Hühnerfleischprodukte wie Chicken Nuggets sind beliebt – und bei den großen Supermarktketten extrem günstig zu bekommen. Den Preis dafür zahlen andere: In den Chicken Nuggets von Edeka, Rewe, Lidl und Aldi steckt offenbar Fleisch, das in Brasilien unter sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen produziert wird. Das zeigen aktuelle Recherchen der Menschenrechtsorganisation Christliche Initiative Romero (CIR).
Betroffen sollen vor allem Produkte der Eigenmarken der Supermärkte und Discounter sein – etwa die Eigenmarken von Aldi und Lidl, „Gut & Günstig“ bei Edeka und Netto sowie „ja!“ bei Rewe. Grundlage der Recherchen ist eine Studie des brasilianischen Journalistennetzwerks Repórter do Brasil, die im Rahmen der
internationalen Kampagne Supply Cha!nge entstand. („Supermärkte müssen Verantwortung für ihre Lieferketten übernehmen!“)
Für die billigen Chicken Nuggets der Supermärkte ist offenbar selbst das Geflügelfleisch aus europäischer Massentierhaltung zu teuer: Um die Preiserwartungen der Supermärkte und Discounter – bzw. deren Kunden – erfüllen zu können, kaufen die fleischverarbeitenden Betriebe (namentlich PHW Gruppe und Gebr. Stolle GmbH) noch billigere Ware aus Brasilien hinzu.
Der Preisdruck der Discounter und der Geiz der Kunden
Dabei ist das brasilianische Hühnerfleisch nur deshalb so billig, weil erstens in der Massentierhaltung sehr wenig Wert auf Tierschutz gelegt wird und weil zweitens die Arbeiter in den Fleischfabriken praktisch Sklavenarbeit leisten. Laut CIR ist in der Geflügelmast und in den Schlachtfabriken Brasiliens ein „Akkordmarathon“ von täglich bis zu 17 Stunden üblich – und das zu Löhnen, die weit unter einem existenzsichernden Einkommen liegen. Die Arbeiter, viele davon Migranten und Wanderarbeiter, werden so in Schuldknechtschaft getrieben, d.h. sie arbeiten, um Schulden abzutragen ohne die Chance, freizukommen – sind also völliger Abhängigkeit von den Arbeitgebern.
„Dieser Skandal hat System: Auf der Suche nach dem billigsten Lieferanten scheuen Supermärkte und Discounter nicht davor zurück, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzungen in der Produktion in Kauf zu nehmen“,
erklärt Sandra Dusch Silva von der CIR.
Am höchsten sei der Preisdruck bei den besonders günstigen Eigenmarken und zwar bei Supermärkten ebenso wie bei Discountern. Die Ketten können aufgrund ihrer Marktmacht enormen Druck auf die produzierenden Unternehmen ausüben, so dass diese ihre Lieferbedingungen und Preise den Forderungen der Supermärkte anpassen müssen.
Allerdings liegt die Verantwortung nicht nur beim Einzelhandel, sondern auch beim Kunden: die Nachfrage nach sehr günstigen Lebensmitteln ist hoch. Wer in Supermärkten und Discountern besonders billige Produkte kauft, trägt aktiv zu zerstörerischen und ausbeuterischen Produktionsbedingungen bei. Denn so billig produziert werden kann nur auf Kosten von Menschenrechten, Umwelt und Tierschutz. Das gilt ganz besonders bei Produkten tierischen Ursprungs. Für Fleisch, Eier, Milch und Käse gilt daher immer: Besser weniger und dafür gute (Bio-)Qualität.
Mehr Informationen im Factsheet der CIR (PDF).
Übrigens: Die Reaktionen der Supermärkte auf die Studie der CIR sind bisher sehr dürftig. Die einzige Supermarktkette, die auf Nachfrage zu den Vorwürfen Stellung bezog, ist Aldi Nord: „Wir setzen für unser Produkt „Hähnchen Chicken Chips“ der Eigenmarke „Jack’s Farm“ ausschließlich QS-zertifiziertes Geflügelfleisch aus Deutschland ein. Wir können die Vorwürfe der Christlichen Initiative Romero bezüglich des Artikels „Hähnchen Chicken Chips“ daher nicht nachvollziehen.“ Aldi Süd ist von der Studie nicht betroffen: „Bei den von der Christlichen Initiative Romero untersuchten Chicken-Nuggets handelt es sich nicht um ein Aldi Süd Produkt. Aktuell befinden sich bei uns im Verkauf ausschließlich Chicken-Nuggets, für die wir Geflügelfleisch aus deutscher, niederländischer oder polnischer Herkunft verwenden“, sagte uns eine Unternehmenssprecherin. Rewe, Edeka und Lidl ziehen es bisher vor, zu schweigen.
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