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Heizhammer und E-Auto-Mythen: Sabotiert BILD gezielt die Energiewende?

Simplicissimus: Sabotiert BILD die Energiewende?
Screenshot: Simplicissimus / YouTube, Bild: KI-generiert / Open AI

Von „absurd“ bis „alarmistisch“: Ein neues Video des YouTube-Kanals Simplicissimus analysiert, wie die Bild-Zeitung über Klima und Energiewende schreibt. Das Urteil: Die Zeitung schüre aktiv Vorbehalte gegen Klimaschutz – aus geschäftlichem Kalkül?

Der YouTube-Kanal Simplicissimus widmet sich in kritischen Videoessays aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Mit beinahe zwei Millionen Abonnent:innen und einer großen Social-Media-Followerschaft gehört er zu den erfolgreichsten deutschen Videoredaktionen.

„Ein beunruhigendes Muster“ haben die Journalist:innen nun festgestellt, als sie sich für das neueste Simplicissimus-Video („Wie BILD die Energiewende sabotiert“) die Klima-Berichterstattung der Bild-Zeitung angesehen haben. Bei der größten deutschen Tageszeitung werde gezielt gegen Klimaschutztechnologien angeschrieben. Als besonders drastische Beispiele nennt das Video Elektromobilität und die Wärmepumpe.

Der Streit um das Auto: Verbrenner-Aus, E-Autos und E-Fuels

Der Verkehrssektor hinkt den europäischen Klimazielen hinterher. Die EU hat deshalb 2023 beschlossen, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen – das viel zitierte “Verbrenner-Aus”.

Die Bild scheint sich der Simplicissimus-Recherche zufolge aber nicht vom Verbrenner verabschieden zu wollen. Sie positioniert sich pro Verbrenner und contra Elektromobilität.

„Vielleicht hat auch die Bild ihren Anteil daran, dass E-Autos bei den Deutschen einfach nicht so richtig ankommen,“ heißt es im Video. Denn die Bild veröffentlicht gerne etwa Warnungen vermeintlicher Experten – denen allerdings teils Lobbyismus vorgeworfen wird –, stellt E-Autos als ineffizient und dreckig dar und schürt Ängste vor E-Auto-Bränden und mangelnder Reichweite.

Dabei geben die Daten das laut der Recherche nicht her: Das Brandrisiko sei nicht höher als bei Verbrennermotoren und die Reichweite sei mit durchschnittlichen 400 Kilometern um ein zehnfaches höher als die typische tägliche Strecke der Menschen in Deutschland.

Im Einklang mit der FDP macht sich die E-Auto-kritische Bild für E-Fuels als Zukunftsoption stark. Diese gelten allerdings als äußerst ineffizient, knapp und teuer. Für „eine Sackgasse“ hält sie deshalb der Wissenschafts-YouTuber Doctor Whatson, der im Video zu Wort kommt.

Christian Stöcker, Wissenschaftsjournalist und Professor für digitale Kommunikation an der HAW Hamburg sagt:

„Man kann davon ausgehen dass, wenn es irgendetwas gibt, was sich instrumentalisieren lässt, um Stimmung gegen E-Autos zu machen, egal ob das jetzt stimmt oder nicht, […] die Bild das mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgreifen wird.“

Der “Heizhammer”: Kampf gegen die Wärmepumpe

Auch der Gebäudesektor verursacht nach wie vor zu hohe klimaschädliche Emissionen. Deshalb arbeitete das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium Anfang 2023 an einer Änderung des Gebäudeenergiegesetzes. Ein Referentenentwurf wurde der Bild zugespielt. Schnell startete die Zeitung eine “äußerst emotionale und bis heute nachwirkende Debatte“, wie es im Video heißt. Die Bild habe den Entwurf dabei verzerrt dargestellt – und den Kampfbegriff „Heizhammer“ geprägt. Dabei habe es sich eindeutig um eine Kampagne gehandelt, so Stöcker.

Schnell seien zwei “Übeltäter” ausgemacht worden: Wirtschaftsminister Robert Habeck und die Wärmepumpen. Die Berichterstattung sei immer reißerischer und bedrohlicher geworden, etwa mit Überschriften wie “Heizhammer ist eine Atombombe für unser Land”.

Es wurde der Eindruck vermittelt, es handele sich um einen „politischen Kampf“, erklärt Marek Miara, Wissenschaftler am Fraunhofer Institut ISE. Die Bild erweckte durch ihre Titel den Eindruck, die Umrüstung auf Wärmepumpen werde extrem teuer, da erst Vollsanierungen nötig seien – “definitiv falsch”, so Miara im Simplicissimus-Video. Untersuchungen zeigten, dass Wärmepumpen auch in vielen teil- oder unsanierten Häusern zufriedenstellend liefen.

Die Reform des Gebäudeenergiegesetzes wurde schließlich in deutlich abgeschwächter Form verabschiedet. Die langwierige, durch Bild befeuerte Debatte und die daraus resultierende Verunsicherung führten zu einem Einbruch der Wärmepumpenverkäufe 2024. Sowohl Miara als auch Stöcker glauben, die verzerrende Berichterstattung der Bild habe einen bedeutsamen Anteil an der zögerlichen Entwicklung der Wärmewende gehabt.

„Passt zur Eigentümerstruktur“: Was sind die Motive hinter der Bild-Berichterstattung?

Simplicissimus erkennt bei der Bild-Zeitung eine Nähe zu, „New Climate Denial“. Dabei wird nicht der menschengemachte Klimawandel als solcher geleugnet, sondern die Wirksamkeit oder Wirtschaftlichkeit der Maßnahmen dagegen.

„Wir erkennen bei der Bild-Zeitung, dass sie aktiv gegen alles agitiert, was fossile Geschäftsmodelle in Gefahr bringen könnte.“

Wissenschaftsjournalist Christian Stöcker

Das passe zur Eigentümerstruktur des Axel-Springer-Verlags. Da ist zum einen Matthias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel-Springer-Verlags, der BILD und WELT herausgibt. Döpfner soll sich in Chatnachrichten positiv über den Klimawandel geäußert haben (“nicht bekämpfen, sondern uns darauf einstellen”) und versucht haben, die Berichterstattung zugunsten der FDP zu beeinflussen – also jener Partei, die sich für E-Fuels und gegen das Heizungsgesetz einsetzte.

Der Springer-Hauptaktionär KKR ist zum anderen gleichzeitig ein wichtiger Investor in fossile Brennstoffe. Dass KKR und der Axel-Springer-Verlag Einfluss auf die Berichterstattung der Bild nehmen, bestreitet man dort. Die Macher:innen des Simplicissimus-Videos und Christian Stöcker halten es dennoch für wahrscheinlich.

Springer-Journalist:innen berichten anonym, dass Artikel mit bestimmtem Drehs verlangt würden. Eine anonyme Quelle habe ausgesagt, dass die Bild weiterhin “wissenschaftlichen Bullshit“ verbreiten würde, „solange es sich lohnt und klickt”.

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