Wie sieht das Reisen der Zukunft aus? Für Tourismusforscher Wolfgang Günther muss es nachhaltiger werden – schließlich hole der Klimawandel und seine Folgen alle Menschen ein. Gleichzeitig hat er Verständnis für die Menschen, die bislang konventionellen Urlaub bevorzugen.
Im Sommer plagte eine Rekord-Hitze Deutschland und Europa, während sich der Frust über zu wenig Klimaschutz in bundesweiten Protestaktionen der Letzten Generation entlud. Und trotz der voranschreitenden Klimakrise achten die Menschen in Deutschland kaum auf umweltbewusstes Reisen. Der Spiegel hat darüber mit dem Tourismusforscher Wolfgang Günther gesprochen. Er sagt: Reisen, wie es viele Menschen bislang kennen, muss teurer werden.
Zwar erklärt Günther, dass der Wunsch, umwelt- und/oder sozialverträglicher zu reisen, bei den Bürger:innen gewachsen ist – auf 68 Prozent im Vergleich zu 56 Prozent im Jahr 2019. Allerdings sei das Thema Nachhaltigkeit beim Urlaub bisher nicht so wichtig, dass die Menschen ihre „Reiseentscheidung komplett danach ausrichten“. Aktuell würden sich nämlich vorwiegend diejenigen für ökologischeres Reisen entscheiden, die „positiv eingestellt sind zur Nachhaltigkeit“.
„Oder andersherum: Reisen, die nicht so umweltfreundlich sind, belasten“
Günther sieht einen Hebel für ökologisches Reisen in ordnungsrechtlichen, finanztechnischen und steuerrechtlichen Instrumenten. Heißt konkret: Eine höhere CO2-Bepreisung, sowie die gezielte Förderung von Anbietern nachhaltigerer Urlaubsangebote. „Oder andersherum: Reisen, die nicht so umweltfreundlich sind, belasten.“
Um Umkehrschluss würde das bedeuten, dass umweltschädliches – sprich mehrheitlich konventionelles – Reisen teurer werden würde. Für Günther eine Chance, wie er erklärt: „Wenn das umweltfreundliche Reisen irgendwann günstiger ist als das weniger umweltfreundliche, dann werden sich sehr viel mehr Menschen dafür entscheiden.“
Gleichzeitig bergen höhere Preise die Gefahr, Menschen mit weniger Budget zu benachteiligen. Günther zufolge ist das jedoch nur bedingt ein Argument. „Wir haben wohl ein Grundrecht auf Freiheit, aber nicht auf jährliche Fernreisen. Trotzdem: Nur weil wir eine soziale Disparität haben in der Gesellschaft und es zu viele gibt, die zu wenig überhaben fürs Reisen, können wir nicht sagen: Gut, dann legen wir die Klimaziele beiseite“, führt der Tourismusforscher aus. Schließlich holten Klimaschäden alle Menschen ein.
„Am Ende kommt es auf den gesamten Entscheidungsrahmen an“
Günther hat jedoch, wie er sagt, „Verständnis“ für Reisende, die sich für die weniger umweltfreundliche Variante entscheiden. Der Grund: Nachhaltiges Reisen sei noch nicht besonders attraktiv. Das hängt neben der Preise laut dem Forscher auch von einer besseren Auffindbarkeit solcher Angebote ab. „Und auch Transparenz hinsichtlich des Umweltverbrauchs ist ein wichtiges Stichwort. Wissen Sie, wie der CO₂-Fußabdruck Ihrer letzten Reise war?“ Die Initiative Futouris etwa plant mit ihrem Verein Klimalink einen Fußabdruck-Rechner zu entwickeln.
Obgleich Günther an ein gemeinschaftliches Verantwortungsbewusstsein beim Reisen plädiert, erkennt er das individuelle Reisebedürfnis der Menschen an, die nicht an die immer gleichen Orte reisen wollen, nur weil dies ökologischer sein könnte. „Am Ende kommt es auf den gesamten Entscheidungsrahmen an. Er müsste so beschaffen sein, dass es letztlich einfach attraktiver ist, nachhaltig zu reisen.“
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