Obwohl auf dem Kontinent verheerende Buschbrände lodern, sendet RTL ab Freitag wieder die Unterhaltungsshow „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ aus dem australischen Dschungel. Das sorgt für Empörung in den sozialen Netzwerken. Moderatorin Sonja Zietlow verteidigt die Entscheidung.
The show must go on: Während die Situation in Australien unverändert dramatisch ist und Menschen, Tiere und die Natur unter den immensen Buschfeuern leiden, hält der TV-Sender RTL an seinem Programmplan fest: Ab dem 10. Januar wird – wie jedes Jahr– das Trash-Format „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ ausgestrahlt.
Dass Z-Prominente im australischen Dschungel geschmacklose Aufgaben bewältigen sollen, während mehrere Teile Australiens in Flammen stehen, hat für einen Shitstorm in den sozialen Medien gesorgt. Viele Menschen halten das Vorgehen für zynisch und empathielos, und kritisieren den Sender scharf.
Dschungelcamp-Moderatorin Sonja Zietlow sieht das anders: „Unsere australischen Kollegen sind mehr als dankbar, ihren Job bei IBES [Ich bin ein Star, holt mich hier raus“, Anmerkung der Redaktion] nicht (auch noch) zu verlieren“, schrieb sie in einem Facebook-Post. Die Arbeit an der Sendung sichere ihnen nicht nur im Januar ein Einkommen. „Also kann ich nur sagen: wer wirklich helfen möchte, der kann spenden … oder noch besser Urlaub in einer nicht oder nicht mehr gefährdeten Region zu machen und somit Geld hier zu lassen.“
Heute Fotos von verbrannten Koalabären, morgen wieder Dschungelcamp
In den sozialen Netzwerken war die Kritik groß: Auf Twitter heißt es etwa „Heute verbrannte Koalabärfotos posten und morgen wieder bei Dschungelcamp mitfiebern.“ Vom Bundestagsabgeordneten Niema Movassat (Die Linke) kommt das Statement: „#Australien brennt, Menschen sind gestorben, eine halbe Milliarde Tiere sind tot, eine Fläche größer als Belgien steht in Flammen. Und #RTL hat nix besseres zu tun, als bald das #Dschungelcamp aus Australien zu senden. Richtig geschmacklos.“ Ein anderer User schreibt, er wünsche dem Sender „von ganzem Herzen, dass die Quote völlig einbricht und in einen nicht mehr meßbaren Bereich fällt.“
Ein weiterer Kommentar lautet: „Touristen wurden aufgefordert Australien zu verlassen. Niemand wartet auf ein ‚lustiges‘ Dschungelcamp, wenn gleichzeitig in allen Medien über die gewaltigen Zerstörungen in Australien berichtet wird, das blendet auch niemand aus, der nur ein wenig Empathie besitzt.“
Hier eine Auswahl der kritischen Tweets (evtl. musst du zuerst die Ansicht aktivieren):
RTLs halbherzige Konsequenz: kein Lagerfeuer mehr im Camp
RTL selbst zieht zwar Konsequenzen angesichts der Buschbrände, allerdings äußerst halbherzige: Laut einer Pressemitteilung gibt es kein Lagerfeuer mehr im Dschungelcamp, sondern nur noch eine Gaskochstelle, um offenes Feuer zu vermeiden. Dazu wurden die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. „Dr. Bob“, der die Dschungelprüfungen begleitet, bange derzeit um sein Haus, sei aber dennoch froh, seinen Job machen zu dürfen.
Die nächstgelegenen Brände sind etwa 200 Kilometer vom Drehort entfernt. Dass das Team und die Kandidat*innen durch die Feuer direkt gefährdet werden, ist also unwahrscheinlich. Doch die meisten Kommentatoren sind ohnehin nicht in Sorge um die Teilnehmer*innen, sondern verärgert über die Pietätlosigkeit – die „business as usual“-Einstellung, die der Sender vermittelt, indem er an der Show festhält, obwohl zeitgleich eine Feuertragödie passiert.
Heuchelei und Doppelmoral: Auch für einen Kandidaten gibt es Kritik
Nicht nur für RTL gibt es harte Worte, auch für den Ex-GZSZ-Schauspieler und Dschungelcamp-Kandidaten Raúl Richter: Dieser hatte in einem Instagram-Post seine Follower aufgefordert, für die Arbeit der Helfer in Australien zu spenden – und verkündet: „Ich will meine aktuell gute Reichweite dazu nutzen, um euch für das Thema Klimawandel zu sensibilisieren.“ Es sei „tatsächlich paradox, dass wir für eine Unterhaltungsshow in ein Land fliegen, in dem gerade Menschen um ihr Leben kämpfen und viele viele Tiere diesen Kampf bereits verloren haben“.
Hier kannst du dem Beitrag bei Instagram sehen (evtl. musst du zuerst die Ansicht aktivieren):
Etliche Fans warfen Richter daraufhin Heuchelei und Doppelmoral vor. Sie hätten sich gewünscht, dass der Schauspieler seine Gage spendet oder gleich auf die Teilnahme am Dschungelcamp verzichtet.
Eine geschmacklose Show wird noch makaberer
Utopia meint: RTL zieht „Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!“ trotz der verheerenden Brände durch – Sonja Zietlow begründet das damit, die Arbeitsplätze der australischen Mitarbeiter nicht gefährden zu wollen. Ihr Argument ist zwar nachvollziehbar, aber ist das wirklich der ausschlaggebende Grund? Immerhin ist das Dschungelcamp eine wahre Geldmaschine für den Sender, die Show so kurzfristig abzusagen, wäre ein großer finanzieller Verlust.
Deswegen wird die Sendung wie geplant stattfinden. Die Camp-Insassen werden sich Ekel-Prüfungen unterziehen, während ein paar hundert Kilometer weiter Menschen und Tiere vor dem Feuer fliehen. Kein Wunder, dass selbst Fans des Formats die Lust an der Sendung vergeht.
Die TV-Show ist nicht nur eine feste Größe des niveaubefreiten „Unterhaltungsfernsehens“, die dazu dient, dass sich Zuschauer*innen am Leid der sogenannten Prominenten zu ergötzen. Sie setzt auch lebende Tiere von Insekten bis zum Krokodil als Kulissen ein und zwingt Kandidat*innen, lebende Tiere – oder besonders „eklige“ Teile von toten Tieren – zu essen. Wenn man bedenkt, dass aktuell hunderte Millionen Tiere in den Flammen sterben, bekommt dieser achtlose Umgang mit Lebewesen einen noch unangenehmeren Beigeschmack.
Das Mindeste: Der Sender sollte die Popularität nutzen
Einige Menschen rufen nun zu einem Boykott der Sendung auf. (Ein Twitter-User kommentiert trocken: „Ich bin ehrlich gesagt etwas entsetzt, wie viele Leute in meiner TL das #Dschungelcamp nun boykottieren, weil das ja bedeutet, dass sie es vorher geschaut haben…“ )
Doch es gibt sinnvollere Forderungen als die nach Boykott – der wohl einen geringen tatsächlichen Nutzen hätte. RTL wird die Sendung ausstrahlen. Das Mindeste, was man jetzt einfordern kann: Der Sender sollte die Popularität des Formats in jeder möglichen Weise nutzen, um auf die Brände aufmerksam zu machen.
Also: Gewinne aus der Show für die Opfer des Feuers und die Arbeit der Helfer spenden, Spenden-Hotlines dauerhaft einblenden, das Thema immer wieder ansprechen. Das wäre zwar in Sachen Doppelmoral vergleichbar mit dem Instagram-Aufruf von Raúl Richter. Doch wenn dadurch Gelder an die richtigen Stellen fließen, würde es zumindest etwas Positives bewirken – wahrscheinlich zum ersten Mal in der Geschichte der Sendung.
Lies hier, was du selbst tun kannst, um beim Kampf gegen die Feuer in Australien zu helfen: Australien brennt: 5 Dinge, die du jetzt tun kannst
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