Was einst nur als Modellprojekt gedacht war, ist zum Normalzustand geworden. Etwa ein Fünftel der Friedrichstraße ist nur noch für Radfahrer:innen und Fußgänger:innen zugänglich. Daten zeigen: Scheinbar mit Erfolg.
Im August 2020 wurde die Berliner Friedrichstraße zwischen der Französischen und der Leipziger Straße für Autos gesperrt. Auf dem etwa 500 Meter langen Abschnitt sollte eine Flaniermeile entstehen, ganz ohne Abgase, Stau und Verkehrslärm. Mitte Oktober 2021 entschied die Senatsverwaltung für Umwelt und Verkehr, die autofreie Friedrichstraße so bestehen zu lassen. Sie sollte auch zukünftig ein attraktiver Aufenthaltsort zum Flanieren sein.
In der Mitte der Straße, wo früher die Autos fuhren, ist nun ein Radweg. Zudem schmücken Vitrinen und Sitzgelegenheiten die ehemalige Verkehrsstraße. Während viele diese Idee zu befürworten scheinen, hagelte es von Anfang an auch viel Kritik. Diese kam vor allem von der Opposition, insbesondere der CDU. Nun zeigen Analyseergebnisse jedoch, dass sich seit der Neuerung tatsächlich mehr Menschen auf der neuen Flaniermeile aufhalten und auch länger dort verweilen.
Mehr Menschen auf der neuen Berliner Flaniermeile
Das Berliner Unternehmen „What a Location“ hat den Betrieb auf der autofreien Friedrichsstraße genauer unter die Lupe genommen. Mithilfe von anonymisierten Mobilfunkdaten konnten die Mitarbeiter:innen ermitteln, wie viele Menschen sich auf der Straße aufhielten, wie lange sie dort blieben und ob es sich bei ihnen um Berliner:innen handelte.
Laut Angaben der Berliner Zeitung sind seit Beginn des Modellprojekts mehr Personen auf der Flaniermeile unterwegs: Während sich Mitte Juli 2020 (kurz vor Beginn des Projektes) nur durchschnittlich 6.870 Menschen pro Tag auf der Straße befanden, waren es im September desselben Jahres (kurz nach Beginn des Projektes) schon 9.026. Mitte März 2022 lag die Zahl bei 9.781. Zudem weisen die Daten darauf hin, dass Personen, die die Friedrichsstraße passieren, länger auf ihr verweilen und es sich nun öfter um Berliner:innen handelt als zuvor. Das sei besonders für Restaurants und Geschäfte bedeutsam.
Auch aus ökologischer Perspektive wäre es wünschenswert, wenn es in Städten deutlich mehr Straßen gäbe, zu denen Autos keinen Zutritt haben. Dann wären sowohl Wege zu Fuß als auch mit dem Fahrrad deutlich angenehmer, sicherer und dadurch attraktiver.
Kritik: Das missfällt an der autofreien Friedrichstraße
Sowohl von der CDU als unter anderem auch vom Berliner Verein „Die Mitte“ gibt es Kritik an der autofreien Straße. Sie sei aufgrund des breiten Fahrradweges alles andere als eine entspannte Flaniermeile. Viele Radfahrer:innen würden sich nicht rücksichtsvoll genug verhalten und die vorgegebene Geschwindigkeit von 20 Stundenkilometern nicht einhalten.
Die taz gibt zudem zu bedenken, dass sich die Friedrichstraße kaum als Flaniermeile eignen würde. So fehle es an attraktiven Angeboten am Straßenrand. Zudem würden in dem Abschnitt aufgrund der hohen Mietpreise kaum Menschen wohnen, stattdessen finden sich hier Edelboutiquen und Einzelhandelsketten. Auch Bäume fehlen leider – aufgrund der U-Bahn ist es nicht möglich, diese in dem autofreien Bereich zu pflanzen. Zudem führe die Neuerung auch nicht dazu, dass sich der Verkehr in der Innenstadt wirklich reduziert. Er verlagere sich vielmehr nur in die Nebenstraßen.
Fazit: Ein guter Ansatzpunkt
Straßen beziehungsweise Straßenabschnitte autofrei zu gestalten, kann sowohl aus ökologischen als auch sozialen Beweggründen ein guter Ansatzpunkt sein. Denn durch sichere Fahrrad- und Fußgänger:innen-Zonen ist es möglich, klimafreundliche Fortbewegungsmittel zu fördern. Wird es für Autos hingegen schwieriger, durch die Stadt zu kommen, steigen eventuell mehr Autofahrer:innen auf öffentliche Verkehrsmittel oder eben auf das Fahrrad um.
In der direkten Umgebung der autofreien Straße wären Menschen, insbesondere Anwohner:innen, zudem weniger von Luftverschmutzung und Verkehrslärm betroffen. Jedoch muss ein solches Projekt gut geplant sein. Dass sich der Autoverkehr lediglich auf andere Straßen verlagert, sollte dabei zum Beispiel vermieden werden.
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