Arztbesuche außerhalb der Arbeitszeit unterzukriegen, ist für Vollzeitbeschäftigte regelmäßig eine Herausforderung. Aber muss man sich überhaupt abmühen oder kann man den Termin in die Arbeitszeit legen? Die wichtigsten Regeln im Überblick.
Fast schon vorwurfsvoll hängt das Zahnarztpunkteheft an der großen Pinnwand mit den To-dos für die kommenden Wochen. Die Vorsorgeuntersuchung wäre dringend fällig, doch der Terminkalender lässt einfach keine Lücke zu. Es sei denn, man nutzt die Pause zwischen zwei Telefonmeetings.
Aber dürfen Beschäftigte überhaupt während der Arbeitszeit zum Arzttermin? Müssen sie ihren Arbeitgeber informieren? Und bekommen sie trotzdem Lohn? Rechtsexpert:innen klären auf, welche Regeln bei Arztterminen während der Arbeitszeit zu beachten sind.
Muss ich meinen Arbeitgeber über Arztbesuche informieren?
Ja. Und zwar so schnell wie möglich. „Der Arbeitgeber muss die Möglichkeit haben, zu disponieren und sich darauf einzustellen. Sobald ich weiß, dass ich zum Arzt oder in die Reha gehe, muss ich den Arbeitgeber informieren“, sagt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln.
Die Meldepflicht gelte immer unverzüglich, sofern man außerplanmäßig nicht zur Arbeit erscheint, sagt Tjark Menssen von der Rechtsschutzabteilung des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). „Man darf nicht erst abwarten, bis man beim Arzt war und der eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellt.“ Das gelte übrigens auch für Arbeitslose gegenüber dem Jobcenter.
Arztbesuch während der Arbeitszeit: Darf ich das?
Wer krank und damit arbeitsunfähig ist, darf eine:n Ärzt:in aufsuchen – jederzeit. Zwar sei der Arztbesuch keine Arbeitszeit im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, aber „das Gesetz regelt, dass bei Arztbesuchen, die nicht lange dauern, trotzdem die Vergütungspflicht fortbesteht“, so Menssen.
Anders sieht es bei Vorsorgeterminen aus. Ist im Arbeitsvertrag dazu nichts geregelt, gilt: „Wenn ich nicht krank – im Sinne von arbeitsunfähig – bin, muss ich die Termine grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit legen. Es sei denn, der Arzt bietet solche Termine nicht an“, sagt Nathalie Oberthür. Was geht und was nicht, ist dabei eine Einzelfallentscheidung. Die Arbeitszeiten spielen dabei genauso eine Rolle wie die Flexibilität der Arztpraxis.
Gibt es keine Möglichkeit, den Termin außerhalb der Arbeitszeit wahrzunehmen, „muss der Arbeitgeber medizinische, zeitliche oder terminliche Notwendigkeiten akzeptieren„, so Menssen. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn eine Untersuchung zu einer bestimmten Tageszeit durchgeführt werden muss oder die Arztpraxis außerhalb der Arbeitszeit keine Sprechstunden anbietet.
Wann brauche ich eine Krankschreibung?
Hier lohnt der Blick in den Arbeitsvertrag. Das Gesetz schreibt die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nach drei Tagen vor. „Laut Arbeitsvertrag oder auf besondere Anordnung des Arbeitgebers kann aber auch schon am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Attest verlangt werden“, sagt Tjark Menssen.
Übrigens: Seit Juli 2022 sind Ärztinnen und Ärzte offiziell dazu verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Falle der gesetzlichen Krankenversicherungen elektronisch an die Krankenkasse weiterzuleiten. Arbeitgeber müssen seit 01. Januar 2023 am Meldeverfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) teilnehmen. Eine zusätzliche Pflicht der Beschäftigten, dem Arbeitgeber eine AU-Bescheinigung auf Papier vorzulegen, besteht seitdem nicht mehr.
Wann muss ich Urlaub nehmen, wenn ich zum Arzt will?
„Ein Zwang, Urlaub zu nehmen, besteht in keinem Fall“, sagt Tjark Menssen. Das wäre im Falle einer Arbeitsunfähigkeit schon rechtlich gar nicht möglich. Wer im Urlaub krank wird, dem bleibt der Urlaubsanspruch erhalten. „Man muss in diesem Fall aber für alle Tage eine Bescheinigung vorlegen“, so Menssen.
Was gilt, wenn das Kind zum Arzt muss?
Auch hier wird unterschieden: Ist das Kind krank und muss betreut werden oder handelt es sich um eine planbare Vorsorgeunteruntersuchung? Im zweiten Fall „muss ich versuchen, einen Termin außerhalb der Arbeitszeit zu bekommen“, sagt Nathalie Oberthür.
Anders stehen die Dinge, wenn das Kind krankheitsbedingt betreut werden muss und es sich um eine kurze Krankheit handelt. „Dann habe ich Anspruch darauf, bezahlt zu Hause zu bleiben, um das Kind zu betreuen. Das würde auch entsprechende Arztbesuche einschließen“, sagt Nathalie Oberthür.
Darüber hinaus steht gesetzlich versicherten Arbeitnehmer:innen in der Regel eine unbezahlte Freistellung zu, in der sie Kinderkrankengeld erhalten. 2023 gilt ein erweiterter Anspruch: Jeder Elternteil darf sich pro Kind 30 Tage pro Jahr freistellen lassen, bei mehreren Kindern maximal 65 Tage im Jahr. Alleinerziehende haben pro Kind und Jahr 60 Tage Anspruch auf Kinderkrankengeld, bei mehreren Kindern maximal 130 Tage.
Worauf sollten Arbeitnehmer:innen unbedingt achten?
Nicht alle Arbeitsverträge sind gleich. In manchen Fällen werden besondere Regelungen im Hinblick auf Arztbesuche, Krankheitsausfälle und Vergütung formuliert oder ausgeschlossen. Hier lohnt sich der Blick in den eigenen Arbeitsvertrag. Auf der sicheren Seite ist in der Regel, wer den:die Arbeitgeber:in im Krankheitsfall unverzüglich informiert. „Auch wenn eine Arbeitsunfähigkeit fortbesteht, muss man dem Arbeitgeber mitteilen, dass man weiterhin krank ist“, sagt Menssen.
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