Die Folgen der Corona-Pandemie wirken sich auf die Behandlung von und Forschung zu Krebs aus. Eine neu gegründete Kommission schätzt eine Million unentdeckte Krebserkrankungen und stellt Forderungen.
Im Kampf gegen den Krebs könnte die Corona-Pandemie die Gesellschaft um Jahrzehnte zurückwerfen. Davon gehen Mediziner:innen aus. 47 Expert:innen haben sich zu einer neuen Kommission, der sogenannten „Lancet Oncology Commission“ zusammengeschlossen. In einem am Dienstag erschienene Bericht in dem dazugehörigen Fachmagazin heißt es, in den letzten Jahren könnten in Europa eine Million Krebsfälle unentdeckt geblieben sein.
„Wir befürchten, dass Europa im nächsten Jahrzehnt auf eine Krebsepidemie zusteuert, wenn den Gesundheitssystemen für Krebs und der Krebsforschung nicht dringend Priorität eingeräumt wird“, zitiert das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) den Kommissionsvorsitzenden, Mark Lawler von der Queen’s University Belfast.
Durch Corona: Operationen verschoben und Untersuchungen nicht wahrgenommen
Durch die hohe Auslastung der Krankenhäuser wurde dem Bericht zufolge jede:r zweite Erkrankte nicht rechtzeitig operiert oder chemotherapiert. Kapazitäts- und Bettenengpässe sorgten während der Corona-Pandemie dafür, dass Krankenhäuser planbare Operationen verschoben haben. Der ärztliche Direktor der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Ulm und Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) Thomas Seufferlein erklärt im Gespräch mit dem RND, dass weniger Patient:innen während der letzten zwei Jahre eine Krebsfrüherkennung wahrgenommen haben. Laut dem Experten seien das etwa 100 Millionen präventive Untersuchungen, die versäumt wurden. „Wir können im Moment noch nicht abschätzen, wie stark sich das auswirken wird“, sagte Seufferlein. „Aber es wird sich auswirken.“
Ebenfalls mussten manche Labore während der Pandemie schließen, wodurch sich klinische Studien verzögerten. Das wirkte sich auch auf die Krebsforschung aus.
Die Forderungen der Kommission
Laut der Kommission stehen für die Krebsforschung nicht genug Investitionen zur Verfügung. In Europa belief die Finanzierung in den Jahren 2010 bis 2019 auf 20 bis 22 Milliarden Euro, einem Anteil von 26 Euro pro Kopf. Die Kommission fordert eine Erhöhung des Budgets auf 50 Euro pro Kopf.
In dem Bericht stellt die Kommission insgesamt zwölf Forderungen auf. Unter anderem folgende:
- Ein ausgewogeneres Verhältnis der Geschlechter schaffen. Bisher liegt der Anteil an Frauen in der Krebsforschung bei 33 Prozent. Laut der Kommission müsse sich bis 2027 der Satz auf 45 Prozent erhöhen.
- In der Krebsforschung Großbritannien beteiligen. Trotz Brexit sollten das Vereinigte Königreich und Europa weiterhin zusammenarbeiten.
- Krebsforschung bis 2024 verdoppeln. In osteuropäischen Ländern werden den Expert:innen zufolge weniger geforscht als in den westeuropäischen. Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verschärfe momentan die Situation. Beide Länder gehören zu den weltweit größten Beitragszahlern zu klinischen Krebsforschungen. Durch den Krieg können einige Studien verschoben oder gar nicht durchgeführt werden, so die Expert:innen.
- Zertifizierte Krebszentren einrichten. Diese sollen zur Forschung und Therapie dienen. Bisher gibt es in Europa etwa 1.700 solcher Zentren.
- Einen „European Cancer Survivorship Research Plan“ erstellen. Solch ein Plan soll die Überlebenschance von Patient:innen steigern. Überall in Europa sollen Betroffene von Fortschritten in der Forschung profitieren.
- Ein Daten-Dashboard erstellen. Dadurch sollen Wissenschaftler:innen die Auswirkung der Corona-Pandemie auf Krebs genauer untersuchen.
Kommissionsvorsitzender Lawler sieht eine große Chance darin, die Krebsforschung neu zu gestalten. Die Vision der Kommission lautet: 70:35. Das bedeutet, dass bis 2035 70 Prozent der Krebspatient:innen in Europa eine 10-Jahres-Überlebensrate haben.
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