Beim bidirektionalen Laden funktioniert das E-Auto als Stromspeicher. Wir fassen zusammen, welches Potenzial dieses Konzept hat und wie es aktuell um die Umsetzbarkeit steht.
Bidirektionales Laden soll die Batterie von Elektroautos als Stromspeicher für Wohnhäuser nutzbar machen – zum Beispiel für die von einer Photovoltaik-Anlage produzierte Energie. Das Grundprinzip ist einfach: Das E-Auto speichert überschüssigen Strom und leitet ihn wieder in das Stromnetz des Hauses zurück, wenn er gebraucht wird. Die Batterie des Autos nimmt in diesem Szenario also nicht nur selbst Strom auf, sondern kann ihn bei Bedarf auch abgeben. Deshalb ist die Rede von bidirektionalem Laden, also einem Ladeprozess, der in beide Richtungen funktioniert.
Im Rahmen der Energiewende könnte bidirektionales Laden also durch das Zwischenspeichern von Strom für mehr Energiesicherheit sorgen. Aber wie sieht es mit der Praxistauglichkeit des Konzepts aus?
Bidirektionales Laden: So funktioniert es
Der ADAC beschreibt den Prozess des bidirektionalen Ladens wie folgt:
- Das Grundprinzip ist bereits bekannt: Energie fließt aus dem Stromnetz in einen Speicher – in diesem Fall in den Akku des E-Autos – und wird dort für eine bestimmte Zeit zwischengespeichert. Anschließend wird der Strom wieder ins Netz zurückgespeist und unterstützt so die Energieversorgung des Hauses.
- Damit das möglich ist, ist allerdings eine Umwandlung nötig, denn während es sich beim Hausstrom um Wechselstrom (AC-Strom) handelt, funktionieren E-Autos auf Basis von Gleichstrom (DC-Strom). Bei Gleichstrom fließt die elektrische Ladung immer nur in eine Richtung, bei Wechselstrom ändert sie dagegen in bestimmten Abständen die Richtung.
- Für die Umwandlung von Wechselstrom zu E-Auto-kompatiblem Gleichstrom sorgt ein sogenannter Gleichrichter, der sich entweder in der Wallbox oder im Ladegerät selbst befindet. Für die umgekehrte Richtung ist ein Wechselrichter nötig: Er wandelt die Gleichstrom-Energie aus der E-Auto-Batterie wieder in Wechselstrom um, damit sie zurück ins Stromnetz des Hauses fließen kann.
Laut dem ADAC gibt es beim E-Auto drei denkbare Arten des bidirektionalen Ladens:
- V2L/V2D: Steht für „Vehicle-to-Load“ beziehungsweise „Vehicle-to-Device„, (Auto zum Gerät). Dabei befindet sich im Auto eine herkömmliche Steckdose, an die sich elektronische Geräte anschließen lassen. Es besteht also keine Wechselwirkung zwischen der E-Auto-Batterie und einem komplexen Stromnetz, es lassen sich aber Einzelgeräte mit der Energie der Batterie betreiben.
- V2H: Die Variante „Vehicle-to-Home“ meint bidirektionales Laden zwischen E-Auto und häuslichem Stromnetz, wie oben beschrieben. Dabei ist das Auto an die Wallbox angeschlossen, speichert überschüssigen Strom (beispielsweise aus der Photovoltaik-Anlage) und stellt ihn bei Bedarf wieder zum Eigenverbrauch zur Verfügung.
- V2G: Diese Abkürzung steht für „Vehicle-to-Grid“ und beschreibt eine noch umfangreiche Art des bidirektionalen Ladens: Hier wird der gespeicherte Strom nicht nur für den häuslichen Gebrauch nutzbar gemacht, sondern für das öffentliche Stromnetz. Dafür müssten viele tausend E-Autos zusammengeschaltet werden und könnten wie eine Art Kraftwerk funktionieren.
Bidirektionales Laden und die Energiewende
Eine der größten Herausforderungen von erneuerbaren Energien wie Solarstrom ist ihre Stabilität: Solarenergie hängt davon ab, dass Sonnenlicht zur Verfügung steht, Windenergie benötigt Wind, um Strom zu erzeugen. Diese natürlichen Energiequellen stehen nicht gleichmäßig und dauerhaft zur Verfügung – bei Dunkelheit oder Flaute produzieren sie keinen Strom. Diese Schwankungen müssen dann mit Strom aus anderen Quellen ausgeglichen werden, um das Versorgungssystem stabil zu halten.
Durch Methoden der Solarstrom-Speicherung lässt sich diese Problematik aber umgehen: Dabei wird überschüssiger Strom zunächst gespeichert und erst dann ins Netz eingespeist, wenn er gebraucht wird. Auf diese Weise soll eine stabile Versorgung sichergestellt werden.
Auch das bidirektionale Laden ist somit eine Form der Stromspeicherung und könnte zur Energiesicherheit beitragen – sowohl im kleinen Rahmen wie bei der „Vehicle-to-Home“-Variante als auch im großen Maßstab wie bei der „Vehicle-to-Grid“-Variante.
Bidirektionales Laden: Was bedeutet es für E-Auto-Besitzer:innen?
Aufgrund dieser theoretischen Vorteile wird bidirektionales Laden zunehmend gefördert. Die einfache Variante des „Vehicle-to-Device“, bei der sich einzelne Elektrogeräte an eine Steckdose im E-Auto anschließen lassen, gibt es bereits. Ab 2025 möchte Wirtschaftsminister Robert Habeck auch die komplexeren Formen des bidirektionalen Ladens breitflächiger ermöglichen.
Einige E-Auto-Modelle, die V2H-fähig sind, gibt es laut dem ADAC bereits – ihre V2G-Fähigkeit ist derzeit aber lediglich „in Vorbereitung„. Das öffentliche Stromnetz mit gespeichertem Strom aus E-Auto-Batterien zu versorgen, ist dementsprechend aktuell noch nicht möglich. Wer über ein V2H-fähiges Modell verfügt, kann damit aber bereits bidirektionales Laden für den Privatgebrauch betreiben: Seit April 2022 ist das in Deutschland erlaubt. Die Einzelheiten regelt die ISO-Norm 15118-20.
In der Praxis stellen sich allerdings noch einige Herausforderungen. Zum einen sind sie technischer Natur: Laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) seien zwar „die wichtigsten technischen und regulatorischen Grundlagen gelegt“. Für den kommerziellen Ausbau des bidirektionalen Ladens bedürfe es aber noch der Entwicklung einer „gemeinsame[n] digitale[n] Sprache und Datenaustauschplattformen“. An beidem werde derzeit gearbeitet.
Damit bidirektionales Laden an möglichst vielen verschiedenen Elektroauto-Ladestationen möglich ist, sind dem ADAC zufolge außerdem einheitliche technische Standards vonnöten – insbesondere für die großflächig angelegte V2G-Variante. Diese zu entwickeln sei jetzt zum einen die Aufgabe von E-Auto- und Wallbox-Herstellern. Zum anderen sei aber auch ein intelligentes Energiemanagementsystem im Haus nötig, das beispielsweise den Überblick über die Stromversorgung behält, den Bedarf an zusätzliche eingespeistem Strom erkennt und den Ladestand der E-Auto-Batterie überprüft.
Zum anderen stellen sich für E-Auto-Besitzer:innen auch finanzielle Fragen: Bisher galt für das bidirektionale Laden etwa eine Doppelbesteuerung, bei der sowohl der in die E-Auto-Batterie eingespeiste Strom als auch der ins Stromnetz zurückgeleitete Strom besteuert wurden. Ein neuer Gesetzesentwurf soll damit Schluss machen, sodass das bidirektionale Laden wirtschaftlich attraktiver für Haus- und Autobesitzer:innen wird. Aber auch Wallboxen, die bidirektionales Laden möglich machen, werden zunächst voraussichtlich deutlich teurer sein als einfache Modelle, so der ADAC. Und bei der „Vehicle-to-Grid“-Variante ist die Frage offen, wie es mit der finanziellen Beteiligung der E-Auto-Besitzer:innen aussieht, deren erzeugter Strom ins öffentliche Stromnetz eingespeist wird.
Fazit: Beim bidirektionalen Laden gibt es noch Praxisprobleme
Bidirektionales Laden hat also langfristig durchaus Potenzial, zur Energiesicherheit beizutragen, ist aktuell allerdings noch nicht vollkommen ausgereift. Die Privatnutzung ist bereits möglich, war aber aufgrund von Regelungen wie der Doppelbesteuerung für Einzelpersonen bisher nicht unbedingt finanziell attraktiv.
Auch die technischen Voraussetzungen zu schaffen – etwa die Installation einer Wallbox, die bidirektionales Laden ermöglicht – dürfte zunächst eher teuer sein. Dazu, wann sich die Anschaffungskosten im Laufe der Nutzung rentieren könnten, gibt es bislang noch keine konkreten Zahlen.
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Für eine breitere Nutzbarkeit des bidirektionalen Ladens fehlen außerdem einheitliche technische Standards, die etwa die Unterschiede zwischen verschiedenen Automodellen und Ladetechnologien überbrücken können. An der Einführung solcher Standards arbeiten derzeit Institutionen wie das BMWK sowie die Hersteller:innen von E-Autos und Wallboxen.
Tipp: Wie umweltfreundlich Elektroautos tatsächlich sind, liest du in unseren Beiträgen zu Elektromobilität und Nachhaltigkeit, sowie Ökobilanz von Elektroautos.
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