Vernünftige Löhne und Arbeitsbedingungen sind in der Textilproduktion nach wie vor die Ausnahme. Die Modekette H&M aber hat versprochen, die Arbeiter ab 2018 fair zu bezahlen. Eine neue Studie zeigt, dass die Wirklichkeit noch ganz anders aussieht.
Umso bekannter die Zustände in den asiatischen Textilfabriken werden, desto mehr Modefirmen behaupten, sich für faire und giftfreie Produktionsbedingungen einzusetzen – so auch H&M. Doch für die Käufer ist meist nicht nachprüfbar, was dahinter steckt: echtes Engagement oder bloße Lippenbekenntnisse? Eine neue Studie hat sich nun angesehen, wie die Realität in den Produktionsstätten aussieht: Kann Mode gleichzeitig billig und ethisch hergestellt sein?
Kaufen wir H&M sein Engagement ab?
„Do we buy it?“ heißt die Studie, welche die britische Länderorganisation der internationalen Clean Clothes Campaign, Labour behind the Label, nun veröffentlicht hat. „Do we buy it?“ ist doppeldeutig: Man kann es mit „Kaufen wir es?“, aber auch mit „Kaufen wir es (ihnen) ab?“ übersetzen. Genau das wollten die Gesandten vor Ort wissen: Können wir den Unternehmen ihr Engagement, für das sie öffentlich gelobt werden, wirklich abkaufen?
Der Report hat sich speziell zwei Unternehmen angesehen, die in den vergangenen Jahren faire Löhne für die Arbeiter in ihren Zulieferfirmen versprochen haben: Die britische Einzelhandelskette Marks & Spencer und die schwedische Modekette H&M.
H&M hatte sich im November 2013 das Ziel gesetzt, ein System zu etablieren, das sicherstellen soll, dass den Arbeitern bis 2018 „faire Löhne“ gezahlt werden können:
“Our vision is that all suppliers making our products should pay their workers a fair living wage, covering a family’s basic needs… Our goal is for H&M’s strategic suppliers to have pay structures in place to pay a fair living wage by 2018.”
Die Löhne reichen nicht für ein Leben in Würde
Was die Prüfer bei den H&M-Zulieferfabriken in Kambodscha vorfanden, spricht bisher nicht unbedingt dafür, dass H&M sein Versprechen einlösen kann: Dort sind demnach zwar die Löhne gestiegen, aber nicht genug, um zum Leben zu reichen. Zudem berichteten Arbeiter, dass befristete Verträge ihre Rechte auf Urlaub und Boni einschränken.
Die Arbeiter kamen laut Studie auf einen durchschnittlichen Nettolohn von 187,97 US-Dollar (knapp 170 Euro) im Monat, schätzten aber, dass sie eigentlich 230 US-Dollar (circa 207 Euro) im Monat bräuchten, um würdevoll leben zu können. Der existenzsichernde Lohn, den diverse Arbeiterorganisationen in Asien für Kambodscha ausgerechnet haben („Asia Floor Wage“), liegt bei 399 US-Dollar oder ca. 360 Euro.
Den Recherchen zufolge werden in den Fabriken in Kambodscha oft „nur“ Mindestlöhne gezahlt, erst bezahlte Überstunden, Sonntags- und Feiertagsarbeit und Boni ergäben den endgültigen Lohn – was dazu führt, dass Arbeiter sehr viele Überstunden machen und kaum freie Tage haben.
Ein anderes Modell: „In einigen Fabriken sind Stücklöhne eingeführt worden, die dazu führen, dass Arbeiter Pausen auslassen und sie erschöpft und anfällig für Krankheiten machen“, heißt es im Report.
Der Report zitiert eine Arbeiterin aus Kamboscha:
„We often get sick, around once a month… We don’t eat enough and work too much trying to maximize the piece rate. Also we don’t stop to go to the bathroom. We often work through lunch breaks or go back into work early, so there is hardly any time to rest. When we are sick we have to go to the private hospital but we don’t often stay overnight because it’s too expensive.“
Labour behind the Label erkennt zwar an, dass in einigen Fabriken die Löhne gestiegen sind, gibt angesichts der aktuellen Umstände aber zu bedenken, dass dieses Ansteigen der Löhne nicht unter der Bedingung stattfinden darf, dass die Arbeiter nun doppelt so hart dafür arbeiten müssen.
Zudem kritisiert die Organisation, dass H&M keine klare Definition von „fair living wage“ (existenzsichernder Lohn) liefert, so dass sich weder der Fortschritt sinnvoll messen lässt noch klar ist, wann der Konzern sein Ziel selbst für erreicht hält. Es reiche nicht aus, dass Unternehmen Versprechungen bezüglich der Einhaltung von Menschenrechten machten, solange sie keine messbaren Daten liefern, „die es ermöglichen, dass diese Behauptungen unabhängig überprüft werden und Arbeiter und Verbraucher diese Versprechen einfordern.“
Urteil: „Fail“
Sowohl bei Marks&Spencer als auch bei H&M, so das Fazit der Studie, „ist das Ausmaß der Kommunikation in den Verkaufsländern verglichen mit mit den Auswirkung oder dem Umfang der ethischen Initiativen, auf die sie sich bezieht, unserer Meinung nach schockierend unproportional.“ Mit anderen Worten: H&M lässt sich feiern für Maßnahmen, von denen bisher niemand wirklich profitiert.
Das Urteil der NGO ist hart: „Fail“ – Versagen. „So far“ schreibt sie allerdings in Klammern: Bis jetzt. Denn während Marks & Spencer bereits bis 2015 faire Löhne etablieren wollte und das den Recherchen zufolge eindeutig nicht geschafft hat, hat H&M im Prinzip noch zwei Jahre Zeit, sein Versprechen einzulösen. Bleibt zu hoffen, dass die Modekette das Tempo erhöht und dafür sorgt, dass die Arbeiter in den Textilfabriken in Zukunft echte Verbesserungen ihrer Arbeitsbedingungen und Löhne erfahren.
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