Menschen, die im Job eine Vermittlerfunktion übernehmen, sind oft einfluss- und erfolgreich – aber auch besonders gestresst. Warum das nicht nur zum Burn-out, sondern auch der Arbeitsatmosphäre schaden kann, erklärt ein Experte.
Mitarbeitende, die gut vernetzt sind und eine Schnittstellenposition einnehmen, um zwischen Teams und ganzen Abteilungen zu vermitteln, sind laut Eric Quintane für Unternehmen unerlässlich, tragen aber auch ein erhöhtes Burn-out-Risiko. Quintane ist Professor für Organizational Behavior an der ESMT Berlin. Der Experte wertet E-Mail-Daten mithilfe Künstlicher Intelligenz aus, um in Firmen Gruppen mit erhöhtem Burn-out-Risiko zu identifizieren.
Im Interview mit dem Spiegel stellt Quintane seine Forschungsergebnisse vor: Vermittler:innen im Job leiden demnach unter einer besonders hohen Arbeitsbelastung und haben kaum Zeit, sich davon zu erholen. Die Folgen: Betroffene sind nicht nur selbst oft ausgebrannt, sondern können auch zu einem toxischen Arbeitsumfeld beitragen.
Gut vernetzt im Job: Vorteile und Nachteile
In jedem Unternehmen gibt es Mitarbeitende, die an wichtigen Schnittstellen arbeiten: Sie stellen die Kommunikation zwischen verschiedenen Abteilungen sicher und vermitteln zwischen Kolleg:innen, die nicht selbst miteinander kommunizieren können – oder wollen. Folglich sind sie unter anderem für reibungslose Abläufe unerlässlich. Doch die Vermittler:innenrolle inne zu haben, sei ein zweischneidiges Schwert, so Quintane.
Ihm zufolge können die Schnittstellenmitarbeitende von Vorteilen wie einem großen sozialen Netzwerk profitieren. Sie seien oft einflussreich und erhielten schneller eine Beförderung. Andererseits sei die Arbeit von Vermittler:innen oft unsichtbar, inoffiziell und hochgradig anstrengend. Laut dem Experten erbringen diese Personen häufig Leistungen, die nicht Teil ihrer Jobbeschreibung und von außen kaum erkennbar sind. Zudem gehe die Vermittler:innenrolle mit einer hohen Arbeitsbelastung einher.
Vermittler:innen leiden unter hohen Arbeitsbelastung
Laut Quintane sehen sich Schnittstellenarbeiter:innen gleich mehreren Herausforderungen im Arbeitsalltag konfrontiert:
- „Zum einen ist es die schiere Menge an Informationen, die auf denjenigen oder diejenige einprasselt“, so der Experte. Vermittler:innen würden sich weniger mit speziellen Fragen auseinandersetzen, sondern müssten mit einer ungewohnten und großen Vielfalt an Informationen aus verschiedenen Arbeitsabteilungen umgehen.
- Zum anderen koste es Zeit und Mühe, die persönlichen Beziehungen zu den Menschen in den verschiedenen Abteilungen zu pflegen.
- Vermittler:innen trügen außerdem die Verantwortung dafür, Lösungen zu finden, wenn die gesammelten Informationen aus den verschiedenen Abteilungen nicht zusammen passen.
Weil die Arbeit der Vermittler:innen so wichtig sei und vermeintlich nur von ihnen zu leisten sei, leiden diese Personen laut dem Experten oft unter ihrem Aufgabenpensum. Zeit, um sich davon zu erholen, gebe es nicht. Dadurch seien Menschen in Schnittstellenpositionen besonders von dem Risiko eines Burn-outs betroffen.
Toxische Arbeitsatmosphäre durch Stress
Doch auch für das Unternehmen und die restlichen Mitarbeitende kann es negative Folgen haben, wenn sich Vermittler:innen verausgaben: „Je gestresster jemand ist, desto eher verhält er oder sie sich unfair und verletzend gegenüber den Kolleginnen und Kollegen“, erklärt Quintane.
Grund dafür sei, dass gestressten Personen die Selbstkontrolle schwerer fallen würde: „Auf eine herausfordernde Situation nicht unmittelbar zu reagieren, sondern sich erst mal zurückzuhalten, kostet Kraft. Und wenn diese Energie durch die hohen Anforderungen des Jobs erschöpft ist, flippen wir aus.“
Dem Experten zufolge sei es daher ein gutes Alarmsignal, an dem man ein hohes Burn-out-Risiko erkennen könne, wenn sich eine Person plötzlich impulsiver als gewöhnlich verhalte.
Wie kann man Vermittler:innen helfen?
Wichtig sei laut Quintane daher, dass man Mitarbeitende in Vermittler:innenrollen besser entlaste. Das erfordere zum einen, dass die Unternehmen überhaupt erkennen, wer bei ihnen an den Schnittstellen sitzt, und mit was für Herausforderungen dies einhergeht. Dann könnten sie Maßnahmen ergreifen – wie Gespräche mit der betroffenen Person sowie die offizielle Anerkennung ihrer Leistungen. Etwa in Form von niedergeschriebenen Zielvereinbarungen.
Zum anderen liege es an den Personen selbst, sich zu entlasten. Sie bräuchten dafür nicht unbedingt extra Urlaub: „Es würde schon reichen, wenn sie den Urlaub nehmen, der ihnen zusteht“, so der Experte. Zudem könnten die Betroffenen ihren Aufgabenbereich phasenweise verkleinern, um sich auf klar begrenzte Aufgaben zu konzentrieren. Langfristig empfiehlt Quintane jedoch, dass den Vermittler:innen Mitstreiter:innen zur Seite gestellt werden, die ihnen einige Aufgaben abnehmen.
Hinweis: Grundsätzlich ist es ratsam, bei einem Verdacht auf Burnout professionelle Hilfe aufzusuchen. Erste Ansprechpartner:innen können Hausärzt:innen sein. Sie sollten bei Bedarf an Spezialist:innen überweisen, üblicherweise Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen oder Psycholog:innen.
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