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Panikmache? Nein, die Klimakrise höhlt unseren Wohlstand aus

Von wegen Panikmache: Der Krisenmodus ist unsere neue Normalität
Foto: Unsplash / Mika Baumeister

Hitze, Trockenheit, Wassermangel: Deutschland bekommt mit voller Wucht die Klimakrise zu spüren, die das Fundament der Wohlstandsgesellschaften aushöhlt. Wer da noch von Panikmache spricht, versteht nicht, was auf dem Spiel steht.

Mitten in Europa haben mehr als 100 Kommunen kein Trinkwasser mehr. Die Nachricht stammt aus Frankreich: Weil dort die Kanalisation mancherorts leer ist, muss Wasser mit Lastern gebracht werden. Deutschlands Nachbarland leidet derzeit unter der schlimmsten Trockenheit, die es jemals verzeichnet hat. Der EU-Klimawandeldienst Copernicus teilte am Montag mit, dass der vergangene Juli mit seinen extremen Hitzewellen weltweit einer der drei wärmsten seit Beginn der Aufzeichnungen gewesen ist.

Was für 771 Millionen Menschen weltweit bitterer Alltag ist, holt nun auch die Wohlstandsgesellschaften ein: das Ringen um die Grundversorgung mit einer lebensnotwendigen Ressource. Der feine Unterschied: Während einigen Regionen des globalen Südens erst gar nicht das Privileg der Trinkwasserversorgung zuteil wurde, höhlt die Klimakrise sukzessiv das Fundament reicher Staaten aus. Dabei ist eine gefährdete Wasserversorgung aufgrund extremer Trockenheit nur ein Aspekt.

Schon längst warnen Klimaforscher:innen, Aktivist:innen und Ökonom:innen davor, dass die wirtschaftlichen Konsequenzen von Dürreperioden, Hitzewellen oder Überschwemmungen die Kosten für effektive klimapolitische Maßnahmen übersteigen werden.  

Die Klimakrise droht nicht – wir sind mittendrin

Kurzum: Die Industrienationen, die durch ihre enormen Treibhausgasemissionen die Erderwärmung Jahrzehnte lang sprichwörtlich befeuert haben, bekommen nun selbst die Auswirkungen ihres Tuns zu spüren – obgleich die Klimakrise den globalen Süden überproportional stark trifft.

Was in den einzelnen Ländern Europas passiert, sollte Beleg genug sein, dass uns negative Folgen der Erderwärmung nicht bloß drohen, sondern, dass wir uns bereits inmitten der Krise befinden. Ihre Konsequenzen sind unsere neue Normalität – weswegen dringend Treibhausgase reduziert werden müssen, etwa durch den zügigen Ausbau Erneuerbarer Energien und klimafreundlicher Antriebstechnologien. Wer das noch als Panikmache abtut, hat nicht verstanden, was auf dem Spiel steht.

Folgen in Europa – ein Überblick:

In Frankreich erklärte der Umweltminister Christophe Béchu, es gebe derzeit mehr als 100 Kommunen ohne Trinkwasser. Große Teile des Festlands leiden unter Trockenheit. Je nach Schwere gelten unterschiedliche Einschränkungen der Wassernutzung – etwa beim Bewässern. Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne rief die Bevölkerung auf, Wasser sparsam zu nutzen. Béchu mahnte, man müsse sich an Trockenperioden wie die jetzige gewöhnen. Er versicherte aber auch, je angespannter die Lage sei, desto stärker werde man priorisieren, dass Wasser zum Trinken bereit stünde, statt etwa für die Industrie.

Anhaltende Trockenheit plagt auch die Niederlande. Hier herrscht nun offiziell Wassermangel – die Regierung hat einen Notfallplan in Gang gesetzt. Künftig werde ein zentrales Krisenteam die Wasservorräte verteilen. Dabei habe die Sicherheit der Deiche und Naturschutz Priorität, teilte der zuständige Minister für Infrastruktur und Wasserwirtschaft, Mark Harbers, mit. Wenn die Trockenheit weiter anhalte, würden einschneidende Maßnahmen ergriffen. Der Minister versicherte, dass es ausreichend Trinkwasser gebe. Allerdings laufen die Deiche aufgrund der Trockenheit Gefahr, instabil zu werden. Knapp 60 Prozent der Niederlande wird von Deichen, Dämmen und Dünen geschützt. Etwa 30 Prozent des Landes liegt unter dem Meeresspiegel und wird durch Deiche und ein ausgeklügeltes System von Pumpen, Kanälen und Mühlen trockengehalten.

„40 Grad in Deutschland werden zur Regel“

Im Nachbarland Belgien wurde der trockenste Juli seit 1885 prognostiziert, berichtet der Guardian. Demnach soll der Grundwasserpegel in Flandern so niedrig sein, dass Moore, beziehungsweise Torflandschaften austrocknen. Sie sind wichtige Kohlenstoffspeicher. Auch Wildtiere sind laut Bericht dadurch in Gefahr.

Deutschland ächzte zuletzt unter großer Hitze. Laut dem Deutschen Wetterdienst wurden mancherorts mehr als 40 Grad gemessen, etwa in Hamburg und Baden-Württemberg. Vom Deutschland-Rekord ist das zwar noch etwas entfernt – am 25. Juli 2019 waren in Nordrhein-Westfalen 41,2 Grad ermittelt worden – jedoch ist es in einigen Regionen insgesamt viel zu trocken. Trotz Regen, der nach der Hitze folgte. Im Rhein, einem der wichtigsten Transportwege für Güter, sank durch die extremen Temperaturen der Wasserstand. Das behindert die Schifffahrt, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete. Umweltforscher vom Helmholtz-Zentrum in Leipzig sind sich sicher: „Bei Hitze ist klar, dass es so weitergeht wie in den letzten Jahren.“ In allen Modellen werde es wärmer, in manchen gar extrem heiß. „40 Grad in Deutschland werden zur Regel“, verdeutlicht Peter Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. „Heutige Extremjahre mit 20 Hitzetagen werden Durchschnittssommer zum Ende des Jahrhunderts, wenn wir in den kommenden Jahren nicht massiv gegensteuern.“

In Italien wurde Anfang Juli in fünf Regionen der Dürre-Notstand ausgerufen. Bis zum 31. Dezember dieses Jahres gilt demnach in der Lombardei, dem Piemont, der Emilia-Romagna, Venetien sowie Friaul-Julisch Venetien aufgrund von Wassermangel der Notstand. Damit kann die Regierung einfacher Gelder und Hilfsmittel zur Bekämpfung der Folgen frei machen. Vor allem Norditalien erlebt eine heftige Trockenheit. Große Seen wie etwa der Gardasee führen deutlich weniger Wasser als normalerweise zu dieser Jahreszeit. Der Wasserstand im Fluss Po – der längste Strom Italiens – ging so weit zurück, dass an der Meermündung Salzwasser kilometerweit in das Flussbett drang. Der Pegel ist an manchen Stellen so niedrig wie seit 70 Jahren nicht mehr. Städte wie Pisa und Verona schränkten unlängst die Wassernutzung ein. Venedig und Mailand drehten einen Teil der Brunnen ab.

Spanien: Verheerendstes Waldbrand-Jahr seit Beginn der Erfassungen

2022 ist für Spanien bereits das verheerendste Waldbrand-Jahr seit Beginn der Erfassungen. In den ersten knapp sieben Monaten des Jahres zerstörten die Flammen rund 200.000 Hektar. Diese knapp 2000 Quadratkilometer entsprechen etwa 80 Prozent der Fläche des Saarlandes. Im Zusammenspiel mit einer seit Monaten anhaltenden Dürre und starken Winden hatte die dortige Hitzewelle nach Angaben des Wetterdienstes Aemet den Ausbruch und die Ausbreitung vieler Brände begünstigt. Wie der Guardian berichtet, wurden örtliche Beschränkungen zur Wassernutzung verhängt. Auch Portugal, Kroatien und Griechenland meldeten mehrere Waldbrände.

Ist der Klimawandel schuld an extremen Wetterphänomenen? Einzelne Wetterphänomene sind nicht auf den Klimawandel zurückzuführen. Wo sich die Expert:innen jedoch einig sind: Extreme Wetterlagen – wie etwa Hitzewellen, mangelnder Regen oder Dürreperioden – verstärken sich durch den Klimawandel künftig und werden an Häufigkeit deutlich zunehmen. Grund genug, endlich in großem Maßstab zu handeln, um die negativen Folgen zumindest zu begrenzen.

Mit Material der dpa

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