Menschen sind gemeinhin entweder Single oder vergeben – die meisten in einer heterosexuellen Zweierbeziehung. Doch immer mehr Menschen wählen andere Beziehungsformen: bisexuelle Dreierbeziehungen, offene Ehen oder die „freie Liebe“. In einer Dokureihe kommen sie zu Wort und Expert:innen erklären die Hintergründe.
Kann die Liebe ewig halten? Wie schlimm ist ein Seitensprung? Funktioniert eine Liebesbeziehung auch zu dritt? Diese und andere Fragen erkundet die Arte-Dokureihe „Wie wollen wir lieben?“, die bis Mai in der Mediathek verfügbar sein wird. Expert:innen kommen zu Wort und nehmen alternative Beziehungsformen wie Polyamorie unter die Lupe, und erklären, warum so viele Menschen weiterhin an der klassischen Monogamie festhalten. Und Paare, die diese unterschiedlichen Formen der Liebe ausleben, erzählen von ihren Erfahrungen.
„Das macht was mit uns“
Die Monogamie, also eine exklusive Paarbeziehung zwischen nur zwei Menschen, ist tief im weitläufigen Ideal der Liebe verankert. In so gut wie jeder modernen romantischen Komödie verlieben sich zwei Hauptfiguren ineinander, und kommen am Ende zusammen – jede weitere Person hat in der Liebesbeziehung keinen Platz. Er oder sie ist, wenn überhaupt, Konkurrent:in und dient eigentlich nur für den Spannungsbogen: Für welchen von beiden entscheidet sie sich? Beide können es im monogamen Ideal eben nicht sein.
In der Arte-Reihe sagt Autor und Journalist Friedemann Karig, dass wir „in einer 100 Prozent monogamen Kultur und Umgebung aufwachsen“ würden. Das Ideal der exklusiven Liebe zwischen zwei Menschen würde also schon sehr früh in unseren Köpfen verankert. „Jeder Disney-Film“, sagt er, „und später alle Kulturprodukte, die wir konsumieren, von ‚Shakespeare‘ bis ‚Verbotene Liebe‘, sind monogam: Das macht was mit uns“.
Waren Menschen eigentlich schon immer monogam?
Doch woher kommt die Vorstellung, es können immer nur zwei Menschen einander romantisch lieben, und dass Gefühle für oder Sex mit einer weiteren Person das Ende der Beziehung bedeutet? In der Wissenschaft gibt es noch keinen klaren Konsens, wie alt die Monogamie wirklich ist – manchen Expert:innen zufolge gibt es die Zweierbeziehung in ihrer heutigen Form erst seit etwa 1000 Jahren, andere Untersuchungen suggerieren, dass schon die ersten frühen Menschen vor mehreren Millionen Jahren monogam gewesen sein könnten.
So wie auch für das Alter der Monogamie gibt es für ihre Entstehungsgründe mehrere Theorien. Die Gefahr, dass Nachkommen von einem männlichen Rivalen getötet werden, könnten frühe weibliche Menschen zum Beispiel dadurch minimiert haben, dass sie sich einen männlichen Verbündeten aussuchten. Dieser konnte dann helfen, die gemeinsamen Nachkommen zu beschützen. Dafür spricht zum Beispiel eine 2013 erschienene Studie, die die verschiedene Thesen zur Entstehung der Monogamie in Computersimulationen testete.
Ein weiterer Erklärungsansatz sieht, wie das Arte-Magazin schreibt, die Entstehung von Zweierbeziehungen vor etwa 10.000 Jahren, als sich der nomadische Lebensstil unserer Vorfahren zu einem sesshaften wandelte. Als Nomad:innen wurde dem Ansatz zufolge alles geteilt, von der Jagdbeute bis hin zur Verantwortung für die Kinder in der Gemeinschaft – und Sex haben konnte jede:r, mit wem er oder sie wollte. Erst durch Sesshaftigkeit entstanden demnach feste Besitzansprüche. Die Monogamie soll notwendig geworden sein, damit Männer für ihre landwirtschaftlichen Flächen eine Erbfolge festlegen konnten. Denn nur durch eine feste Zweibeziehung mit einer Frau konnten sie wissen, dass die Nachkommen wirklich ihre waren.
Was bringt Monogamie heute noch?
Einige Weltreligionen verfestigten später dieses Ideal als gottgewollte Ordnung in der Kultur. Im Christentum gaben Adam und Eva zum Beispiel das ideale heterosexuelle monogame Paar ab, die Ehe ist heilig, und außerehelicher Sex gilt als Sünde. Doch nicht nur Christ:innen würden durch diese Ideale beeinflusst: „Ein rigides moralisches Konzept, das bis heute Wirkung zeigt“, zitiert Arte die Autorin und Journalistin Michèle Binswanger. Außereheliche Affären sind heute der häufigste Scheidungsgrund in Deutschland, aber Bingswanger zufolge scheitern diese modernen Beziehungen nicht wirklich wegen Untreue, sondern weil Treue falsch verstanden würde.
Paartherapeut Klaus Heer ist im Gespräch mit dem Arte-Magazin auch der Ansicht, dass Monogamie für Menschen schwierig sei, sie sei „nicht in unserer natürlichen Hardware festgelegt“. In der frisch verliebten Phase habe man generell keine Augen für andere, doch sobald diese vorbei ist, werde es mit der Treue schwieriger. „Die Liebe ist monogam, aber der Mensch ist es nicht“, fasst er zusammen. Binswanger sieht das ähnlich: Unsere Spezies sei zwar romantisch, aber gleichzeitig reichlich Sex-besessen, und eher polygam veranlagt, zitiert sie das Arte-Magazin.
Kann man sich auch einfach gegen die Monogamie entscheiden?
„Das romantische Ideal existiert“, erklärt die Soziologin Eva Illouz im Interview mit Arte, „aber es ist wie mit Gott: Entweder man glaubt daran, oder nicht“. Vermeintlich modernere Liebesgeschichten bilden das ab: Der deutsche Film „Heute oder morgen“ beleuchtet polyamoröse Beziehungen unter Millennials, auch Serien wie „Trigonometry“ oder „Unicornland“ widmen sich der romantischen Liebe unter mehr als zwei Personen.
„Eins der wichtigsten Erkenntnisse ist: Liebe ist lernbar, und Liebe ist eine Entscheidung“, betont Susanne Kohts, die Leiterin einer sogenannten Liebesakademie, im Arte-Beitrag. „Es ist auch ein Fakt, dass Liebesmodelle sich im Laufe des Lebens verändern.“
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