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Photovoltaik: Wie schwimmende Solarzellen zur Energiewende beitragen

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Foto: © Erdgas Südwest

Photovoltaik-Anlagen zur solaren Stromerzeugung stehen auf Dächern, hängen an Fassaden, bedecken Grünland genauso wie ehemalige Deponien – inzwischen können sie sogar schwimmen. Weltweit werden immer mehr Solaranlagen auf Seen installiert, auch in Deutschland gibt es erste Projekte. Und – man staunt – politischen Rückenwind.

43 Hektar groß ist der Baggersee bei Renchen, ein paar Kilometer vom Rhein und der deutsch-französischen Grenze entfernt. Auf nur zwei Prozent seiner Fläche ist im Frühjahr eine schwimmende Photovoltaik-Anlage mit 750 Kilowatt Leistung in Betrieb gegangen. Gebaut hat sie der badische Energiedienstleister Erdgas Südwest. Die Anlage soll den Strombedarf des regionalen Kieswerks Ossola decken, also Bagger, Förderbänder und Rüttler mit Energie versorgen.

Das hat folgenden Vorteil: Weil der Strom keine langen Wege zurücklegen muss, schont die schwimmende Photovoltaik-Anlagen das Stromnetz. Etwa zwei Drittel der Anlagenleistung nutzt der Baustoffbetrieb für seine Zwecke, lediglich an arbeitsfreien Tagen wird ins Netz eingespeist.

Solarenergie: Photovoltaik-Anlagen auf Baggerseen haben Potenzial

Schwimmende Photovoltaik-Anlagen sind in Deutschland bisher nicht im Einsatz – dabei gäbe es viel Potenzial. „Das Thema wird kommen“, da ist sich Susanne Freitag, Sprecherin von Erdgas Südwest, sicher. „Allein in unserem Einzugsgebiet befinden sich etwa 150 Gewässer, in denen Baustoffe gewonnen werden.“

Es ist sicher kein Zufall, dass Europas größte schwimmende Photovoltaik ebenfalls auf einem Baggersee angelegt wurde. Im noch sonnenverwöhnteren südfranzösischen Piolenc sorgt sie mit 17 Megawatt Leistung seit diesem Frühling für reichlich solare Strombeute. Weltweit – vor allem in Asien – hat sich die Leistung durch schwimmende Photovoltaik-Anlagen in den letzten vier Jahren auf mehr als 1.100 Megawatt quasi verhundertfacht.

Das Solarforschungsinstitut Singapur schätzt das globale Potenzial für Stromerzeugung auf stehenden Gewässern mit 400.000 Megawatt ein. Das ist die Leistung von mehreren Hundert Atom- oder Kohlekraftwerken. Leider sind die schwimmenden Photovoltaik-Anlagen in diesem frühen Stadium noch teurer als die auf der grünen Wiese.

Photovoltaik auf Seen: Das sind die Vorteile

Was macht die „Float-PV“, wie die schwimmende Photovoltaik international genannt wird, so interessant? Zum einen geht sie geschickt der Diskussion aus dem Weg, ob Freiflächen zur Energiegewinnung oder besser für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden sollten.

Zweitens sind Baggerseen nicht wirklich als Naturidyll zu bezeichnen, sondern meist eingezäunte Betriebsflächen ohne Freizeit- und Badebetrieb. Hier wird also auch niemand gestört. Drittens kommen die Anlagen auf eine sehr gute Stromausbeute, weil die Photovoltaik-Module nicht verschattet und durch das Wasser sogar noch gekühlt werden.

Und zuletzt haben sie sogar noch eine unverhoffte ökologische Wirkung: Denn stehende Gewässer haben im Sommer oft Probleme mit Algenbildung, die dem Wasser Sauerstoff entzieht. Der Schatten, den eine Schwimm-PV auf dem Wasser erzeugt, soll dem vorbeugen – und kleinen Fischen und Amphibien zudem Schutz vor Fressfeinden gewähren.

Spezielle Unterkonstruktionen sollen Stromerzeugung optimieren

Erdgas Südwest und das Ossola-Kieswerk sind nicht die Einzigen, die das Potential von schwimmenden Photovoltaik-Anlagen erkannt haben. Der Düsseldorfer Christian Kirschning hat mit seiner Firma Solarants eine verbesserte Unterkonstruktion entwickelt, die es erlaubt, schwimmende Photovoltaik in geneigter Form und Ost-West-Ausrichtung aufs Wasser zu bringen. Damit wird die Stromerzeugung gleichmäßiger über den Tagesverlauf verteilt, was die unliebsamen „Mittagsspitzen“ vermeidet, zu denen Solarstrom massiv in die Netze drängt.

Bisher nimmt schwimmende Photovoltaik auf dem See etwa dieselbe Fläche ein wie die Sonnenmodule selbst. Solarants dagegen baut dachähnliche Gestelle, die lediglich an den Längsrändern auf versiegelten, billigen Abwasserrohren aus Kunststoff ruhen. „Wir wollten nicht schön, sondern günstig und langlebig“, sagt der Rheinländer. „Außerdem ist die Konstruktion so einfach, dass sie auch von unausgebildeten Menschen montiert werden kann – zum Beispiel in Afrika.“ Ganz abgesehen davon, sagt er, dass so die Belüftung und Kühlung noch einmal verbessert werde.

Kalifornien investiert massiv in Solarenergie und gilt als Vorreiter in Sachen "Green Economy".
Gibt es in Deutschland bald noch mehr schwimmende Solaranlagen? (Foto: CC0 / Pixabay / andreas160578)

Schwimmende Photovoltaik-Anlagen: Prototyp in Deutschland

Dass seine Idee funktioniert, hat Christian Kirschning von Solarants bereits auf einem Baggersee am Niederrhein nachgewiesen. Dort schwimmt zu Demonstrationszwecken seit Herbst 2018 eine Photovoltaik-Anlage mit 46 kWp Spitzenleistung, die später in eine deutlich größere Installation eingebunden werden soll. Doch der Rheinländer denkt weiter: „Warum soll man sich solche Anlagen nicht auch auf Stauseen und Trinkwasser-Talsperren vorstellen können?“ Die hätten zudem mit ihren Wasserkraftwerken auch gleich die nötige Netzanbindung parat.

In der Tat hat das Deutsche Talsperren-Komitee als Dachverband 371 solch großer Binnengewässer unter seiner Kontrolle. Bisher war flächige Schwimm-Photovoltaik dort noch kein Thema, sagt Komitee-Mitglied Prof. Lothar Scheuer, der seinerseits dem Talsperren-Betreiber Aggerverband in NRW vorsteht. Aber prinzipiell könne man sich das gut vorstellen – wenn auch Talsperren wegen ihres schwankenden Wasserstandes flexible Verankerungen erforderten und im sensiblen Trinkwasser-Bereich gewisse Sicherheiten beachtet werden müssten.

Gibt es bald mehr schwimmende Photovoltaik in Deutschland?

Auch Vertreter des Landtages Nordrhein-Westphalen haben Kirschnings Demonstrationsanlage am Niederrhein besichtigt. Im April hat der Landtag der Regierung aufgegeben, die entsprechende Eignung von „Stau- und Baggerseen sowie Regenrückhaltebecken zu prüfen“. Im Sommer wurde bekannt, dass der Weseler Kies- und Baustoffbetrieb Hülskens vor der Errichtung einer ersten großen Schwimm-Photovoltaik steht. Weitere sollen folgen.

Man darf da durchaus einen Zusammenhang sehen – und spekulieren, welche Optionen das „Klimakabinett“ der Bundesregierung mit Blick auf die zahllosen Seen in der Braunkohletagebau-Nachfolge erkennt.

Christian Kirschning sieht sich mit Solarants übrigens auch im benachbarten Ausland um. In Vorbereitung seien zwei Projekte in Belgien und den Niederlanden mit 7,5 und 5 Megawatt Leistung. Insbesondere die belgische Float-PV soll im nächsten Jahr am Netz sein.

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