Kabarettist Dieter Nuhr hat sich erneut seiner Lieblingszielscheibe Greta Thunberg gewidmet. Diesmal auf zwei Kanälen: In einem Interview sprach er von „lächerlichem Personenkult“, bei seiner Liveshow „Kein Scherz!“ verscherzte er es sich mit den Zuschauern – und bei seinem jüngsten Auftritt in Kiel provozierte er weiter.
Anscheinend wird es langsam sogar seinen eigenen Fans zu viel: Dieter Nuhr hatte im Oktober mehrmals scharf gegen Greta Thunberg und Fridays for Future geschossen. Während der Comedian damit viele Menschen irritierte, hielt sein Stammpublikum zu ihm. Doch bei einem Auftritt mit seinem aktuellen Bühnenprogramm war das offenbar anders.
Am Samstag, den 16. November, spielte Nuhr mit seiner Live-Show „Kein Scherz!“ vor 3.500 Menschen in der Erfurter Messehalle. Wie das Portal „In Südthüringen“ berichtet, sicherte er sich zunächst tobenden Applaus mit seinen Bemerkungen zur Thüringer Landtagswahl: Wenn knapp ein Viertel der Wähler für die AfD gestimmt hätten, so „solle man nicht vergessen, dass Dreiviertel sie nicht gewählt haben“.
Nuhr sprach von der Gefahr durch Gretas „Radikalität“
Dann wurde es allerdings frostig, als der Kabarettist wieder einmal gegen Greta Thunberg austeilte: Zwar sprach er der „Fridays for Future“-Bewegung seine Unterstützung aus, plädierte aber dafür, dass „reale Lösungen für den Klimawandel“ gefunden werden sollten.
Denn Gretas „Radikalität“ würde mehr Menschen in Gefahr bringen als sie retten kann, gibt „In Südthüringen“ Nuhrs Aussage in der Show wieder – und schildert auch die Reaktion der Zuschauer: „Ein Buh-Ruf aus dem Publikum ertönt, Stille breitet sich in der Messehalle aus.“
„Fridays for Future“ steht auf der Seite der Forschung
Dem Bericht zufolge sei der Kabarettist daraufhin ernst geworden (man könnte es auch trotzig nennen): Wenn ihm jemand vorrechnen könne, „was mehr Not und Elend verursacht, das Abschaffen des Klimawandels durch Forschung und Innovationen oder die radikalen Lösungen einiger Fanatiker, möchte er bitte auf die Bühne kommen und dies erklären.“
Dieser Aufforderung ist im Saal wohl niemand nachkommen. Ansonsten hätte die Person Nuhr an dieser Stelle erklären können, dass Greta Thunberg und „Fridays für Future“ keine Fanatiker sind, die radikale Lösungen fordern – sondern im Gegenteil auf der Seite der Forschung stehen. Und dass sie lediglich fordern, die Politik soll auf die Wissenschaft hören und entsprechend handeln, um den Klimawandel zu stoppen (hier noch einmal die Forderungen zum Nachlesen).
Nuhr: „Die Welt will gar nicht von uns gerettet werden“
Zwei Tage nach dem Auftritt in Erfurt erschien im „Tagesspiegel“ ein Interview mit Nuhr. Anlass war hier vor allem seine Nebenaktivität als konzeptueller Fotokünstler (aktuell zeigt er eine Ausstellung in China). Das Gespräch gab ihm aber auch erneut Gelegenheit, seine Ansichten zu Greta zu äußern – und zum Engagement Einzelner, von dem Nuhr offenkundig wenig hält.
Seine Reisen hätten diesbezüglich seinen Horizont erweitert: „In Deutschland glaubt man immer noch, dass jeder Einzelne die Welt retten muss. Aber die Welt will gar nicht von uns gerettet werden. Kein Mensch in China ruft: „Oh, diese Probleme, was helfen uns endlich die Deutschen?!‘“, so Nuhr. Er habe auf Reisen gelernt, wie vermessen diese „Weltretterattitüde“ sei. Auf die Frage, wann die letzten Scherze über Greta Thunberg gemacht seien, antwortete der Comedian: „wenn der lächerliche Personenkult abebbt.“
Auftritt in Kiel: Analogie zu Hitler und Stalin?
Auch nach seinem Auftritt am Samstag, den 23. November, in Kiel gab es wieder Empörung über Nuhrs Aussagen zu Greta. Derzeit macht dazu die Überschrift „Comedian Dieter Nuhr vergleicht Greta Thunberg mit Hitler und Stalin“ des Redaktionsnetzwerks Deutschland die Runde. Das Problem ist nur: Die Anschuldigung stützt sich auf einen Artikel in der Lokalzeitung „Kieler Nachrichten„, der hinter einer Paywall verborgen liegt. Die betreffende Textstelle gibt kein wörtliches Zitat von Nuhr wieder. Sie lautet: „Doch er dreht die Schraube noch weiter und provoziert mit einer Analogie, die Gretas Radikalität sinngemäß mit den Folgen der Ideologie „Hitlers oder Stalins“ in Verbindung bringt; heftig und eines eigentlich klugen Kopfes unwürdig.“
Was genau der Comedian während seiner Liveshow gesagt hat, ist der Quelle also nicht direkt zu entnehmen – und die meisten Menschen, die sich aktuell bei Twitter darüber aufregen, hatten vermutlich keinen Zugriff auf den zugrundeliegenden Artikel. Was Nuhr indes laut den „Kieler Nachrichten“ gesagt hat, war – wieder einmal – dass Gretas „Fundamentalismus“ mehr Leid verursache als Forschung und Innovation, um den Klimawandel zu bekämpfen. In diesem Zusammenhang soll er geäußert haben: „Aber was sind schon Menschenleben, wenn es um die große Sache geht.“
Nuhr habe außerdem nicht den Menschen Greta angreifen wollen, so der Bericht, sondern die Institution und die Hysterie ihrer Anhänger. Wie er schon in der Vergangenheit und nun auch wieder in seiner Show erklärt hatte, sieht Nuhr eine Gefahr: dass aus den Forderungen von „Fridays for Future“ die globale Wirtschaft zusammenbricht, was wiederum viele Opfer fordern würde. Das war also kein neuer Gedanke – wie genau bei all dem der Vergleich zu den Diktatoren zum Einsatz kam, ist mit den Informationen der Lokalpresse leider nicht zu klären. Möglicherweise war die Überschrift jedoch zu plakativ gewählt.
Nuhr bezieht in Facebook-Posts Stellung
Auch die „Berliner Morgenpost“ titelte „Dieter Nuhr: Gretas Methoden erinnern an Hitlers Prinzip“, wobei sie sich ausschließlich auf die unklare Aussage der Kieler Nachrichten bezog. Zu diesem Artikel – obwohl nicht der erste seiner Art – hat Nuhr inzwischen in einem Facebook-Post-Stellung bezogen: „Die Berliner Morgenpost schreibt, ich würde sagen, ‚Gretas Methoden erinnern an Hitlers Prinzip‘. Ich habe dies weder wörtlich noch sinngemäß geäußert. Weiter schreibt die Berliner Morgenpost: ‚Ist Gretas System zur Vermeidung der Klimakrise mit Meinungs-Fundamentalismus von Hitler vergleichbar? Dieter Nuhr glaubt das offenbar.'“ Kein Journalist der Morgenpost sei jedoch in seinem Programm gewesen, so der Comedian. „Ich habe keine Äußerungen in dieser Art getätigt.“ Allerdings hat Nuhr an dieser Stelle nicht darüber aufgeklärt, wie der Wortlaut seiner Aussage tatsächlich war.
Hier kannst du den Beitrag bei Facebook sehen (eventuell musst du zuerst die Ansicht aktivieren):
Kurze Zeit später ließ Nuhr noch zwei weitere Posts folgen. Darin kritisierte er die Kieler Nachrichten scharf – sowie alle Zeitungen, die deren „gezielte Falschinformationen“ weiterverbreitet hätten. Er erklärte: „Ich habe Greta nicht mit der Ideologie Hitlers oder Stalins in Verbindung gebracht. Dies wäre völlig irrsinnig.“
Hier kannst du den Beitrag bei Facebook sehen:
Nuhr sieht sich selbst als „absolut kritikfähig“
Nach eigener Aussage wäre Nuhr eigentlich willens, Perspektiven und Positionen zu bestimmten Themen auch zu korrigieren. Auf eine entsprechende Frage im Tagesspiegel-Interview sagte er: „Meine Haltung zur Welt verändert sich ständig. Ich versuche zu lernen. Viele Leute glauben, alles zu wissen, ich nicht. Ich vertrete einen Standpunkt, und wenn er sich als falsch erweist, korrigiere ich ihn.“
An anderer Stelle behauptet Nuhr: „Ich bin absolut kritikfähig und jedem Argument gegenüber offen.“ Wir empfehlen daher noch einmal zur Lektüre unseren Artikel, in dem wir uns differenziert mit dem Inhalt seiner Aussagen auseinandergesetzt haben: Dieter Nuhr vs. Greta – 3. Akt: „Das muss ja mal jemand sagen dürfen“
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