Tägliche Bewegung verbessert unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Warum du dafür nicht zwingend 10.000 Schritte am Tag gehen musst und wie du mehr Bewegung in deinen Alltag integrieren kannst, erfährst du hier.
Bewegung ist essenziell für unsere Gesundheit und es kursiert die Faustregel, dass 10.000 Schritte pro Tag notwendig sind, um fit zu bleiben. Tatsächlich erreichen wir im Durchschnitt jedoch kaum 5.000 Schritte täglich. Je nach Beruf kann die Zahl der täglichen Schritte stark variieren – besonders bei Bürojobs ist ein Ausgleich durch Bewegung nach langem Sitzen sehr zu empfehlen.
Viele Menschen werfen mehrmals täglich einen Blick auf ihre Schrittzähler-App, um zu prüfen, wie weit sie noch vom vermeintlich magischen Ziel der 10.000 Schritte entfernt sind. Dabei basiert diese Vorgabe auf einem Marketinggag und hat keine wissenschaftliche Grundlage.
10.000 Schritte: Marketingtrick
Es ist ein weit verbreiteter Glaube, dass wir täglich 10.000 Schritte gehen sollen. Das entspricht, je nach Körpergröße, einer Distanz von sechs bis acht Kilometern. Gemeint ist aber nicht der klassische Sonntagsspaziergang durch den Wald, sondern Bewegung im Alltag. Das betrifft Couchpotatoes genauso wie Sportler:innen.
Die Idee der 10.000 Schritte täglich stammt ursprünglich von einer Marketing-Kampagne aus dem Jahr 1964. Es war die Zeit, in der in Japan die Olympischen Spiele stattfanden. Von der Atmosphäre der Sommerspiele angesteckt, wollten die Japaner:innen ihre eigene Sportlichkeit mit Schrittzählern messen.
Um sich von der Konkurrenz abzusetzen, gab die japanische Firma Yamasa Tokei ihren Schrittmessern den Namen Manpo-Kei. Wörtlich übersetzt bedeutet er „10.000 Schritte“ – denn 10.000 war die größte Zahl, die das Gerät anzeigen konnte.
Wie viele Schritte brauchen wir um fit zu bleiben?
Auch wenn die 10.000 Schritte am Tag auf einem Marketingtrick basieren, ist die Idee dahinter nicht grundsätzlich schlecht. Laut Ingo Froböse, Professor für Prävention und Rehabilitation im Sport an der Deutschen Sporthochschule Köln und Leiter eines Instituts für Bewegungstherapie, muss jedoch nicht jede:r täglich 10.000 Schritte gehen, um fit zu bleiben. Dieser Wert ist für viele Menschen zu hoch angesetzt. Im normalen Alltag, ohne gezielten Sport, erreichen die meisten Menschen diesen Wert nicht.
Statt sich auf einen starren Richtwert zu fixieren, empfiehlt er eine individuellere Herangehensweise. Zunächst sollte man beobachten, wie viele Schritte man im Alltag schafft, beispielsweise mithilfe einer Schrittzähler-App. Anschließend kann man versuchen, diesen Wert um etwa 3.000 Schritte zu steigern. So verdoppelt jemand, der bisher nur 3.000 Schritte pro Tag geht, seine Bewegung. Wer bereits 7.000 Schritte schafft, kann die 10.000 Schritte als Ziel ins Auge fassen. Wenn du mehr über die alternativen Empfehlungen von Ingo Froböse anstelle der 10.000-Schritte-Regel erfahren möchtest, wirf einen Blick in diesen Artikel:
Auch eine Studie von European Journal of Preventive Cardiology stellt die 10.000-Schritte-Regel infrage. Laut den Ergebnissen genügen bereits rund 4.000 Schritte pro Tag, um das allgemeine Sterberisiko signifikant zu senken. Das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen kann sogar schon bei etwa 2.400 Schritten pro Tag reduziert werden.
Warum ausreichend Bewegung wichtig ist
Bewegung im Alltag, Beruf und in der Freizeit trägt laut Prof. Christine Joisten, Leiterin der Abteilung Bewegungs- und Gesundheitsförderung an der Sporthochschule Köln, zur Prävention von Zivilisationskrankheiten und nicht übertragbaren Erkrankungen bei. Dazu gehören unter anderem Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Adipositas und Diabetes. Auch neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer sowie orthopädische, rheumatologische und psychische Erkrankungen können durch Bewegung vorgebeugt werden. „Bei chronisch Kranken wirkt das analog und trägt vor allem zu Lebensqualität bei“, erklärt die Medizinerin.
Es gibt aber noch mehr Gründe, um täglich in Bewegung zu sein:
- Die Rückenmuskulatur ist häufig durch das Sitzen geschwächt. Gehen, laufen oder wandern kann helfen, die Muskulatur zu stärken sowie Schmerzen vorzubeugen oder zu lindern.
- Tägliches Gehen steigert die körperliche Leistungsfähigkeit. Wir fühlen uns fitter und widerstandsfähiger.
- Besonders die Bewegung an der frischen Luft stärkt unser Immunsystem.
- Wenn du dich regelmäßig bewegst, beugst du Gliederschmerzen vor oder linderst sie.
- Gehen regt den Fettstoffwechsel an. Auf diese Weise wird Übergewicht vorgebeugt und du kannst sogar überschüssige Kilos abnehmen.
- Wenn du dich ausreichend bewegst, sinkt dein Risiko, an Diabetes zu erkranken.
- Viel Bewegung im Alltag hilft dabei, Herz- und Kreislaufproblemen vorzubeugen.
Die World Health Organization (WHO) empfiehlt ein Bewegungspensum für Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren von mindestens 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive Ausdaueraktivität pro Woche, dazu mindestens zweimal pro Woche Kraftübungen für alle großen Muskelgruppen. Für ältere Erwachsene ab 65 Jahren gelten die gleichen Empfehlungen, ergänzt um Übungen zur Verbesserung der Balance und Koordination.
So hält dich Bewegung mental fit
Ausreichend Bewegung ist nicht nur wichtig für unseren Körper, sondern auch für unseren Geist:
- Bewegung kurbelt auch die Sauerstoffversorgung im Gehirn an. Auf diese Weise kannst du deine Konzentration steigern und bist leistungsfähiger.
- Ausreichend Bewegung sorgt für die Ausschüttung von Glückshormonen. Du bist besser gelaunt und kannst vielleicht sogar Depressionen vorbeugen.
- Durch die Bewegung kannst du negative Emotionen und Stress abbauen.
Wie du Bewegung in deinen Alltag integrierst
Durch deine alltäglichen Verpflichtungen verfliegt der Tag vielleicht, ohne dass du ständig Sport machen kannst. Wir verraten dir, wie du es dennoch schaffst, mehr Schritte in den Alltag zu integrieren:
- Lass das Auto stehen. Autos stoßen Emissionen aus, erzeugen Lärm und belasten die Umwelt. Außerdem verlocken sie uns dazu, auch kurze Distanzen zu fahren, statt diese zu laufen. Wenn es die Entfernung erlaubt, gehe lieber zu Fuß oder nutze das Rad. Greife bei größeren Strecken auf öffentliche Verkehrsmittel zurück. Diese sind nicht nur wesentlich umweltschonender – auf dem Weg von oder zu den Stationen kannst du zusätzliche Schritte gehen.
- Du kannst dich ganz einfach mehr bewegen, wenn du auf Aufzüge sowie Rolltreppen verzichtest. Das Treppensteigen trainiert außerdem die Po-Muskulatur. Auch Wissenschaftler:innen aus den USA haben in einer Untersuchung, die im Fachjournal Atherosclerosis veröffentlicht wurde, das Treppensteigen in den Fokus gerückt. Durch regelmäßiges Treppensteigen kannst du das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen senken. Die Forscher:innen empfehlen, täglich mindestens 50 Treppenstufen nach oben zu gehen.
- Verbringe deine Mittagspause statt in der Teeküche lieber draußen an der frischen Luft.
- Gehe mit deinen Freund:innen spazieren statt ins Café. Auf einen Coffee to go musst du dabei übrigens nicht verzichten. Einweg-Kaffeebecher sind allerdings eine riesige Umweltsünde, da sie noch mehr Müll produzieren. Greife lieber zu einem Thermobecher aus nachhaltigen Materialien wie Glas oder Porzellan (zum Beispiel aus dem Avocadostore).
- Verlege deine Freizeit nach draußen. Versuche, täglich 30 Minuten in der Natur spazieren zu gehen. Auf diese Weise hast du den größten positiven Effekt auf deine Psyche. Höre dabei Hörbücher oder Podcasts, wenn dir das bloße Gehen zu langweilig ist.
Laut Prof. Christine Joisten ist jede Form der Bewegung gut, sofern sie an den individuellen Gesundheitszustand angepasst ist. Sie empfiehlt auch Tanzen, Krafttraining mit Gummibändern oder leichten Gewichten, Yoga oder Gartenarbeit.
Sind Fitness-Tracker und Apps sinnvoll?
Fitness-Tracker und Apps sind mittlerweile weit verbreitet und bieten vielen Menschen eine einfache Möglichkeit, ihre körperliche Aktivität zu überwachen. Sie können helfen, die Motivation zu steigern und Ziele zu setzen. Doch sind sie wirklich notwendig, um sich zu mehr Bewegung zu motivieren?
Christine Joisten hält persönlich viel davon, weil Bewegung damit sichtbar gemacht wird. Kleinste Fortschritte, wie 500 bis 1.000 zusätzliche Schritte am Tag, können schon eine positive Wirkung haben. Werden Ziele jedoch nicht erreicht, kann das frustrierend sein.
Während Prof. Joisten die Vorteile der Fitness-Apps sieht, rät Prof. Ingo Froböse hingegen davon ab, sich ausschließlich auf diese zu verlassen. Er betont, dass man auch ohne Schrittzähler auf die zurückgelegte Distanz achten kann und dass Bewegungs-Apps zwar ein Gefühl für den eigenen Körper vermitteln wollen, dieses jedoch auch ohne App selbst erspürt werden kann. Der Körper zeigt von selbst, wenn man zu inaktiv war – durch Beschwerden wie Muskel- und Gelenkschmerzen oder Müdigkeit.
Letztlich muss jede:r für sich entscheiden, ob er eine Fitness-App nutzen möchte oder ob man lieber auf das eigene Körpergefühl vertraut.
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Überarbeitet von Melanie Grünauer
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