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H&M: Textilarbeiter in Myanmar fordern gewaltsam bessere Arbeitsbedingungen

Faire Löhne: Hält H&M seine Versprechen?
Foto: "H&M HandM Store" von Mike Mozart unter CC-BY-2.0

In einer Textilfabrik in Myanmar, die Kleidung für H&M produziert, sind Proteste eskaliert. Die Arbeiter wollen bessere Arbeitsbedingungen und eine fairere Behandlung. Sie haben nun Teile der Fabrik demoliert, es soll auch zu Gewalt gekommen sein.

Schon seit Wochen schwelt in Myanmars Textilindustrie ein Konflikt rund um Arbeiterrechte. In den Fabriken um die Großstadt Yangon (Rangun) ist es jetzt zu massiven, teils gewalttätigen Protesten gekommen – im Zentrum steht die chinesische Textilfabrik „Hangzhou Hundred-Tex Garment Company”. Die Fabrik produziert offenbar exklusiv für H&M; das sagte ein Manager der Fabrik dem Guardian. Informationen der britischen Zeitung zufolge soll sie einer von 40 H&M-Zulieferern in Myanmar sein.

Arbeiter haben hier aus Wut Maschinen und Überwachungskameras zerstört. Außerdem sollen Arbeiter einen Manager tätlich angegriffen haben. Darum steht die Produktion seit Anfang Februar still.

Auslöser der Proteste war offenbar die Entlassung des Gewerkschaftsführers That Paing Oo im Januar aufgrund einer nicht genehmigten Abwesenheit. Der Konflikt begann mit einem Streik Ende Januar, mit dem Arbeiter ein besseres System der Leistungsüberprüfung und Gesundheitsversicherung fordern wollten.

H&M: Vorreiter für Arbeiterrechte – und doch regelmäßig in der Kritik

Genau wie fast alle Billigmode-Ketten lässt auch H&M fast ausschließlich in Billiglohnländern wie Bangladesch, Kambodscha und Myanmar produzieren. Der Modekonzern ist in der Vergangenheit immer wieder wegen problematischer Arbeitsbedingungen in seinen Zuliefererfabriken in die Kritik geraten.

Gleichzeitig gehört H&M zu den engagiertesten Mode-Konzernen was Arbeiterrechte und Löhne in der Textilindustrie angeht. Das Unternehmen setzt sich öffentlich für bessere Arbeitsbedingungen, Arbeiterrechte und faire Löhne ein.

Viel zu schnell im Müll: Billig-Kleidung
Billigmode muss billig produziert werden – oft zu Lasten der Textilarbeiter. (Foto: © Vaidas Bucys - Fotolia.com)

Schwierig: Genau wie andere Modeketten argumentiert H&M gerne, dass der Konzern die Löhne nicht einfach einseitig erhöhen könne, da in den Fabriken üblicherweise für eine Vielzahl von Unternehmen produziert würde. Offenbar ist das in der nun betroffenen Fabrik aber nicht der Fall – die Löhne lagen trotzdem nur auf dem Niveau des extrem niedrigen örtlichen Mindestlohns.

H&M verweist nur darauf, dass seine Zulieferer in Myanmar zur Zahlung dieses gesetzlichen Mindestlohns verpflichtet seien. „Es ist von größter Wichtigkeit für uns, dass all unsere Produkte unter guten Arbeitsbedingungen hergestellt werden,“ wird der Konzern bei Fashion Network zitiert. Kinderarbeit sei „absolut unakzeptabel“. Dass der Mindestlohn den Arbeitern zum Leben nicht ausreicht, erwähnen Modekonzerne in ihren Statements üblicherweise nicht.

Der Guardian zitiert H&M mit einer Stellungnahme, derzufolge die Firma „tief besorgt“ sei über den aktuellen Konflikt und seine Geschäftsbeziehungen mit der betroffenen Fabrik „momentan ausgesetzt“ habe: “H&M group is deeply concerned about the recent conflict and our business relationship with this factory is on hold at the moment.”

Weiterhin äußerte sich die Modekette: “We are monitoring the situation closely and are in close dialogue with concerned parties. We strongly distance ourselves from all kind of violence.” (Deutsch: “Wir beobachten die Situation genau und stehen in engem Dialog mit den betroffenen Parteien. Wir distanzieren uns deutlich von jeder Art von Gewalt.“)

Die Textilindustrie in Myanmar: Niedriglöhne, Überstunden, Kinderarbeit

Myanmar hat erst vor wenigen Jahren begonnen, seine Wirtschaft für ausländische Investoren zu öffnen. Seitdem ist das südostasiatische Land zum neuen Liebling der Textilindustrie aufgestiegen. Denn die Löhne sind hier extrem niedrig – bei umgerechnet etwa 2,50 Euro pro Tag liegt hier der Mindestlohn für die Textilarbeiter. Mittlerweile soll es hier rund 400 Textilfabriken mit etwa 400.000 Arbeitern geben, die meisten davon Frauen.

Inzwischen lassen mehrere europäische Unternehmen in Myanmar produzieren, zum Beispiel H&M, C&A, Adidas, Jack Wolfskin, Deuter, Aldi und Tchibo.

Fast Fashion: Tipps gegen Wegwerfmode / Schaufenster
Ein Großteil unserer Mode kommt aus Billiglohn-Ländern. (Foto: Pixabay unter CC0 1.0)

Die Mode-Website Fashion Network glaubt, dass der Boom der Textilindustrie in Myanmar auch damit zu tun habe, dass der Ruf des Nachbarlands Bangladesch nach mehreren verheerenden Fabrikunglücken gelitten habe – und Modeunternehmen teils aus Angst um den eigenen Ruf neue Zulieferer suchen.

Doch wirklich besser scheinen die Bedingungen in Myanmar nicht zu sein: Die niederländische Non-Profit-Organisation SOMO (Centre for Research on Multinational Corporations) veröffentlichte kürzlich eine Studie zu den Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie in Myanmar. Dafür wurden rund 400 Arbeiter in zwölf Fabriken befragt. Der Studie zufolge sind die Arbeitsbedingungen hoch problematisch: Extrem niedrige Löhne, Überstunden, fehlende Arbeitsschutzmaßnahmen und Kinderarbeit seien demnach weit verbreitet.

Die Studie zeigte: Die realen Löhne liegen oft sogar unter dem Mindestlohn, teils unter 1,50 Euro pro Tag. In einer H&M-Zuliefererfabrik gaben Angestellte an, während der ersten drei Monate würden sogar nur etwa 1,40 Euro pro Tag bezahlt. Exzessive Überstunden seien – auch aufgrund der niedrigen Löhne – üblich, den Befragten in der der H&M-Fabrik zufolge bis weit über 60 Stunden pro Woche. H&M selbst sagte, man könne diese Vorwürfe nach eigenen Untersuchungen nicht bestätigen.

Dem Spiegel zufolge fordern die Gewerkschaften in Myanmar von der Regierung von Aung San Suu Kyi den gesetzlichen Mindestlohn zu erhöhen: Pro Arbeitstag sollen statt 3600 Kyat (umgerechnet etwa 2,50 Euro) in Zukunft 5600 Kyat (etwa 3,86 Euro) gezahlt werden. Der aktuelle Konflikt zeigt, dass Myanmar dringend gerechte soziale und Arbeitsrechts-Reformen braucht und für seine schnell wachsende Textilindustrie strengere, überprüfbare Standards schaffen muss.

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