Kann man bei Hitze laufen gehen? Wer sollte bei über 30 Grad auf Sport verzichten? Und ist eine kalte Dusche nach der Anstrengung empfehlenswert – oder kontraproduktiv? Sport- und Gesundheitsexperte Prof. Ingo Froböse verrät im Utopia-Interview, worauf man beim Sport an heißen Tagen achten muss – und warum kein Sport auch keine gute Lösung ist.
Die Temperaturen klettern deutschlandweit auf über 30 Grad. Das lädt ein, im Freien zu trainieren – doch sollte man an heißen Sommertagen überhaupt Sport treiben? Sportwissenschaftler Prof. Ingo Froböse gab im Interview vergangenen Sommer eine klare Empfehlung. Außerdem hat der Experte für Prävention und Rehabilitation im Sport Tipps, was du vor, während und nach dem Training beachten solltest.
Utopia: Der Sommer ist da. Muss man an heißen Tagen anders trainieren als üblich?
Ingo Froböse: Man sollte auf jeden Fall über die Uhrzeit nachdenken. Idealerweise verlegt man den Sport in die Morgenstunden, denn die größte Hitze taucht in der Regel zwischen 15 und 18 Uhr auf. Nachmittagssport ist an heißen Tagen deshalb ungünstiger als Morgensport.
Sport im Sommer: besser sehr früh oder sehr spät
Utopia: Wenn man aber kein:e Frühaufsteher:in ist?
Froböse: Man kann auch abends trainieren. Allerdings sollte man den Sport mindestens zwei Stunden vor dem Bettgehen beendet haben. Wenn es wirklich heiß ist, kann man alternativ auch über Indoor-Sport nachdenken.
Utopia: Denken Sie an ein Fitnessstudio?
Froböse: Ja, denn im Fitnessstudio kann man aufs Laufband steigen oder Muskeltraining machen.
Utopia: Wobei die Natur im Sommer viele nach draußen lockt.
Froböse: Dann können Gewässer helfen: Wer die Möglichkeit hat, wie wir hier in Köln mit dem Rhein, sollte an Flüssen oder am Seeufer laufen gehen. Dort ist es kühler als zum Beispiel direkt in der Stadt.
Ingo Froböse: Ab 30 Grad sollten Anfänger:innen aufpassen
Utopia: Ab welcher Temperatur muss ich beim Sport aufpassen?
Froböse: Ab 30 bis 35 Grad würde ich zunehmend vorsichtig sein, gerade als Anfänger oder Anfängerin. Wichtig ist auch, das Tempo an heißen Tagen anzupassen und es bei Ausdauersport etwas ruhiger anlegen. Das Wichtigste bei Hitze ist, den Wassertank vor dem Training aufzufüllen.
Utopia: Was heißt das konkret?
Froböse: Wasser ist das wichtigste Füllmittel unseres Körpers. Man sollte mindestens ein großes Glas Wasser trinken, bevor man Sport macht. Wenn man weiß, man hat den Tag bislang wenig getrunken, darf es auch mehr als ein Glas sein.
Utopia: Gibt es hier eine Obergrenze?
Froböse: Zu viel bringt auch nichts. Mehr als 0,8 Liter Wasser verarbeitet der Körper pro Stunde nicht, er scheidet das Wasser dann aus, ohne die enthaltenen Mineralien aufzunehmen.
Utopia: Dennoch braucht der Körper im Sommer, wenn man mehr schwitzt, auch mehr Wasser – oder nicht?
Froböse: Auf jeden Fall. Man sollte schon morgens, in den ersten vier bis sechs Stunden des Tages, intensiv trinken. So gleicht man das Defizit aus, das durch das Schwitzen in der Nacht entsteht. Im Sommer schwitzt man bis zu zwei Liter pro Nacht aus.
Baumwolle für Sport bei Hitze besser als Funktionskleidung
Utopia: Abgesehen von der Flüssigkeit, welche Rolle spielt die Kleidung beim Sport im Sommer?
Froböse: Die Kleidung ist wichtig beim Kühlen des Körpers. Die Feuchtigkeit, die beim Schwitzen entsteht, sollte auf der Haut bleiben. Sie hilft, Körper abzukühlen.
Utopia: Funktionskleidung nimmt den Schweiß allerdings auf. Ist sie bei Hitze die falsche Wahl?
Froböse: Im Sommer kann Baumwolle besser sein. Wer mag, sollte sogar nasse Kleidung ausprobieren.
Utopia: Das T-Shirt also vor dem Joggen nass machen?
Froböse: Ein feuchtes Baumwollshirt kühlt angenehm. Noch wichtiger ist aber ein Kopfschutz. Ich laufe gerne mit einer Kappe, die ich zuvor in Wasser getränkt habe.
Utopia: Haben Sie noch weitere Kleidungstipps beim Sport im Sommer?
Froböse: Die Schultern müssen bedeckt sein, um die Haut vor der Sonne zu schützen. Männer machen das oft völlig falsch und laufen mit nacktem Oberkörper durch die Gegend.
Utopia: Von welchen Sportarten raten Sie bei Hitze ab?
Froböse: Wir sollten keine Angst vor Hitze haben. Während dem Sport bei Hitze passiert nichts anderes als in der Sauna: Wir verändern unsere Körpertemperatur und treiben sie in die Höhe. Selbstverständlich sollten wir aber über die Intensität nachdenken.
Utopia: Also kein HIIT-Training [Anm. der Red.: HIIT bedeutet High-Intensity Intervall Training] in der Sonne?
Froböse: Das wäre falsch. HIIT und ähnliche intensive Trainingseinheiten sollte man in die Morgen- oder Abendstunden verlegen und sie auf jeden Fall im Schatten ausüben.
Utopia: Ab wann ist es zu heiß für Sport?
Froböse: Wenn ich körperliche Beschwerden wie Herz-Kreislauf-Probleme habe oder schwanger bin, ist Sport ab 30 Grad eine zusätzliche Belastung. Ab 35 Grad sollten Menschen mit Gesundheitsproblemen und Untrainierte in kein anstrengendes Training einsteigen. Auch an schwülen Tagen mit einer hohen Luftfeuchtigkeit ist Vorsicht geboten.
Sport bei Hitze: Ab 40 Grad ist Schluss
Utopia: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es für Menschen, die regelmäßig Sport treiben und gesund sind, kein Sportverbot gibt?
Froböse: Auf keinen Fall. Wenn man sich vernünftig verhält, gibt es keinen Grund, auf Sport zu verzichten. Man kann auch bei 30 Grad joggen gehen. Eine Ausnahme bildet extreme Hitze, doch die beginnt erst bei 40 Grad.
Utopia: Stichwort Yoga: Gibt es Sportarten, die sich besser mit Hitze vertragen?
Froböse: Es gibt keine No Go’s, nur weil es heiß ist. Es kommt stets auf die Dosis an – man kann jeden Sport dosieren. Wenn sich ruhigere Sportarten wie Pilates oder Yoga im Schatten besser anfühlen, kann man diesen an heißen Tagen aber natürlich den Vorzug geben.
Utopia: Auf welche Warnsignale meines Körpers sollte ich hören?
Froböse: Das Schöne ist, dass der Körper einem sagt, wenn es zu viel ist. Da gibt es zum Beispiel das weiße Mund-Nase-Dreieck. Wenn sich die Haut um Mund und Nase hell färbt, heißt das: Es droht Überhitzung oder Überlastung. Tritt dieses Warnzeichen auf, sollte man eine Pause einlegen. Am besten such man sich einen Partner zum Sport, damit man aufeinander achten kann.
Utopia: Wie reagiere ich richtig, wenn ich nicht während, sondern nach dem Sport Kopfschmerzen habe oder mir schwindelig ist?
Froböse: Kopfschmerzen und Schwindel sind häufig ein Indiz für einen Wasser- und Mineralstoffmangel. Am besten trinkt man nach dem Sport Wasser und mischt dabei einen Liter Wasser mit einem halben Teelöffel Salz.
Utopia: Kann ich den Beschwerden vorbeugen, indem ich mich im Sommer anders aufwärmen als im Winter?
Froböse: Das Aufwärmen ist im Sommer wie im Winter gleich wichtig: Man fängt ruhig an und steigert sich langsam. Wenn es draußen kalt ist, brauchen die Muskeln womöglich länger, um warm zu werden.
Nach dem Training keine kalte Dusche
Utopia: Empfehlen Sie nach einem anstrengenden Sommer-Workout eine erfrischende eiskalte Dusche?
Froböse: Eine kalte Dusche stresst den Körper sehr. Es ist besser, den Körper langsam herunter zu temperieren. Man fängt mit den Waden und Oberschenkeln an, duscht dann die Arme ab und erst danach den restlichen Körper. Lauwarmes Wasser ist besser als eiskaltes, sonst heizt sich der Körper erneut auf und man fängt wieder zu schwitzen an.
Utopia: Sollte ich meinem Körper nach einem schweißtreibenden Training bei Hitze ein paar Tage Pause gönnen?
Froböse: Wenn ich das Training an die Hitze angepasst habe, braucht der Körper keine längere Regenerationspause als sonst. Und auch Hitze kann man lernen. Je häufiger ich schwitze, desto besser kann sich der Körper anpassen. Sportler schwitzen anders und besser. Sie haben mehr Schweißdrüsen und schwitzen deshalb effektiver, das heißt dünnflüssiger. Zwar schwitzen sie mehr Flüssigkeit aus, aber weniger wertvolle Mineralien aus. Deshalb „stinkt“ der Schweiß von trainierten Menschen auch viel weniger.
Froböse: „Sportler schwitzen besser“
Utopia: Man kann also am Geruch des Schweißes erkennen, wie fit man ist?
Froböse: Der Schweiß von gut trainierten Sportlern riecht fast neutral. Man darf sich Hitze und Schweiß ruhig bewusst aussetzen.
Utopia: Haben Sie ein Erfolgsrezept, um sich beim Sport nicht zu überfordern?
Froböse: An der eigenen Atmung erkennt man sehr gut, ob der Körper überfordert, unterfordert oder genau in der richtigen Dosierung ist. Meine Empfehlung für Anfänger lautet: Auf vier Schritte einmal einatmen und auf vier Schritte einmal ausatmen. So ist man immer im richtigen Tempo. Das funktioniert beim Gehen, Walken und beim Laufen.
Utopia: Das hilft doch nicht nur beim Einstieg, sondern auch geübten Läufer:innen.
Froböse: Auf jeden Fall. Die Atmung sollte unsere Steuergröße sein, nicht die Geschwindigkeit. Das gilt an kalten, warmen und heißen Tagen.
Hinweis: Bei erhöhter Ozonbelastung solltest du – deiner Gesundheit zuliebe – ebenfalls ein paar Dinge beachten.
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