Es klingt skurril: Ein Wissenschaftler will Mammuts wiederbeleben. Ist er damit erfolgreich, hätte das auch Auswirkungen auf unsere Umwelt und das Klima.
Zunächst erinnert es an Jurassic Park und Dr. Frankenstein, was der Harvard Genetiker George Church vorhat: Er will das vor Jahrtausenden ausgestorbene Wollmammut wieder auferstehen lassen. Genauer gesagt möchte Church – gemeinsam mit einem Genetik Start-up – die Eiszeit-Riesen mittels alter Mammut-DNA, heute lebenden Elefanten und Labortechnik wieder zu neuem Leben erwecken. Anfangs sollen die Mammuts im Labor gezüchtet und anschließend in der freien Natur ausgewildert werden.
Gemeinsam mit dem Unternehmer Ben Lamm stellte der Wissenschaftler George Church das Projekt der Öffentlichkeit vor. Für die Finanzierung sorgt die eigens gegründete Firma Colossal, die bereits umgerechnet etwa 13 Millionen Euro von Investor:innen eingesammelt hat. Dem Standard gegenüber äußerte sich Lamm auch zuversichtlich: „Wir hoffen, dass das erste Kalb in vier bis sechs Jahren zur Welt kommen wird.“
„Mammufant“ aus dem Labor
Die Züchtung von Mammuts im Labor ist heute theoretisch (und vielleicht bald auch praktisch) möglich, obwohl diese bereits seit etwa 4000 Jahren ausgestorben sind. Der Grund: Schon im Jahr 2008 rekonstruierten Wissenschaftler:innen 70 Prozent der DNA eines Wollhaarmammuts. Seitdem wurde die Erbinformation nach und nach weiter vervollständigt.
Anhand von DNA-Analysen lassen sich Unterschiede zwischen heute lebenden Elefanten und den ausgestorbenen Mammuts identifizieren. Der Asiatische Elefant verfügt zum Beispiel über Erbgut, das zu 99,6 Prozent dem früherer Mammuts gleicht. Dennoch ist ein vorrangiges Ziel der Wissenschaftler:innen, „die Mammut-Gene zurückzubringen“. George Church, der als Molekularbiologe eine Doppelprofessur an den renommierten Universitäten in Harvard und Massachusetts (MIT) inne hat, ist erfahren in der Erforschung von Erbgut. Einst war er Mitinitiator des Human Genome Project, das daran arbeitete, das menschliche Erbgut zu entschlüsseln.
Das Team um Church erforscht die Besonderheiten der Mammut-Gene. Davon sollen etwa 60 in direktem Zusammenhang mit der Kälteresistenz und den äußeren Merkmalen der wolligen Mammuts stehen. Bis es jedoch zum Klonen eines Mammuts kommen kann, fehlen noch Teile des Genmaterials. Deshalb möchte Church anfangs mittels molekularer Werkzeuge Mammutgene in Elefanten einbauen, zum Beispiel durch das sogenannte CRISPR-Verfahren und „Gen-Scheren“. Das Ergebnis wären hybride Mischwesen: „Mammufanten“.
Der Harvard-Genetiker George Church forscht schon seit Mitte der 2000er Jahre an dem Projekt. Die größte Herausforderung sei immer die Finanzierung gewesen, erklärte er gegenüber Business Insider. Mit rund 100.000 US-Dollar hat auch Risikokapitalgeber Peter Thiel die Arbeit unterstützt. Thiel ist gebürtiger Deutscher, Multimilliardär, und eine politisch einflussreiche, aber umstrittene, Figur. Vor kurzem gab er seine Vorstandsstelle beim Facebook-Konzern Meta auf, um laut SZ die Agenda der Republikaner und des ehemaligen Präsidenten Donald Trump bei den Zwischenwahlen 2022 unterstützen.
Mehr zu Genome Editing und CRISPR erfährst du in unserem Beitrag: Genome Editing: Nicht nachweisbare Gentechnik?
Mammuts als Klimaschützer?
Mammufanten zu schaffen ist nicht nur zum Selbstzweck, meinen zumindest Church und Lamm. Die Initiatoren des Projekts behaupten, dass dieses großes Potenzial für den Arten- und Klimaschutz habe. Zum einen könne die eingesetzte Methode, auch bei Spezies angewandt werden, die derzeit vom Aussterben bedroht sind. Zum anderen könne der Lebensraum bedrohter Elefanten sich vergrößern, da diese (dank Mammutgenen) besser gegen Kälte gewappnet und somit in nahezu unbewohnten Gegenden überlebensfähig wären. Mammut-DNA könne so die Zukunft gefährdeter Elefanten sichern.
Dabei können die Elefanten selbst einen Beitrag zum Erhalt des Ökosystems leisten. Church zufolge können umherstreifende Herden das Auftauen des Permafrostbodens verlangsamen, zum Beispiel in der Arktis. Klimaschädliche Gase würden so weniger oder gar nicht freigesetzt, die andernfalls durch das Auftauen vom Boden entweichen.
Studie: CO2-Speicher und Biodiversität können erhalten werden
In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Global Change Biology erschienen Studie kommen die Wissenschaftler:innen zu dem Schluss: „Arten und ihre Lebensräume tragen dazu bei, das Klima zu regulieren.“ Dabei gehen die Studienleiter:innen davon aus, dass Naturschutzmaßnahmen zum Erhalt biologischer Vielfalt zugleich den anthropogenen Klimawandel verlangsamen können.
Ein weiteres Ergebnis der Studie: Permafrostböden in der Arktis und in hohen Gebirgsregionen enthalten etwa doppelt so viel Kohlenstoff wie die Atmosphäre und viermal so viel, wie die Menschheit zwischen 1960 und 2019 ausgestoßen hat. Um nicht mehr CO2 auszustoßen und das CO2 in der arktischen Tundra möglichst im Boden zu belassen, sei dieser Lebensraum laut Studie zu schützen. Der Erhalt der Biodiversität ist dabei ein positiver Nebeneffekt.
Einige Biolog:innen nehmen an, dass sich die arktische Tundra durch die Wiederbesiedelung mit großen Pflanzenfressern zurück zu dem entwickeln könnte, was sie einst war: ausgedehntes Grasland. Heute zeichnet sich die Gegend eher durch Moos und durch Erosion sowie tauende Böden aus. Ob die Mammutelefanten tatsächlich einen positiven Effekt auf die Böden ausüben, ist umstritten. Ebenso ist fraglich, ob die Auswilderung sinnvoll ist oder wer entscheidet, wo diese Herden leben sollen.
Artenvielfalt bewahren – mit allen Mitteln?
Ursprünglich planten Church und sein Team, die Hybridembryonen in weibliche Elefanten einzusetzen und diese von den Kühen austragen zu lassen – wie bei Leihmüttern. Doch die Idee wurde aufgrund der möglichen Risiken für die Elefanten wieder verworfen.
Inzwischen experimentieren die Wissenschaftler:innen mit einer künstlichen Gebärmutter, in der die Embryonen heranwachsen sollen. Erste Versuche mit Mäusen und Lämmern zeigten in der Vergangenheit Erfolge. Für einen Elefanten oder ein Mammut müsste die künstliche Gebärmutter einen bis zu 100 Kilogramm schweren Fötus für etwa zwei Jahre beherbergen. Zunächst wirkt das unmöglich, doch der Wissenschaftler Church spricht bereits von großen Fortschritten.
Utopia meint: Es scheint absurd, auf welche Mittel wir zurückgreifen müssen, um Artenschutz und Klimaschutz zu betreiben. Dabei sei aber auch gesagt, dass wir es uns nicht erlauben können, Dinge unversucht zu lassen. Oder doch? Gerade Genmanipulation und die Wiedereinführung bereits ausgestorbener Arten wirft viele Fragen auf – auch ethische. Dürfen wir auf diese Weise „in die Natur eingreifen“ und wer hat die Entscheidungsmacht? Weniger umstritten und fragwürdig ist: Artenschutz ist wichtig! Nicht zuletzt für den Erhalt des ökologischen Gleichgewichts oder um das Klima zu schützen.
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