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Elektro-Scooter im Praxistest: Vor- und Nachteile im Überblick

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Foto: Utopia

Bald sollen Elektro-Scooter in Deutschland zugelassen werden – die wendigen Roller mit Elektromotor sind jedoch umstritten. Wir haben uns ein Modell genauer angesehen. 

In Großstädten wie Paris und Lissabon flitzen seit Monaten Elektro-Scooter über die Straßen. Der Vorteil: Als Passant-Roller-Hybrid fällt es besonders leicht, sich zwischen wartenden Fußgängern, gemütlichen Radfahrern und im Stau stehenden Autos hindurch zu schlängeln. Mit ein paar gekonnten Tritten düst man vorbei – die Hauptarbeit übernimmt ein Motor. In welchen Straßenabschnitt die Elektro-Scooter eigentlich hingehören, weiß niemand so genau.

Elektro-Scooter: Wie ein Roller – nur mehr High-Tech

Als eine Einladung für eine Testfahrt auf Elektro-Rollern in meinem Posteingang landet, beschließe ich, mir selbst ein Bild zu machen. Einige Tage später betrete ich den Pop-Up-Store im Münchener Stadtviertel Schwabing.

Auf den ersten Blick sehen die Elektro-Roller, die in Reihen schon auf ihre Fahrer warten, nicht sonderlich High-Tech aus – sondern eben wie die City-Scooter, mit denen Kinder oft zur Schule fahren. Rundum sind kleine Reflektoren angebracht, vorne eine kleine Lampe installiert. Und noch ein Unterschied: Am Griff befinden sich zwei Schalter: einer rot, einer grün. Der Sinn dahinter versteht sich von selbst: Gas und Bremse.

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Elektro-Scooter: Von Sharing Economy und Micro-Mobility

Der CEO des Unternehmens erklärt: Beim E-Kick-Roller drehe sich alles um die „Micro-Mobility“. Zu Deutsch: Man legt auf ihm kurze Strecken zurück, etwa den Weg von zu Hause zur U-Bahn. Auf lange Strecken ist er nicht ausgelegt – sondern „für die erste und letzte Meile auf dem Weg zur Arbeit“.

Das Unternehmen setzt auf das Sharing-Prinzip:  Es verkauft die Roller nicht, sondern will sie in der Innenstadt verleihen. Zumindest ist das der Plan, sobald die E-Roller in Deutschland zugelassen werden. (Über die Zulassung wird der Bundesrat voraussichtlich am 17. Mai abstimmen.) So braucht nicht jeder ein eigenes Gefährt – das spart Ressourcen.

Der Preis ist happig: Ein Euro, um den Roller per App zu entsichern. Danach pro Minute 15 Cent. Mit in die U-Bahn nehmen, lässt sich das Gerät also auch nicht; das wäre herausgeworfenes Geld. Am Ziel angelangt, kann man den Roller einfach abstellen – Mitarbeiter sammeln die Geräte auf und bringen sie in die Filiale zurück, wo sie – mit Ökostrom – wieder aufgeladen werden. Die enthaltenen Lithium-Akkus sind zwar nicht umweltfreundlich, aber werden zumindest „nach EU-Standards entsorgt“.

Praxis-Test: 11 km/h fühlen plötzlich doppelt so schnell an

Dann endlich werden wir mit Helmen ausgestattet und samt Roller auf einen Platz nach draußen geführt. Ich bin etwas nervös und irgendwie nostalgisch – das letzte Mal bin ich während der Grundschule mit einem Roller gefahren.

Das Fahrprinzip ist beinahe selbsterklärend: Mit dem Fuß zweimal anschieben, dann elektrisch beschleunigen – schon geht die Post ab. Und zwar ganz schön zackig: Dank dem Tacho im Lenker merke ich, dass ich in null-komma-nix mit 11 km/h den Platz entlang düse.

Was sich hinter einer Windschutzscheibe nach Schrittgeschwindigkeit anfühlt, kommt mir auf nur zwei Rädern mindestens doppelt so schnell vor. Cooles Gefühl. Laut den Betreibern würde der Roller sogar 20 Sachen schaffen.

Langsam wird es voller auf dem Platz – das macht das Fahren komplizierter. Ich schlängle mich zwischen Fußgängern und anderen eifrigen Testern hindurch. Auf grader Strecke kein Problem – Kurven sind schon komplizierter. Obwohl ich versuche, langsam zu fahren, kann ich nur sehr weiträumig abbiegen. Zum Glück fahren die anderen genauso vorsichtig: Es gibt nur ein paar Beinah-Zusammenstöße.

Sonst funktioniert alles wie bei einem normalen Scooter: Ich kann auch mit meinem freien Bein auf das Hinterrad drücken und so langsam bremsen oder die Geschwindigkeit drosseln. Dann versuche ich die elektrische Bremse am Lenker – und falle fast vornüber. Von wegen „Soft Brake“ – sehr sensibel!

Mein Fazit: Nicht jeder „Elektro“-Hype ist gut

Eine Fahrt auf dem Elektro-Scooter macht Spaß – so viel steht fest. Wirklich sicher habe ich mich – trotz Helm – aber nicht gefühlt. Beschleunigung und Bremse haben für meinen Geschmack zu viel Kick. Etwas Schotter auf der Straße bringt den Roller außerdem ganz schön zum Wackeln. Auch frage ich mich, wie gut sind die Scooter wohl nachts zu sehen sind: Die kleine Lampe scheint nur vorne, die Reflektoren befinden sich wenige Zentimeter über dem Boden.

Dass die Roller anfällig für Unfälle sind, suggerieren auch Zahlen aus Frankreich. Dort dürfen die Roller schon seit mehreren Jahren fahren. Im Jahr 2017 wurden landesweit 284 Menschen bei Unfällen mit Elektro-Scooter und Elektro-Motorrollern verletzt und fünf getötet. Für die Unfälle von Elektro-Rollern allein gibt es keine verfügbaren Zahlen.

Und auch wenn unser Verkehrsminister die Roller als Beitrag zur Klimarettung wertet: Der Sinn dahinter wird mir nach wie vor nicht ganz klar. Laut Scheuer sollen die Geräte „eine echte zusätzliche Alternative zum Auto, ideal etwa für die letzte Meile von der U-, S-Bahn oder Bushaltestelle nach Hause oder zur Arbeit“ sein. Ich kann mich aber nicht erinnern, wann ich das letzte Mal mit dem Auto zur U-Bahn gefahren wäre. Und selbst wenn: Tut es für kleine Strecken nicht auch das analoge Modell? Das kann man zumindest auch in die U-Bahn mitnehmen – ohne für jede Minute drauf zu zahlen.

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