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Maithink X zeigt Doppelmoral vieler Menschen auf

Maithink X führt uns Doppelmoral vor Augen
Screenshot: ZDF Mediathek / Maithink X

Gegen Tierversuche, aber Fleisch essen – für viele Menschen ist das die Einstellung. Die Wissenschaftlerin Mai Thi Nguyen-Kim schaut sich diesen Widerspruch genauer an. Und erklärt, inwieweit Tierversuche vernünftig und sinnvoll sind.

Mai Thi Nguyen-Kim spricht in der neusten Folge von Maithink X über „Mord und Totschlag“, wie sie selbst sagt. Es geht um den Nutzen und die Notwendigkeit von Tierversuchen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen Tierversuche, isst aber dennoch Fleisch. Diesen Widerspruch schaut sich die Wissenschaftlerin unter anderem in der aktuellen Ausgabe ihrer Sendung an.

Im Jahr 2019 wurden laut Nguyen-Kim 6,9 Millionen Tiere im deutschen Forschungsbetrieb verwendet. Darunter 2,2 Millionen Tiere direkt in der Forschung (in Vivo), weitere 700 Tausend, die für Zellen oder Gewebe gezüchtet wurden (in Vitro) und jene Tiere, die im Überschuss gezüchtet wurden.

Tierversuche nur für einen vernünftigen Grund?

Laut Tierschutzgesetz dürfen Tiere nur getötet werden, wenn es einen vernünftigen Grund gibt. Doch wie vernünftig sind Tierversuche? Um die Frage zu beantworten, führt Nguyen-Kim ein Gedankenexperiment durch, das sogenannte Footbridge-Szenario. Dabei sollen Proband:innen entscheiden, ob sie einen Menschen von einer Brücke und vor einen Zug schubsen würden, um fünf Menschen zu retten, die auf den Gleisen liegen. In Studien entscheiden sich laut der Wissenschaftlerin etwa die Hälfte der Menschen dafür, den außenstehenden Menschen zu opfern. Rechtlich gesehen, ist das bei Menschen verboten. Bei Tieren jedoch erlaubt, etwa in Tierversuchen.

Doch wenn die Menschen auf dem Gleis für Proband:innen einer Studie stehen, der Zug für Nebenwirkungen, sehen es viele Menschen als vernünftig an, Tiere in der Forschung einzusetzen, erklärt Nguyen-Kim. Wenn es aber um Mascara-Nutzer:innen und „Nicht ganz perfekt geschwungenen Wimpern“ geht, sei für viele Menschen das Opfern von Tieren nicht mehr in Ordnung. Der Zweck heiligt demnach für viele Menschen die Mittel.

Seit 2004 dürfen in Deutschland sowohl dekorative, als auch pflegende Kosmetika nicht mehr an Tieren getestet werden. Und seit 2013 darf Kosmetik, die an Tieren getestet wurde, in der gesamten EU nicht mehr verkauft werden.

Sind Tierversuche wissenschaftlicher Unsinn?

Peta, Bundesverband der Tierversuchsgegner und Ärzte gegen Tierversuche sprechen sich gegen Tierversuche aus. Letztere sind der Meinung: „Tierversuche sind grausam und wissenschaftlicher Unsinn“. Dabei muss laut Nguyen-Kim der Nutzen und die Notwendigkeit von Tierversuchen beleuchtet werden.

Was ist der Nutzen von Tierversuchen? Nicht alles, was an Mäusen beobachtet wird, funktioniere auch im Menschen. Aber dennoch können Nguyen-Kim zufolge Tierversuche auf dem Weg von der Grundlagenforschung hin zu einer potenziellen Anwendung „unverzichtbare Schritte darstellen“.

Tierversuche werden jedoch immer mehr durch tierfreie Versuche ersetzt, beispielsweise sogenannten Multiorganchips. Das sind kleine Chips, die ähnlich wie Zellen agieren. Mit mehreren von ihnen lassen sich dann beispielsweise Lungen nachbauen, an denen Medikamente untersucht werden können. Daher seien Tierversuche mittlerweile weniger notwendig. Dennoch brauche es laut Nguyen-Kim für die Entwicklung Versuche an Tieren.

Gegen Tierversuche sein, aber Tiere essen

Eine Umfrage bei Instagram unter Maithink X-Follower:innen zeigt die unterschiedliche Wahrnehmung der Menschen, wenn es um Tiere in Laboren im Vergleich zu Tieren auf den Tellern geht: 65 Prozent der Befragten sind gegen Tierversuche. Europaweit sprechen sich in einer repräsentativen Umfrage von Savanta ComRes im Auftrag von Ärzte gegen Tierversuche 66 Prozent der Befragten dafür aus, Tierversuche sofort zu beenden. Gleichzeitig essen laut Ernährungsreport des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft 92 Prozent der Deutschen Fleisch. Philosophen aber auch Tierschützer:innen bezeichnen diese Wahrnehmung mitunter als Doppelmoral.

Auch Nguyen-Kim zufolge sei das Verhältnis der Gesellschaft zu Tieren „seltsam“. Beispielsweise haben wir den Speziesismus. Das bedeutet, dass wir eine Spezies als wertvoller erachten als andere. Nguyen-Kim zitiert in der Sendung Studien, die zeigen, dass die Mehrheit der Befragten Menschen mehr Wert zusprechen als Tieren. Die einfache Ableitung daraus müsste dann sein, dass diese Menschen Tierversuche gut heißen. Schließlich könnten so Menschenleben gerettet werden.

Replace, Reduce, Refine

Dem ist aber nicht so. Laut Nguyen-Kim beruht die Ablehnung von Tierversuchen auf falschen Annahmen. Nämlich, dass Tierversuche grundsätzlich nutzlos und nicht notwendig seien. Der Wissenschaftlerin zufolge entspricht das aber nicht der Realität. Auch wenn abgewogen werden sollte, in welchen Fällen der Nutzen mit dem Leid und Tod von Tieren zu rechtfertigen sei.

Nguyen-Kim betont, dass weiter an Tierversuchen gearbeitet werden sollte: nach dem Prinzip: Replace (vermeiden), Reduce (verringern), Refine (verbessern). Das könne dazu führen, dass jedes vermeidbare Leid auch wirklich vermieden wird.

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