Deutschland will unabhängiger von russischem Öl und Gas werden. Dafür wird die Ausweitung der Ölförderung in der Nordsee in Betracht gezogen. Der Konzern Wintershall Dea steht dafür in der Kritik, bekommt nun aber offenbar politische Unterstützung in Schleswig-Holstein.
Umweltschützer:innen schlagen Alarm: Der Öl- und Gaskonzern Wintershall Dea hält eine Ausweitung seiner umstrittenen Ölförderung auf der Plattform Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer in wenigen Jahren für möglich. Das erklärte ein Konzernsprecher Anfang März der Deutschen Presse-Agentur. Für die Erschließung des südlichen Teils der Lagerstätte von der bestehenden Mittelplate seien Investitionen „von mehr als 100 Millionen Euro notwendig“, heißt es. Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die Schutzstation Wattenmeer und der WWF sehen darin eine Bedrohung der Natur – und ein falsches Signal in Sachen Klimaschutz, der den Ausbau Erneuerbarer Energien notwendig macht.
Deutschland brauche dieses Öl nicht, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner. Angesichts der Bemühungen, unabhängig von russischem Gas und Öl zu werden, denkt Schleswig-Holstein allerdings über eine Ausweitung der Ölförderung im Wattenmeer nach. Wie der Spiegel berichtet, soll das bislang von den Grünen geführte Umweltministerium unter Jan Philipp Albrecht die Pläne von Wintershall Dea befürworten.
Bemerkenswerte Haltung der Grünen
Demnach soll die noch amtierende Jamaika-Koalition in Kiel infolge des Angriffskriegs auf die Ukraine ein mögliches Öl-Embargo gegenüber Russland antizipiert haben. Am 11. März brachte sie den Antrag „Energieversorgung sichern – Erdölförderung befristet gestatten“ in den Landtag ein, um „die vorübergehende Erweiterung der Erdölförderung über die Plattform Mittelplate im Rahmen der bestehenden Regelungen zu unterstützen“. Als Ausgleich wolle man die Förderung von Kohlenwasserstoffen in Schleswig-Holstein befristen. Sie solle „im Gegenzug früher als 2041 beendet werden“. Ein genaues Enddatum wird jedoch nicht erwähnt.
Bemerkenswert ist die Auffassung der Grünen insofern, als dass sie bislang gegen die Öl-Bohrung im Wattenmeer waren. Der jetzige Bundesumweltminister und damalige Umweltminister von Schleswig-Holstein, Robert Habeck, erklärte 2013, dass klimaschädliche Energieträger abzulehnen und abzulösen seien. Die Zukunft von Schleswig-Holstein liege „in den Erneuerbaren, nicht in Kohle, Öl und Gas“, zitiert der Spiegel Habeck.
Auch der noch amtierende grüne Umweltminister Albrecht ließ dem Bericht zufolge vor zwei Jahren prüfen, ob eine Ausweitung der Ölförderung im Wattenmeer rechtswidrig ist. Alles deute rechtlich darauf hin, dass die „Argumente für eine Begrenzung der Ölbohrungen überwiegen“, hieß es in dem damaligen Gutachten, das dem Spiegel vorliegt.
Ölplattform liegt im Rastgebiet von Zugvögeln
Umweltschützer:innen sehen das noch immer so – und verweisen auf die anfällige Nationalparklandschaft, in dem die Erweiterung durch Wintershall Dea stattfinden würde. So liegt die Ölplattform laut WWF im Rastgebiet von jährlich Hunderttausenden von Zugvögeln.
Der Öl-Konzern selbst sieht laut Bericht kein Problem in der Erweiterung, schließlich handle es sich nicht um die Erschließung eines neuen Ölfelds oder um neue Fördertürme. Bis 2041 könnten durch die Erweiterung insgesamt zwei Millionen Tonnen Erdöl gefördert werden.
Von der Plattform Mittelplate aus wird seit 1987 Öl in der Nordsee gefördert. Die Förderbewilligung läuft bis Ende 2041. Wintershall Dea beantragte bereits 2019, auch im südlichen Teil der Lagerstätte Öl zu fördern. Die formale Dauer einer beantragten Bewilligung sind nach früheren Unternehmensangaben 50 Jahre. Auch im südlichen Teil solle aber nur bis Ende 2041 gefördert werden.
Inwiefern die am Sonntag abgehaltene Landtagswahl in Schleswig-Holstein etwas an der plötzlich unterstützenden Haltung der Landesregierung ändern wird, bleibt abzuwarten. Die CDU, die als Wahlsieger hervorging, will allerdings mit ihren bisherigen Koalitionspartnern Grüne und FDP Gespräche über die nächste Landesregierung führen.
Mit Material der dpa
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