Um Duschen und Körperhygiene ranken sich viele Mythen. Ist täglich Duschen schlecht für die Haut? Bekämpfen Wechselduschen Cellulite? Lässt zu oft Waschen Haare nachfetten? Eine Dermatologin liefert Antworten.
Dr. Stefanie Derendorf ist Dermatologin an der Dermatologie am St. Anna Platz im Münchner Stadtteil Lehel. Im Gespräch mit Utopia räumt sie mit Mythen und Missverständnissen rund um Körperhygiene auf. Ihr zufolge sind die meisten Körperpflegeprodukte überflüssig – und Einseifen sollte man sich beim Duschen nur an fünf Körperstellen.
Dermatologin: Viele Menschen machen Fehler bei Körperhygiene
Utopia: Was wir glauben, über Körperhygiene zu wissen, stimmt nicht immer. Kommen viele Menschen zu Ihnen in die Praxis, die falsche Vorstellungen von Hygiene haben?
Stefanie Derendorf: Ja, das ist oft bei Patienten mit Hautproblemen der Fall. Die meisten wissen nicht, dass sie etwas falsch machen.
Utopia: Und was machen sie falsch?
Derendorf: Junge Leute betreiben oft zu viel Körperpflege, bei älteren und männlichen Patienten ist es oft eher zu wenig. Ganz oft müssen Patienten nur ihre Routine umstellen, das ist schon die halbe Therapie.
Utopia: Wie viel Pflege ist angemessen?
Derendorf: Das ist individuell.
Utopia: Und bezogen auf Duschen?
Derendorf: Hier würde ich empfehlen: Hören Sie auf Ihren Körper. Wer einen normalen Hauttyp hat, keine schwere körperliche Arbeit leistet oder Sport macht, und sich nicht mit Sonnencreme eingecremt hat, bei dem reichen zwei- bis dreimal die Woche völlig aus.
Täglich Duschen ist nicht ungesund
Utopia: Um Hygiene ranken sich viele Mythen. Zum Beispiel soll täglich Duschen schädlich für die Haut sein. Stimmt das?
Derendorf: Nein, es ist nicht ungesund. Menschen mit normaler Haut können täglich duschen. Wenn man körperlich arbeitet, wenn man schwitzt oder Schmutz am Körper hat, dann macht es Sinn, sich am selben Tag zu waschen. Doch ist das nicht der Fall, ist es eigentlich nicht nötig, täglich zu duschen. Auch verbraucht es viel Wasser.
Utopia: Und Menschen, die keinen normalen Hauttyp haben?
Derendorf: Wenn man an Hautkrankheiten leidet, ist täglich Duschen unter Umständen nicht zu empfehlen. Zum Beispiel leiden viele Menschen an zu trockener Haut. Sie haben oft rissige, rote Stellen und Juckreiz an Armen und Beinen. Für diesen Hauttyp ist es schädlich, täglich zu duschen. Denn trockener Haut fehlt unter anderem Fett, das bei häufigem Duschen weiter abgetragen wird. Das trocknet die Haut weiter aus.
Utopia: Alternativ zum Duschen kann man auch zum Waschlappen greifen und damit den Körper reinigen. Das wurde mit dem „Non Bathing“-Trend wieder populär und wird nicht nur als wassersparend, sondern auch als gesund für die Haut angepriesen. Stimmt das?
Derendorf: Sich täglich mit dem Waschlappen zu reinigen anstelle zu duschen funktioniert genauso gut. Für eine trockene Haut ist es sogar besser.
Bekämpfen Wechselduschen Cellulite?
Utopia: Noch ein Mythos, der sich hartnäckig hält: Bekämpfen Wechselduschen Cellulite?
Derendorf: Viele Patientinnen fragen mich, was man gegen Cellulite machen kann. Dabei drückt sich das Fettgewebe durch Bindegewebssepten durch, was zu Orangenhaut führt. Die effektivste Maßnahme dagegen ist Gewichtsreduktion.
Bei Wechselduschen duscht man abwechselnd kalt und warm. Das soll den Fettstoffwechsel ankurbeln und die Durchblutung anregen. Bestimmt kann das einen positiven Effekt haben, auch auf die Fettverbrennung. Aber es gibt keine Studien, die das belegen.
Nur fünf Körperregionen sollte man einseifen
Utopia: Sollte man beim Duschen immer den ganzen Körper einseifen?
Derendorf: Seife löst Schmutz und fettige Substanzen von der Haut. Das Einseifen macht Sinn an talgdrüsenreichen Zonen und Zonen, die viel Schmutz abbekommen. Das sind die Hände, die Achseln, die Füße, und Brust- und Rückenmitte. Diese sollte man regelmäßig – aber nicht täglich – mit einem hautneutralen Waschgel einseifen. Für den restlichen Körper reicht Wasser.
Utopia: Sind die meisten Duschgels hautneutral?
Derendorf: Die meisten Waschlotionen sind alkalisch. Wenn wir diese auf der Haut anwenden, lösen sie Fette heraus – das ist auch der Sinn. Aber wir lösen dabei gleichzeitig unseren Säureschutzmantel aus der Haut, der die Feuchtigkeit reguliert und vor Krankheitserregern schützt.
Utopia: Was sollte man dann benutzen?
Derendorf: Es gibt auch Waschlotionen namens Syndets, die einen ähnlichen pH-Wert wie unsere Haut haben. Sie sind für Leute mit trockener Haut besonders empfehlenswert, weil sie den Säureschutzmantel nicht angreifen. [Anmerkung der Redaktion: Allerdings fand Öko-Test 2022 bei einem Test in vielen Syndets PEG-Verbindungen und kritische Konservierungsstoffe.]
Utopia: Auf was sollte man noch besonders achten, wenn man Waschlotionen und Shampoos kauft – außer auf den pH-Wert?
Derendorf: Aus dermatologischer Sicht verzichtet man am besten auf stark schäumende Produkte. Denn den Schaum entsteht durch Tenside und diese lösen Fett aus der Haut und trocknen diese aus. Wenn möglich auch auf Duftstoffe, denn diese können Kontaktallergien hervorrufen. Bei Shampoos wird häufig zu Produkten ohne Silikone geraten, die als umweltschädlich gelten.
Für die Hautpflege braucht es nur drei Produkte
Utopia: Gefühlt gibt es für alles ein eigenes Produkt. Das beginnt bei Duschgels – zum Entspannen, Peelen, Cremen – und geht über Bodylotions, Shampoos, Conditioner, Haarmasken bis zu einer ganzen Schar Gesichtspflegeprodukten. Brauchen wir das wirklich?
Derendorf: Ich habe das Gefühl, dass die Kosmetikindustrie uns heutzutage vormacht, wir müssten wahnsinnig viele Produkte verwenden. Früher war das anders – und damals gab es auch nicht mehr oder weniger Hautprobleme. Auch Social Media trägt dazu bei. Dort werden lange und komplexe Hautpflegeroutinen empfohlen, die nicht mal für Menschen mit Hauterkrankung gedacht sind, sondern für normale Hauttypen. Jungen Menschen wird das Gefühl vermittelt, sie müssten zahlreiche Produkte nutzen, um ihre Haut zu pflegen. Das kann nicht gut sein, das ist nur Marketing.
Utopia: Welche Produkte braucht man wirklich für die Hautpflege?
Derendorf: Junge gesunde Haut braucht nur eine Waschlotion, ein Abschminkprodukt, Sonnenschutz – am besten kombiniert mit einer Tagespflege. Das wars. Bei Akne, Pigmentflecken oder für Anti-Aging kann man gegebenenfalls ein Serum oder eine Intensivpflege ergänzen.
Utopia: Reinigungsprodukte fürs Gesicht wären demnach überflüssig. Kann man das Gesicht beim Duschen einfach mitwaschen?
Derendorf: Ich würde empfehlen, das Gesicht einmal am Tag zu waschen – am besten abends, um etwaige Verschmutzungen vom Tag abzuwaschen. Dabei reicht Wasser völlig aus, außer man hat wasserfeste Kosmetik oder wasserfeste Sonnencreme aufgetragen. Bei schwerer Akne kann es sinnvoll sein, das Gesicht direkt nach dem Aufstehen zu reinigen. Aber ja, wenn man duscht, kann man das Gesicht einfach mit dem Duschwasser mitwaschen.
„Ammenmärchen“ über Haarewaschen
Utopia: Lässt zu oft Waschen Haare schneller nachfetten?
Derendorf: Das ist ein Ammenmärchen. Die Talgdrüsen am Kopf arbeiten nicht mehr oder weniger, wenn man die Haare öfter wäscht. Es gibt auch keine Studie, die das belegt. Es reicht in der Regel aber, zwei- bis dreimal die Woche Haare zu waschen. Weniger würde ich nicht empfehlen, denn dann kann der Talggehalt der Kopfhaut steigen – und das kann wirklich krank machen.
Utopia: Inwiefern?
Derendorf: Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Im Winter trägt man häufig Mützen, manche Menschen waschen sich dann seltener die Haare. Zudem blockiert die Mütze die Abgabe von Schweiß und Wärme durch die Haut. Auf der fettigen Kopfhaut können sich dann bestimmte Pilze vermehren. Das führt zu Juckreiz und Schuppung – und muss medizinisch behandelt werden. Übrigens können neben Mützen auch Fahrrad- und Motorradhelme denselben Effekt haben.
Utopia: Kann man ganz auf Shampoo oder Duschgel verzichten, also sich nur mit Wasser duschen?
Derendorf: Es ist eine Frage der Dosis. Ich glaube, wir können uns viel häufiger nur mit Wasser waschen, als wir denken. Aber ganz darauf zu verzichten, würde ich nicht empfehlen – allein aus Duft-Gründen.
Hinweis: Dieser Artikel wurde 2023 erstveröffentlicht.
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