Celsius, macht das wirklich etwas aus? Aber wenn wir über den Ozean sprechen, ist das, wie wenn sich deine Körpertemperatur ändert. Stell dir vor, deine Körpertemperatur steigt um ein oder zwei Grad Celsius. Über einen längeren Zeitraum wäre das tödlich. Und so ernst ist das Problem, wenn man es in Hinsicht auf den Ozean betrachtet.“)
Der im Wesentlichen menschengemachte Klimawandel also heizt die Meere auf und führt zum Absterben von Korallen und damit von ganzen Ökosystemen. Der Dokumentarfilm „Chasing Coral“ trägt seinen Teil dazu bei, das Problem ins Bewusstsein der Menschen zu bringen.
Warum uns das Korallensterben nicht egal sein kann
Korallen bilden Riffe und Riffe sind Lebensraum, Nahrungsquelle und Kinderstube unzähliger Fische und anderer Meereslebewesen. Wenn die Korallen sterben, verschwinden damit also komplette Lebensräume. Das bringt nicht nur die sowieso schon fragile Balance in den Ozeanen durcheinander.
Ein Großteil der Weltbevölkerung – insbesondere in den sogenannten Entwicklungsländern – ist abhängig von Fisch und anderen Meerestieren als Proteinquelle. Ein großes Fischsterben, das dem großen Korallensterben folgen könnte, hätte dramatische Auswirkungen auf die Leben von Millionen Menschen.
Und nicht nur auf ihre Ernährungssicherheit: An Riffen brechen sich die Wellen, sie beruhigen gewissermaßen das Meer, bevor es auf die Küste trifft. Sterben und verschwinden diese Riffe, verändern sich auch die Meere, sie werden unberechenbarer und für Küstenbewohnen gefährlicher.
Und: Orte wie die Malediven, Hawaii, die Ostküste Australiens oder Samoa sind als Urlaubsziele bei Tauchern beliebt – ohne Korallenriffe und ohne Fische könnte hier auch der Tourismus und damit die Lebensgrundlage vieler Menschen teilweise zusammenbrechen.
Netflix-Doku „Chasing Coral“:Tauchen und Filmen gegen den Klimawandel
In „Chasing Coral“, dem neuen Dokumentarfilm von Regisseur Jeff Orlowski versuchen Wissenschaftler, Filmmacher und Korallen-Enthusiasten das gegenwärtige weltweite Korallensterben für den Rest der Menschheit zu dokumentieren.
Der Film ist gewissermaßen der Nachfolger des ebenfalls sehr aufwändig produzierten und sehr, sehr sehenswerten Dokumentarfilms „Chasing Ice“. „Chasing Coral“ zu filmen dauerte über drei Jahre und über 500 Stunden unter Wasser; der Film zeigt Aufnahmen aus 30 Ländern.
Trotz vieler Hindernisse technischer und meteorologischer Art ist es den Kamerateams gelungen, atemberaubende Aufnahmen von intakten sowie von sterbenden und toten Korallenriffen zu machen.
Es sind vor allem die Bilder von toten Riffen, toten Korallen so weit das Auge reicht, von Unterwasserlandschaften, in denen kein Leben mehr übrig ist, die einen als Zuschauer verstören und aufrütteln.
Damit ist „Chasing Coral“ einerseits ein Zeitdokument: Die Filmcrew ist Augenzeuge eines Ereignisses, das noch weitgehend außerhalb unseres Blickfelds stattfindet und nimmt ihre wichtige Rolle sehr ernst. So wird „Chasing Coral“ andererseits auch zum Weckruf: Der Film soll ein Anstoß für jeden einzelnen Weltbürger sein, unser Handeln zu hinterfragen, alles in unserer Macht stehende zu tun, um den Klimawandel zu bremsen.
„Es ist noch nicht zu spät für die Korallenriffe und für viele andere Ökosysteme, die unter dem Klimawandel leiden. Wir können sein Tempo drosseln, bereits heute“,
sagt Ove Hoegh-Guldberg, Leiter des Global Change Institute und Professor der Meereswissenschaften an der University of Queensland.
Der Film: „Chasing Coral“, verfügbar auf Netflix. Noch ist die Doku nicht auf DVD erhältlich.
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