Der Sechs-Stunden-Tag kann Mitarbeiter motivieren und dafür sorgen, dass Arbeit mehr Spaß macht – sagt die Unternehmerin Maria Bråth im Interview mit enorm. Wie geht das?
In Schweden macht sich ein Trend breit: immer mehr Unternehmen setzen auf einen Sechs-Stunden-Tag. Die verkürzte Arbeitszeit soll für motiviertere Mitarbeiter, weniger Krankenausfälle und besseres Arbeitsklima sorgen, aber: Macht der Sechs-statt-acht-Stunden-Tag auch wirtschaftlich für ein Unternehmen Sinn?
Das Magazin enorm hat bei Maria Bråth, der Geschäftsführerin des schwedischen Start-ups Brath nachgefragt, wie der Sechs-Stunden-Tag bei ihnen funktioniert.
enorm: Man würde denken, kürzere Arbeitszeiten hemmen die Produktivität. In acht statt sechs Stunden ist doch einfach mehr herauszuholen. Wie steht denn Ihr Unternehmen da?
Maria Bråth: Wir haben einen gesunden Gewinn und ein ausgeglichenes Wachstum. Auf unserer Website haben wir das auch grafisch veranschaulicht. Wir haben dort auch erklärt, warum wir den Sechs-Stunden-Tag eingeführt haben und warum wir denken, dass er gut für das Unternehmen und für unsere Mitarbeiter ist.
In erwähntem Unternehmensblog schreibt Ihr Gründer, die Arbeitstage in Ihrer Firma kürzer zu machen, war eine richtig intelligente Entscheidung. Was meint er damit?
Wir merken einfach, dass unsere Mitarbeiter Sechs-Stunden-Tage schätzen und glücklich sind. Das Team weiß, dass wir uns um sie kümmern, und bemühen sich so um das Unternehmen. Unsere Mitarbeiter sind das Wichtigste in unserer Firma. Wenn sie glücklich sind, geht es dem Unternehmen gut.
Wie schaffen es ihre Mitarbeiter, einen einen Vollzeitjob in sechs Stunden zu machen?
Unsere Arbeit ist kreativ und wir arbeiten viel an Problemlösungen. Wenn die Mitarbeiter gut ausgeruht sind und morgens startklar ins Büro kommen, leisten sie mehr während des Tages. Wir glauben nicht, dass es möglich ist, mehr als sechs Stunden lang effektiv und kreativ zu arbeiten.
Und nach 18 Uhr ist bei Ihnen dann wirklich niemand mehr im Büro?
Natürlich gibt es wie in jedem anderen Unternehmen auch Zeiten, in denen wir eine Menge zu tun haben, was zusätzliche Stunden Arbeit für uns bedeutet. Aber es kommt selten vor, dass man nach 18 Uhr Menschen im Büro antrifft.
Was waren die unmittelbaren Auswirkungen nach Umstellung auf den Sechs-Stunden-Tag?
Wir haben seit Gründung des Unternehmens mit dem Sechs-Stunden-Tag gearbeitet, so dass wir keinen Vergleich haben. Allerdings haben wir zuvor alle in Jobs mit normaler Stundenanzahl gearbeitet, so dass wir die Unterschiede deutlich merken. Wir fühlen uns besser, wir haben mehr Zeit für die Dinge, die wir im Leben zu schätzen wissen: Zeit mit unseren Kindern zu verbringen, Freunde zu treffen und gutes Abendessen zu kochen anstatt einfach schnell etwas zu essen.
Wie verändert das die Arbeitskultur?
Im Vergleich zu früheren Arbeitsplätzen sehe ich einen Unterschied in der Atmosphäre. Die Menschen sind glücklich. Ich höre oft Mitarbeiter sagen, dass sie sich glücklich schätzen, für Brath AB arbeiten zu dürfen. Anstatt sich über die Zustände im Büro auszulassen, höre ich sie über die Dinge sprechen, die gut sind.
Und für Sie persönlich als Führungskraft? Merken Sie auch eine positivere Einstellung?
Ich selbst habe zuvor halbtags gearbeitet, eine Entscheidung, die ich getroffen habe, um auch Zeit mit meinen Kindern verbringen zu können. Als ich bei Brath anfing zu arbeiten, hatte ich dieselbe Arbeitszeit wie in meinem vorherigen Job, werde aber als Vollzeit eingestuft und bekomme somit auch ein volles Gehalt. Ich glaube nicht, dass ich die Position als Geschäftsführerin angetreten hätte, wenn es nicht den verkürzten Arbeitstag gegeben hätte. Als CEO will ich ganztags im Büro sein, solange die Kinder aber zur Schule gehen, würde ich meine Karriere niemals über die Zeit mit ihnen stellen.
Sie erwähnen dort auch, dass Sie durch die ungewöhnlichen Arbeitszeiten der Konkurrenz voraus sind, wenn es darum geht, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Warum denken Sie, ist das so entscheidend für Bewerber? Sind denen nicht Gehalt und Prestige wichtiger?
Natürlich ist das Gehalt ein wichtiger Faktor, um Mitarbeiter zu finden. Aber der verkürzte Arbeitstag hat uns als Unternehmen immens geholfen, Hochqualifizierte für uns zu gewinnen. Wir müssen nie Stellen öffentlich ausschreiben, weil so viele Bewerber uns initiativ anschreiben. Ich weiß von einigen unserer Mitarbeiter, die Jobs mit höherem Gehalt abgelehnt haben, weil sie für unser Unternehmen arbeiten möchten. Sobald man sich einmal an einen kürzeren Arbeitstag gewöhnt hat, müsste viel passieren, damit man diesen wieder aufgibt.
GASTBEITRAG aus enorm.
TEXT: Shila Meyer-Behjat FOTOS: Brath
enorm ist das Magazin für den gesellschaftlichen Wandel. Es will Mut machen und unter dem Claim „Zukunft fängt bei Dir an“ zeigen, mit welchen kleinen Veränderungen jeder Einzelne einen Beitrag leisten kann. Dazu stellt enorm inspirierende Macher und ihre Ideen sowie Unternehmen und Projekte vor, die das Leben und Arbeiten zukunftsfähiger und nachhaltiger gestalten. Konstruktiv, intelligent und lösungsorientiert.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Grüne Jobs finden: die Good-Jobs-Suchmaschine direkt bei Utopia!
- Grüne Jobs: die besten Jobbörsen für nachhaltige Berufe
- A bis Z: Studiengänge zur Nachhaltigkeit
- Nachhaltigkeit: Aus- und Weiterbildung für alle
War dieser Artikel interessant?