Wer im Jugendalter Mobbing erfährt, leidet später eher unter psychischen Erkrankungen und droht Schwierigkeiten mit sozialen Beziehungen zu haben. In einem Interview erklärt Psychologie-Professorin Mechthild Schäfer, was Mobbing so gefährlich macht.
Inahltswarnung: Dieser Artikel thematisiert Mobbing und Depressionen. Wenn Bedenken bestehen, dass dich das Thema belasten könnte, überlege vorab, ob du den Artikel lesen möchtest.
Ungefähr jede:r sechste deutsche Schüler:in wird Opfer von Mobbing. Das kann fatale Folgen für die spätere Entwicklung haben und sogar psychische Erkrankungen begünstigen. Mechtild Schäfer ist Psychologie-Professorin an der Ludwigs-Maximilians-Universität in München und betreibt auf dem Gebiet Grundlagenforschung. Im Interview mit ze.tt erklärt sie, was Mobbing bei den Betroffenen auslösen kann und welche Langzeitfolgen dadurch drohen.
Mobbing torpediert das Selbstwertgefühl
Laut dem unabhängigen Verein „Zeichen gegen Mobbing“ ist Mobbing in der Sozialforschung noch verhältnismäßig jung. Deshalb gebe es auch noch keine einheitliche Definition für Mobbing. Generell werde Mobbing demnach als eine oder mehrere Formen von Gewalt zwischen Personen beschrieben. Laut dem Verein spielen vier Merkmale beim Mobbing eine zentrale Rolle: Kräfteungleichgewicht, Häufigkeit, Dauer und Hilflosigkeit.
Psychologie-Professorin Schäfer definiert im ze.tt-Interview Mobbing wie folgt: „Wenn sich eine Gruppe gegen eine Person verschwört und diese gezielt ausgrenzt“, wobei sie Mobbing nicht als soziale Ablehnung verstanden haben möchte.
Was Mobbing so gefährlich für die Opfer macht, weiß Schäfer durch ihre langjährige Forschung und ihre Tätigkeit als Dozentin. Sie erklärt, wer gemobbt werde, erfahre eine „Störung des Selbstwertgefühls“, da Menschen ihr Selbstwertgefühl mitunter aus dem sozialen Umfeld ziehen. Die durch Mobbing herbeigeführte Ablehnung „torpediert“ laut der Expertin jedoch dieses Selbstwertgefühl. Das kann für Betroffene belastende Folgen haben, wie Schäfer weiter ausführt.
„Eine selbsterfüllende Prophezeiung“
Weil Mobbing für viele Betroffene eine traumatische Erfahrung darstelle, seien Betroffene oft „hilflos“ und „skeptisch“ gegenüber zwischenmenschlichen Beziehungen: „Sie gehen negativ behaftet in soziale Interaktionen, haben Angst, dass etwas schiefgeht, was dann häufig auch passiert. Das ist eine selbsterfüllende Prophezeiung.“
Tatsächlich geht die Professorin davon aus, dass Mobbing-Erfahrungen auch verantwortlich für psychische Erkrankungen im Erwachsenenalter sein können. Besonders die Form von psychischen Erkrankungen, die durch das Umfeld bestimmt würden, drohten unter den „richtigen“ Voraussetzungen häufiger aufzutreten. Als bekannte Beispiele nennt Schäfer Depression und Shizophrenie, wobei sie auch betont, dass die Forschung in diesem Bereich sich nicht des wissenschaftlichen „Goldstandards“ bedienen könne, sondern auf Berichte und Fragebögen Betroffener zurückgreifen müsse.
Eine Paper der University of Nebraska nennt eine ganze Liste von psycho-sozialen Folgen für Betroffene von Mobbing, darunter das Aneignen maskuliner Charakterzüge, Einsamkeit, und ein höheres Suizid-Risiko.
Allerdings gebe es, so Schäfer, auch eine Reihe von Studien, die zeigten, dass gemobbte Menschen im Erwachsenenalter Beziehungen ohne gravierende Folgeerscheinungen führen könnten. Schäfer argumentiert dennoch, dass sich die Erfahrung, für die junge Menschen häufig keine Erklärung hätten, auf zukünftige Beziehungen auswirke: „Die Anzahl an Freundschaften ist oft geringer, dafür allerdings intensiver. Aber die Schwierigkeit, diese aufrechtzuerhalten, gibt es für Betroffene“, erklärt Schäfer.
Hilfe bei Mobbing und Depressionen
Hinweis: Wer sich psychisch belastet fühlt, kann etwa bei der Telefonseelsorge Hilfe finden: Unter der Telefonnummer: 0800/1110111 oder 0800/1110222. Alternativ gibt es ein Chat-Angebot unter: online.telefonseelsorge.de
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