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„Natur ist kein Museum!“

Rechtsextreme im Umwelt- und Naturschutz
Foto: © NaturFreunde Deutschlands.

Völkische Naturschützer, die unerkannt auf Hambacher-Wald-Demos mitlaufen. Rechte Magazine, die sich um Tiere, Nachhaltigkeit und Frauenrechte sorgen. Atomkraftgegner, denen es ausschließlich um die Erhaltung „des arischen Gen-Materials“ geht. Rechtsextremismus-Experte Lukas Nicolaisen erklärt, woran man braunes Gedankengut in der Umweltbewegung erkennt und wie man sich davon abgrenzen kann.

Umweltschädliche Produktionsbedingungen von Jeanshosen, Futterprobleme des Igels im Herbst und 100 Jahre Frauenwahlrecht in Deutschland – die Themenpalette NPD-naher und neurechter Publikationen wie „Umwelt & Aktiv“ oder „Compact“ ist erstaunlich vielfältig. Während die Rechten den Feminismus scheinbar neu für sich entdeckt haben, ist Naturschutz schon seit dem 19. Jahrhundert Konsens bei völkisch-nationalistischen Kreisen in Deutschland. Die damals vorherrschende konservative und romantisierende Perspektive auf Natur spiegelt sich in der Gründung des „Bundes Heimat und Umwelt in Deutschland“ im Jahr 1904 wider, der zehn Jahre später in „Deutscher Bund Heimatschutz“ umbenannt wurde.

Lukas Nicolaisen ist Experte für völkisches Gedankengut in der Umweltbewegung und sagt: „Der Bund Heimatschutz hat diesen Dreiklang von Natur, Heimat und Volk aufgemacht, der dann später bei den Nationalsozialisten als ,Blut-und-Boden‘-Ideologie weitergeführt wurde.“ Laut Nicolaisen wirkten diese biologistischen und rassistischen Konzepte des NS-Regimes auch in aktuellen Umweltdiskursen nach und würden von rechtsextremen Gruppen bewusst aufgegriffen. Insbesondere die Idee von Umweltschutz als Heimat- und Volksschutz finde sich bei allen rechten oder rechtsextremen Gruppierungen bis heute, etwa bei den völkischen Siedlern, der Identitären Bewegung, dem nationalistisch-völkischen Flügel um die NPD, der neonazistischen Kleinstpartei Der III. Weg oder bei dem Netzwerk Ein Prozent.

Diese historischen Kontinuitäten will Nicolaisen sichtbar machen – denn gerade für Umweltschutz-Aktivisten sei es wichtig zu wissen, mit wem man es alles bei Groß-Veranstaltungen wie beispielsweise den Hambacher-Wald-Demonstrationen zu tun habe. Der studierte Agrarwissenschaftler und Experte für Jugendbildung leitet die Fachstelle „Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN)“ des Umweltschutzverbands „Naturfreunde Deutschlands“. Das Familienministerium fördert das Projekt, um demokratische Prozesse in Deutschland zu stärken. So sollen Nicolaisen und sein Team Anknüpfungspunkte von rechten Positionen im Natur- und Umweltschutz identifizieren, um Umweltschützer und Aktivisten im Umgang mit rechtsextremen Gruppen oder völkischem Gedankengut zu beraten.

Waldbaden: Natur und Entspannung
Beim Hambacher Forst etwa wollen rechtsextreme Gruppen den „deutschen Wald“ retten. (Foto: CC0 / Pixabay / fgmsp)

„Dem Baum ist es egal, ob er von rechts oder links gegossen wird“

Allerdings gibt es auch Kritik an der Arbeit der Fachstelle, auch von Menschen, die selbst stark im Naturschutz engagiert sind. Nach Angaben des Fachstellen-Leiters fielen in E-Mails oder Briefen auch mal Aussagen wie: „Die ökologische Krise ist so groß, dass alle in einer Querfront zusammenarbeiten müssen, und da darf keine Spalterei betrieben werden.“ Oder: „Dem Baum ist es egal, ob er von rechts oder links gegossen wird.“

Das Gros der Zuschriften käme aber von Institutionen oder Verbänden, die mit Vereinnahmungsversuchen von rechten oder rechtsextremen Gruppen zu kämpfen hätten, erzählt der 40-Jährige im Gespräch mit dem Greenpeace Magazin. So hatte beispielsweise eine Umweltorganisation unwissentlich ein Mitglied der rechtsextremen Identitären Bewegung für ein freiwilliges ökologisches Jahr aufgenommen und war plötzlich zu einer beliebten Anlaufstelle für weitere Identitäre geworden. Oder eine Bürgergruppe hatte sich gegen den Bau einer Straße engagiert und war mit ihren Stellungnahmen ungefragt von einer rechten Partei zitiert worden. In solchen Fällen kann die Naturfreunde-Fachstelle gemeinsam mit den Betroffenen Strategien entwickeln, wie man sich von völkischen Positionen abgrenzt oder diese überhaupt erst erkennen kann.

Denn in ihren Ansichten zu konkreten Umweltschutzmaßnahmen liegen rechtsgerichtete und eher progressive Naturschützer oft nicht weit auseinander. Zu erkennen sind sie allerdings daran, wie sie ihr Anliegen begründen. So hätten sich laut Nicolaisen bei den Hambacher-Wald-Protesten auch rechtsextreme Gruppierungen mehr oder weniger unerkannt unter die Demonstranten gemischt. Deren Motivation: die Rettung des „deutschen Waldes“. Dagegen haben viele andere Aktivisten die globalen Zusammenhänge von Kohleverstromung und Klimawandel thematisiert und sich für Klimagerechtigkeit stark gemacht. „Damit haben die Aktivisten ihr Anliegen in den Kontext von internationaler Solidarität gestellt und sich somit klar von rechter Heimatschutz-Rhetorik abgegrenzt“, sagt Nicolaisen.

Völkische Atomkraft- und Gentechnik-Gegner sorgen sich um „Volksgesundheit“

Auch bei anderen Umweltschutz-Themen lohnt es sich, die Motivation der Akteure zu hinterfragen. So beteiligten sich bei den Anti-Atomkraft-Demos in den 1980er Jahren auch Mitglieder des deutschen „Weltbunds zum Schutz des Lebens“. Den Protestierenden aus dem völkischen Milieu ging es allerdings hauptsächlich darum, das „genetische Material der arischen Rasse“ zu schützen, sagt Lukas Nicolaisen. Diese Sorge um die „Volksgesundheit“ treibe bis heute völkische Atomkraft- aber inzwischen auch Gentechnik-Gegner um.

Polarstern bietet eine saubere Alternative zu Atomstrom und Erdgas.
Die Sorge um die „Volksgesundheit“ treibe bis heute völkische Atomkraft-Gegner um. (Foto: CC0 / Pixabay / 50578)

Mittlerweile versuchten Gruppierungen der rechten Szene ebenfalls bei Tauschbörsen, Repair-Cafés oder sogar der Fair-Trade-Bewegung anzudocken. „Die Fair-Trade-Motivation der Rechten ist es, Menschen vor Ort zu unterstützen, damit es ihnen gut geht und sie nicht zu uns kommen müssen“, sagt Nicolaisen. Ansonsten sei der moderne Öko-Nazi aber weiterhin eher lokal orientiert und konsumkritisch. Diese Haltung leite er aus einer Globalisierungs- und Finanzkapitalismuskritik her, die häufig Stereotype einer globalen jüdischen Elite reproduziere, so der Fachstellen-Leiter.

Am deutlichsten sei antisemitisches Denken allerdings im Tierschutz zu beobachten. Hier werde die Debatte um betäubungsloses religiöses Schächten instrumentalisiert, um gezielt antisemitische Botschaften zu verbreiten. Besonders stark kritisiert Nicolaisen Holocaust-Vergleiche von Tierschutzorganisationen wie Peta, deren Kampagne „der Holocaust auf dem Teller“ in Deutschland verboten wurde: „Diese verletzen die Menschenwürde von Opfern und Überlebenden der Shoa gleichermaßen“, so Lukas Nicolaisen.

Kontinuitäten aus der NS-Zeit finden sich auch in der Debatte um Biodiversität

In einer aktuellen Handreichung thematisiert die Fachstelle für Rechtsextremismus und Naturschutz ein weiteres kontroverses Thema: regionale Biodiversität. Dass die Verdrängung von „einheimischen“ durch „gebietsfremde“ Arten per se eine Bedrohung darstellt, wird oftmals ohne Begründung als Konsens vorausgesetzt. Nicolaisen und Kollegen wollen dazu anregen, solche Selbstverständlichkeiten zu hinterfragen. Denn die Unterscheidung zwischen „bodenständigen“ und „gebietsfremden“ Arten finde sich auch schon bei den Nationalsozialisten. Und hier liefere die „Blut-und-Boden“-Ideologie die Begründung: Bodenständige Arten sollten bevorzugt werden, da der „deutsche Mensch“ nur aus „deutschen Landschaften“ hervorgehen könne. Rechtsextremismus-Experte Nicolaisen sagt dazu: „In der NS-Logik ging man davon aus, dass nur die heimische Landschaft Lebensraum für das eigene Volk sein kann. Außerdem lag der Begründung die falsche Vorstellung zugrunde, dass die Natur genauso wie sie ist, erhalten werden muss. Aber Natur ist kein Museum.“

Hanno Seebens forscht am Senckenberg Institut in Frankfurt zu Biodiversität und kennt die Debatte. „Gerade unter Historikern und Sozialwissenschaftlern werden Begrifflichkeiten wie invasiv und heimisch kritisch und in Hinblick auf die Übertragung auf menschliche Gesellschaften diskutiert. Ein Naturwissenschaftler würde nie auf diese Idee kommen“, so der Ökologe. Und eine allgemeine Bewertung von Prozessen wie „Bioinvasion“ und der „Verdrängung einheimischer durch gebietsfremde Arten“ sei innerhalb der Naturwissenschaft auch gar nicht möglich: „Beispielsweise beim Insektensterben kann ich die Annahme treffen, dass irgendwann keine Bestäubung mehr stattfindet und das System dann nicht mehr funktioniert. Aber mit Sicherheit sagen kann ich das nicht.“ Dafür seien die die Einflussfaktoren zu vielfältig und die Möglichkeiten, welche Arten sich zusätzlich entwickeln könnten, zu groß. „Da muss die Gesellschaft entscheiden, ob sie die vorherrschende Artenvielfalt und die regionale Biodiversität behalten will“, sagt Seebens.

Der progressive Naturschutz versteht Natur und Landschaften dagegen als dynamische Systeme und nicht als Denkmäler. In der Handreichung argumentiert Nicolaisens Fachstelle, dass die heutigen „Kulturlandschaften“ ja auch durch Veränderungen und kulturelle Prozesse, also durch den Menschen, geschaffen worden sind. „Es herrscht so eine starre Vorstellung von Natur vor, als wäre das etwas völlig Unberührtes. Da würde ich mir einfach einen größeren Diskurs in Umweltverbänden und unter Aktivisten wünschen, was wir mit dem Naturbegriff eigentlich meinen“, sagt Lukas Nicolaisen.

Darüber hinaus beschäftigt sich die Fachstelle auch mit der Debatte zu Naturzerstörung und „Überbevölkerung“ und der identitätsstiftenden Wirkung, die der Mythos des „deutschen Waldes“ in extrem rechten und esoterischen Kreisen immer noch hat. „Mir ist während meiner Arbeit an der Fachstelle kein Umweltthema begegnet, zu dem sich nicht auch rechtsextreme Gruppen engagieren“, so Nicolaisen. Und die treten in ihrem Engagement teilweise sehr offensiv auf, wie etwa auf der Webseite des NPD-nahen Naturschutz-Magazins „Umwelt & Aktiv“. Dort wird angekündigt: „Wir werden nicht länger jenen Menschen das Thema Umweltschutz und Naturschutz überlassen, denen gar nichts an der Heimat liegt.“

GASTBEITRAG vom Greenpeace Magazin.
TEXT: Nora Kusche

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