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Ja, er darf das – doch Dieter Nuhr macht es sich mit Greta-Spott zu einfach

Dieter Nuhr Greta Kritik
Foto: Screenshot YouTube / Comedy & Satire im Ersten

Der Comedian Dieter Nuhr hat sich in seiner ARD-Sendung über Greta Thunberg lustig gemacht. Die Reaktionen dazu reichen von Jubel bis zum Shitstrom. Utopia meint dazu: Gute Satire attackiert die Mächtigen – und die Klimabewegung ist das falsche Ziel.

Nein, Dieter Nuhr möchte nicht in Panik geraten. Der Klimawandel ist für ihn offenbar kein Grund, sich mit der globalen Protestbewegung zu solidarisieren – sondern in erster Linie ein Thema, mit dem sich Lacher des Publikums ernten lassen. Dem Komiker gelang das in seiner ARD-Show vom 26. September mit Witzen wie diesen:

„Ich bin gespannt, was Greta macht, wenn es kalt wird. Heizen kann es ja wohl nicht sein“. (Jubel und Applaus). „Ich werde, weil meine Tochter zu den Freitagsdemos geht, im Kinderzimmer nicht mehr heizen.“ (Lachen) „Wenn unsere Kinder meinen, wir können diese Welt mit ein bisschen Sonne und Wind antreiben, dann sollten wir Eltern ihnen ein Hamsterrad mit Dynamo ins Kinderzimmer stellen. Da können sie dann ihre Handys aufladen.“

Hier kannst du die ganze Sendung bei YouTube ansehen:

„Endlich-traut-sich-mal-jemand“-Begeisterung und Shitstorm

Im Nachhinein sorgten Nuhrs Worte über Greta Thunberg und Fridays for Future für geteilte Reaktionen: Auf seiner Facebook-Seite überwiegt klar die „Endlich-traut-sich-mal-jemand“-Begeisterung. „Danke für den Mut, Satire mit Greta und Fridays für Future zu machen. Sehr nötig!“, lautet ein Kommentar. „Tolle Sendung …alles auf den Punkt gebracht….klare und wahre Worte….freu mich auf die nächste Sendung“, ein anderer.

Auf Twitter ist wiederum ein regelrechter Shitstorm entstanden – hier eine Auswahl weiterer Tweets, bei denen sich die Verfasser über die Sendung aufregten und sie alles andere als lustig fanden:

Darf Satire das? Selbstverständlich! Aber sie könnte es wesentlich besser machen

Angestoßen wurde die Kritik auch von Michael Flammer, einem Parents-for-Future-Aktivisten, der twitterte : „Wie geschmacklos ist das denn bitte, Herr @dieternuhr? Es tut mir fast körperlich weh, dass ich mit meinen Gebühren Ihre Show mitfinanzieren muss. So viel Stimmung, wie Sie gegen #FridaysForFuture machen, ist aus meiner Sicht keine Satire mehr. Das ist reine Meinung.“

Der Einwurf, Nuhrs Worte seien keine Satire, zielt aber am eigentlichen Problem vorbei. Darf Satire das? Selbstverständlich. Aber sie könnte es wesentlich besser machen – nämlich, indem sie sich gegen die Mächtigen richtet. Denn wie ein anderer Twitter-User treffend schreibt: „Ich mag ja etwas altmodisch sein, da ich mich immer noch an einem Klassiker (J. Swift) orientiere, aber soll Satire nicht die Starken attackieren, um die Schwachen zu verteidigen? Kinder mit ihren Überlebensinteressen zu ersteren zu zählen, scheint mir da etwas unorthodox.“

„Daran ist nichts mutig, daran ist nichts originell“

Tatsächlich macht sich Dieter Nuhr nicht nur über Greta und ihre Mitstreiter lustig, sondern auch über die Politik, denn er sagt: „Das Klimapaket der Bundesregierung wird es nicht bringen. Es bringt exakt, glaub ich, nix. Das Klimapaket ist so eine Art Globuli, wo man hofft, die Erde glaubt, dass es wirkt. Ich glaube, wenn wir die 54 Milliarden, die das Paket kostet, in die Forschung gesteckt hätten, das wäre was gewesen.“ Auch wenn Nuhr damit in beide Richtungen schießt, stimmt das Mischverhältnis nicht: Seine Hauptzielscheibe bleiben eindeutig Greta und die Kinder und Jugendlichen, die sich für den Klimaschutz einsetzen.

Was Nuhr damit tut, ist, sich bei genau denjenigen anzubiedern, die eigentlich mobilisiert werden sollten: Menschen, die sich von Greta bedroht fühlen, fühlen sich „verstanden und abgeholt“, können es sich bequem machen und nett darüber lachen. Eltern mit pubertierenden Kindern bekommen vermittelt, sie müssten bloß die aufmüpfigen Gören wegbügeln, statt etwas an ihrem eigenen Lebensstil zu ändern. Das kritische Online-Magazin „Volksverpetzer“ schreibt dazu: „Die Früchte hängen niedrig: (…) Das ist einfach nur eine bequeme, gefahrlose Fortsetzung der gesellschaftlichen Machtverhältnisse. Daran ist nichts mutig, daran ist nichts originell, daran ist eigentlich auch nichts Kabarett.“

Greta Thunberg
Greta Thunberg würde Dieter Nuhrs Witze vermutlich gelassen nehmen. (Foto: © Utopia / Vipasana Roy)

Der Komiker selbst zieht sich aus der Affäre

Hinzu kommt: Um über Greta und die Fridays-for-Future-Bewegung zu witzeln, sucht sich der Komiker Ansatzpunkte, die wenig damit zu tun haben, wofür sie einstehen. Es geht nicht darum, grundsätzlich das Heizen zu verbieten – sondern darum, kohlenstoffreie Energielösungen voranzutreiben. Nuhr unterstellt den Jugendlichen, sie würden nichts von Wirtschaft verstehen und nicht anerkennen, dass „Mobilität Grundbedingung für die Versorgung der Bevölkerung sei“. Dass der eigentliche Punkt wäre, weniger zu fliegen und für den Weg zur Arbeit nicht jeden Tag in den SUV zu steigen – geschenkt.

Nuhr macht nicht nur aus der Klimaschutzbewegung ein Klischee, er zieht sich auch selbst aus der Affäre. Denn er betont, dass er als Tourneekünstler viel unterwegs ist, auch im Flugzeug und im Auto, und bemerkt höhnisch: „Sicher, ich könnte meine Tournee auch, wie Greta, mit dem Segelschiff machen, von Ulm nach Rostock. Das geht!“ Um die Klimakrise zu lösen, sollten nach seiner Aussage „die Ingenieure und Techniker mal anfangen zu arbeiten. Weil ohne CO2 aus der Luft ziehen und Geo-Engineering wird das nix werden.“ Dass es aber auch ohne wirksame Klimaschutzpolitik und bewusstes Konsum- und Alltagsverhalten „nix werden“ wird und er es sich damit ein bisschen zu einfach macht – geschenkt.

Greta selbst würde die Sendung mit Sicherheit gelassen nehmen: In der Vergangenheit hat sie sich immer wieder souverän gegen Angriffe zur Wehr gesetzt. Ein Twitter-User schreibt: „Am witzigsten finde ich, mir vorzustellen, wie Greta Thunberg von der ganzen Geschichte hört und fragt: „Dieter who?““

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