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Ist Laborfleisch ungesund? Das sagt eine Forscherin

Laborfleisch, Clean Meat
Foto: Colourbox.de

Fleisch aus dem Labor soll umweltfreundlicher als geschlachtetes Fleisch sein – und fast ohne Tierleid erzeugt werden. Allerdings ist es bislang noch fast nirgendwo zugelassen. Eine Forscherin erklärt, welche Herausforderungen Fleisch aus Zellkulturen mit sich bringt, und was man bislang über die gesundheitlichen Aspekte weiß.

Steak und Schnitzel aus der Petrischale gelten als Fleisch der Zukunft. Geläufig ist es auch als Laborfleisch, oder „Clean Meat“, das im Vergleich zu konventionellem Fleisch weniger Tierleid mit sich bringt. Denn es besteht aus Zellen, die in einer Nährlösung herangezüchtet werden. Weltweit wird an der Kultivierung geforscht; Unternehmen wittern ein Milliardengeschäft, da das In-Vitro-Fleisch wie herkömmliches schmecken soll – und dadurch Fleischkonsument:innen überzeugen kann. Im Interview mit der Welt spricht eine Laborfleisch-Forscherin über die tierethischen sowie gesundheitlichen Aspekte der Innovation.

Petra Kluger ist Professorin an der Hochschule Reutlingen. Ihr gehe es, wie sie im Interview erklärt, zum einen um das Tierwohl. Ganz ohne Tiere kommt Fleisch aus der Petrischale jedoch nicht aus. Auch Kluger benötigt für ihre Forschung lebende Fleischzellen. „Anfangs hat ein Doktorand Fleisch aus einem großen Schlachthof geholt. Doch es stellte sich heraus, dass sich Fleisch vom Biometzger, der selbst schlachtet, für unsere Zwecke besser eignet. Bei der Qualität der Zellen gibt es große Unterschiede“, erklärt die Wissenschaftlerin. Tiere, die Angststress erlebt hätten, hätten demnach qualitativ schlechtere Fleischzellen. Kluger selbst ist seit kurzem Vegetarierin.

„Weniger Fleischkonsum ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz“

Zum anderen sei ihr bewusst, „dass weniger Fleischkonsum auch ein Beitrag zum Klimaschutz ist“. Schließlich steht fest: Für Laborfleisch braucht es weniger Tiere, die etwa klimaschädliche Treibhausgase wie Methan ausstoßen, als für konventionelles Fleisch. Wie viel, dürfte vom technologischen Fortschritt der jeweiligen Unternehmen abhängig sein, die aktuell an „Clean Meat“ arbeiten.

In einem Welt-Gespräch 2019 sagte Laura Gertenbach, Gründerin und CEO der deutschen Firma „Innocent Meat“, dass aus den Stammzellen einer Kuh „rund 90 Jahre lang mehrere Tonnen Fleisch“ gezüchtet werden können. Allerdings wird die Nährflüssigkeit, in der das Fleisch heranwächst, zumeist aus dem Blut ungeborener Kälber gewonnen. Da das „keine ethisch akzeptable Lösung sei“, wie Professorin Kluger sagt, müsse weiter geforscht werden.

Klugers Arbeit besteht unter anderem darin, Steaks aus dem 3D-Drucker zu fertigen – räumt aber ein: „Bis die Qualität von Laborfleisch da mithalten kann, wird es noch etwas dauern.“ Auch an Füllungen für Ravioli würden sie und ihr Team arbeiten. Obgleich das bereits Stand der Technik ist, sei die Skalierung des Produkts – sprich die Herstellung in großem Maßstab – eine Herausforderung.

Chicken Nuggets aus der Petrischale bereits in Singapur zugelassen

„Es reicht nicht, drei Ravioli pro Tag herstellen zu können – es müssten Tausende sein. Zudem sind aufwendige Zulassungsverfahren zu durchlaufen, bevor die Produkte in den Markt gebracht werden dürfen“, so die Expertin. Einzig in Singapur wurde 2020 erstmals ein Fleischprodukt zum Verkauf zugelassen, das nicht von geschlachteten Tieren stammt. Es handelt sich um Chicken Nuggets.

Wie gesund ist Laborfleisch?

Neben tierethischen Problemen und der Hürde der Skalierbarkeit, ist zudem offen, welche gesundheitlichen Aspekte Laborfleisch mit sich bringt. Der häufige Konsum von rotem Fleisch erhöht Studien zufolge das Darmkrebsrisiko. Auf die Frage, ob Fleisch aus der Petrischale ungesünder sein könnte, sagt Kluger: „Ich halte es für wahrscheinlicher, dass es gesünder ist. Doch bislang weiß man das eben nicht. Denkbar ist auch, dass man Laborfleisch so designt, dass es bestimmte positive Eigenschaften hat oder für bestimmte Zielgruppen optimiert ist – etwa für Sportler, ältere Menschen oder Schwangere.“

Zudem bestehe die Möglichkeit, gesunde Omega-3-Fettsäuren dem Laborfleisch beizumengen. „In jedem Fall muss die Unbedenklichkeit des neuen Lebensmittels wissenschaftlich belegt werden“, betont die Expertin. Auch die Verbraucherzentrale hält fest: Da es keine validen Daten zum Gesundheitswert von In-Vitro-Fleisch gibt, müsste der Gesundheitswert „vor der Zulassung in der EU genauer überprüft werden – und zwar unabhängig von Herstellerstudien“.

Wie gut die Umweltbilanz ist, hängt auch von der Energiequelle ab

Für die industrielle Produktion des Laborfleischs benötigt es nach aktuellem Stand Bio-Reaktoren, die mehrere Tausend Liter Nährflüssigkeit umfassen, und in denen das Fleisch reifen kann. Wie klimafreundlich In-Vitro-Fleisch schlussendlich ist, hängt demnach auch von der Energiequelle ab, mit der die Reaktoren betrieben werden. Kohleverstromung zum Beispiel würde sich negativ auf die Umweltbilanz auswirken.

Kluger sagt hierzu: „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die industrielle Produktion bei der Emission von CO₂ und Methan günstiger sein wird. Ich denke, es ist extrem wichtig die Forschung in diesem Bereich auch in Deutschland zu fördern und zur Anwendungsreife bringen zu lassen. Dann wird man auch den Klimaaspekt besser beurteilen können.“

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