„Herbert“ heißt eine Indoor-Farm, die ein österreichisches Start-up entwickelt hat. Ohne Erde oder Sonne wachsen Salate und Kräuter dort, wo sie gegessen werden: in der eigenen Wohnung.
Ein gemütliches Abendessen im Kreis der Familie. Das Menü: Pasta mit Tomatensauce. Nur ein paar Kräuter fehlen. Lässig zupft der Gastgeber aus dem vertikalen Gemüsebeet an der Wohnzimmer-Wand ein paar frische Rucola-Blättchen und streut sie über die dampfenden Nudeln. So beginnt das Werbe-Video von dem Wiener Start-up Ponix Systems. Der Clip hat derart begeistert, dass bei einem Crowdfunding im März über 250.000 Euro zusammengekommen sind. Fünf mal mehr als das ursprüngliche Ziel.
Hinter der Idee steht Alexander Penzias, 31, Mitgründer von Ponix Systems. Er möchte, dass Gärtnern möglichst einfach ist. Dass so mehr Leute Gärtnern und wieder einen Bezug zu ihrem Essen bekommen. Deshalb tüftelte er mit seinem Team drei Jahren lang an dem vertikalen Gemüsebeet „Herbert“. Der Name ist an das englische Wort „herbs“ (Kräuter) angelehnt. Wie eine Art Bilderrahmen, etwa so groß wie ein 40-Zoll-Fernseher, wird Herbert an die Wand gehängt,. Dort lassen sich in 15 Töpfchen Erdbeeren, Salate oder Kräuter wie Schnittlauch anbauen. Um Platz zu sparen, wachsen die Pflanzen übereinander.
Die Töpfchen sind jedoch nicht mit Erde gefüllt. Der 12 Kilo schwere Herbert funktioniert nämlich nach dem Prinzip der Hydrokultur. Die Pflanzen beziehen ihre Nährstoffe direkt aus dem Wasser. Das wiederum spart Platz, weil die Pflanzen nicht groß Wurzeln schlagen müssen, um an ihre Nährstoffe zu gelangen. Neu ist das Prinzip nicht. Ursprünglich kommt die Idee von der NASA, die damit ihre Raumfahrer auf langen Reisen ernähren will. Zurzeit wird daran geforscht, wie Hydrokultur in industriellem Maßstab eingesetzt werden kann. In den USA sind bereits Container auf dem Markt, in denen so viel geerntet werden kann, wie auf der Größe eines Fußballfeldes. Wetterunabhängig, lokal und daher ohne Transportweg.
Hydroponik für Zuhause
Aber zurück zu Herbert. Bei ihm finden die Wurzeln statt in Erde Halt in Schwämmen, die biologisch abbaubar sind. Dadurch lässt sich Dreck im Wohnzimmer vermeiden. Die Samen können entweder von Ponix Systems, aber auch von anderen Anbietern bezogen werden. Dasselbe gilt für den Dünger, der allerdings für Hydroponik geeignet sein muss. „Wir wollten ein offenes System, damit Kunden auch selber experimentieren können“, sagt Mitgründer Penzias. Das Wasser erhalten die Keimlinge über eine eingebaute Pumpe. Sobald der Tank leer ist, schlägt die dazugehörige App auf dem Smartphone Alarm.
Da in Wohnzimmern aber nicht die Sonne scheint, hat Ponix System eine LED entwickelt, die dem Sonnenlicht möglichst nahe kommt. Durch die abgestimmte Beleuchtung und Nährstoffzufuhr sollen deshalb die Kräuter und Salate sehr schnell wachsen und schon nach vier bis fünf Wochen zur Ernte bereit sein. Auf anderen Beeten würde es normalerweise zwei bis drei Monate dauern, sagt Penzias. Bis zu 90 Salate könne man pro Jahr genießen.
Mit Hilfe der LED, die durch die App gesteuert wird, lässt sich auch im Winter Gemüse pflanzen. Toll, dass durch das direkte Ernten im Gegensatz zum Supermarkt die Verpackung entfällt. Dabei von Gärtnern zu sprechen, wäre aber übertrieben. Außer dem Setzen der Samen und dem gelegentlichen Auffüllen des Wassertanks ist für den Betrieb von Herbert nichts weiter zu tun.
Hobby als Inspiration
Dabei hatte Penzias mit Pflanzen früher nichts am Hut. Der studierte Betriebswirt arbeitete als Unternehmensberater, wollte sich aber selbstständig machen. Zuerst spielte er mit der Idee, mit einer Aquaponik-Anlage selbst in den Nahrungsmittelhandel einzusteigen. (Aquaponik bezeichnet das Halten von Fischen und Pflanzen im einem geschlossenen Kreislauf.
In Berlin verkauft REWE seit kurzem Barsche und Basilikum aus einer solchen Anlage.) Inspiriert zur Aquaponik hat Penzias sein Hobby: acht Aquarien. Aber Penzias wollte bei den Konsumenten vor allem ein Bewusstsein fürs Essen schaffen. Er sagte sich, dass er mit einer kleinen Indoor-Farm dieser Vision am nächsten kommen würde.
Bis jetzt wurden rund 700 Herberts bestellt. „Es hat mich sehr gefreut, dass wir so viele Leute angesprochen haben“, sagt Penzias. Die Kunden zahlen aktuell auf Indiegogo 399 Euro für Herbert – günstig ist das nicht. Die erste Auslieferung soll im Oktober stattfinden. Im Webshop, der 2018 startet, soll der Preis bei stolzen 499 Euro liegen.
Günstigere, aber im Betrieb auch aufwändigere Hydrokultursets gibt’s** zum Beispiel bei Ikea schon ab 65 Euro. Penzias hat derweil bereits die nächste Idee: Ein Aquarium, mit dem sich Herbert zu einer Aquaponik-Anlage ausbauen ließe. Dann gäbe es im nächsten Werbe-Clip von Ponix Systems zur Pasta nicht nur Rucola, sondern auch Fisch.
GASTBEITRAG aus enorm
TEXT: Fabian Gubser
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