Billiger Temu-Klon? Was Amazon Haul ausmacht – und wie gut und sicher die Produkte sind

Screenshot von Amazon.de Webseite, Rubrik Amazon Haul
Screenshot: Amazon.de

Amazon kopiert jetzt Temu und Shein – mit einem Onlineshop voller Ultra-Billig-Artikel. Bringt „Amazon Haul“ ähnliche Probleme mit sich wie die umstrittenen Vorbilder? Was bisher bekannt ist.

Bei „Amazon Haul“ können Kund:innen Produkte für maximal 20 Euro kaufen. Die meisten Artikel kosten sogar unter 10 Euro, wie Amazon in einer Pressemitteilung mitteilte. Das neue Shopping-Angebot startete in Deutschland im Juni 2025, zunächst aber als Beta-Version. Inzwischen ist die Markierung „Beta“ aus dem Logo auf der Webseite verschwunden. Der Service ist sowohl über die Amazon-App als auch auf der Webseite verfügbar.

Der Name spielt auf den Trend zu „Shopping Hauls“ an – unter dem Begriff teilen Social-Media-Nutzer:innen online Auspackvideos ihrer Onlinekäufe. Amazon Haul umfasst Tausende von Produkten aus Kategorien wie Fashion, Wohnen, Lifestyle und Heimwerken. In einem Bereich namens „krass günstig“ gibt es manche Artikel bereits für einen Euro. Bei Bestellungen ab 50 beziehungsweise 75 Euro gelten zusätzliche Rabatte.

Was hat es mit dem Billigshop auf sich – und ist er sicherer als Temu und Co.?

Wieso startete Amazon einen Billigshop?

Bevor er hier startete, hat Amazon den Service bereits in den USA und Großbritannien eingeführt. Mit dem neuen Shop reagiert der Konzern auf wachsende Konkurrenz aus Asien. Um nur ein Beispiel zu nennen: Shein belegte in einer Rangliste der umsatzstärksten Onlineshops 2024 in Deutschland Platz 7. Der chinesische Ultra-Fast-Fashion-Anbieter soll demnach hierzulande 1,1 Milliarden E-Commerce-Nettoumsatz gemacht haben. Amazon belegt Platz 1, mit über 15 Milliarden Umsatz. Noch sind die Shops also nicht gleichauf, doch Sheins Umsatz stieg in den vergangenen Jahren stetig. Offenbar versucht Amazon vom Billig-Trend mit zu profitieren.

Was ist anders bei Amazon Haul?

Amazon Haul zielt augenscheinlich auf eine junge Zielgruppe. Das Design ist auffallend bunt, mit zahlreichen Emojis, womit es sich klar vom Look des klassischen Amazon-Onlineshops unterscheidet. Werbebanner machen penetrant auf Spezialrabatte aufmerksam. Gewinnspiele, Puzzle und andere Arten von Gamification sind uns beim Browsen aber nicht aufgefallen, diese sind zum Beispiel beim Konkurrenten Shein sehr verbreitet.

Der Versand kostet bei Amazon Haul 3,50 Euro, ab 20 Euro Einkaufswert ist er kostenlos. Das ist etwas teurer als beispielsweise bei Shein (3,50 Euro, ab 9 Euro Warenwert kostenlos). Hier können durch den Zoll jedoch zusätzliche Gebühren anfallen. Auch Amazon warnt in seinen AGBs, dass durch einen Kauf über Haul zusätzliche Zollgebühren für Kund:innen anfallen können. Die EU-Finanzminister haben kürzlich beschlossen, die Zollbefreiung für Pakete aus Drittstaaten mit einem Wert von weniger als 150 Euro noch 2026 abzuschaffen.

Die Rückgabe ist bei Shein und Temu kompliziert. Die meisten ungetragenen Artikel kann man zwar laut Webseite 30 Tage nach Erhalt retournieren. Medienberichten zufolge gibt es aber oft Probleme bei Rückerstattungen. Bei Amazon Haul kann man Artikel innerhalb von 15 Tagen nach Lieferung zurückgeben. Ob es dabei auch zu Problemen kommt, wird die Zeit zeigen. Die Lieferzeit beträgt bis zu zwei Wochen.

Woher kommen die Produkte? Und wie werden sie transportiert?

Gemeinsam mit bekannten Ultra-Fast-Fashion-Shops hat Amazon Haul die niedrigen Preise – und die Tatsache, dass ein großer Teil der Produkte aus China stammt. Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) schreibt, dass die Produkte aus einem Logistikzentrum dort direkt an Kund:innen verschickt werden.

Damit können Probleme einhergehen. Billig-Onlineshops wie Shein und Temu stehen zum Beispiel immer wieder in der Kritik, weil sie die Ware überwiegend besonders klimaschädlich mit Flugzeugen transportieren. Utopia.de hat Amazon gefragt, ob auch Amazon-Haul-Produkte per Flugzeug nach Deutschland kommen. Ein Unternehmenssprecher erklärt ausweichend, man bewerte und berücksichtige die Auswirkungen des neuen Angebots auf den eigenen CO2-Fußabdruck und die allgemeinen Nachhaltigkeitsziele und begegne diesen durch eine Kombination aus betrieblichen Anpassungen, Investitionen in hochwertige CO2-Zertifikate und fortgesetzten Investitionen in einen nachhaltigen Flugkraftstoff, die vor mehreren Jahren begonnen haben.

Übrigens: Auch die Plattform amazon.de transportiert Ware teils mit dem Flugzeug. Der Konzern verfügt über eine eigene Frachtflugzeugflotte.

Wie transparent ist Amazon Haul?

Anders als bei Amazon.de ist der Hersteller bei Amazon Haul nicht direkt über dem Produktnamen aufgeführt. Stattdessen muss man über den Link „Safety Images and Contacts“ nach der Angabe suchen. Dass solche Angaben versteckt sind, kennt man bereits von Temu, Shein, Cider und ähnlichen Stores.

Auf die Frage, wie Amazon Haul sicherstellt, dass die Produkte nicht unter ausbeuterischen Bedingungen produziert werden, verwies ein Sprecher gegenüber Utopia.de auf eigene Lieferkettenstandards für Arbeitsrechte: Man erwarte von jedem Verkaufspartner, dass die Lieferkettenstandards erfüllt würden und nehme jede Behauptung von Verstößen äußerst ernst. Ob und wie die Angaben der Partnerunternehmen geprüft werden, darauf ging der Sprecher nicht ein.

Wie steht es um Einhaltung von EU-Richtlinien?

Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Billigware aus China nicht immer unseren hiesigen Sicherheitsstandards entspricht. Unter anderem hat Öko-Test 2024 Schadstoffe auf Shein-Kleidung entdeckt – teils in Mengen, die EU-Grenzwerte überstiegen. Stiftung Warentest testete 162 Produkte, wie die Tagesschau berichtet, zwei Drittel erfüllten EU-Standards nicht.

Der Verbraucherzentrale Bundesverband äußerte sich gegenüber Utopia.de entsprechend kritisch zum Geschäftsmodell von Amazon Haul.

„Zahlreiche Untersuchungen von Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden sowie Marktüberwachungsbehörden aus der Vergangenheit zeigen, dass durch das Geschäftsmodell verstärkt Produkte auf den Binnenmarkt gelangen, die nicht hiesigen Regeln entsprechen und gefährlich sein können.“

Verbraucherzentrale Bundesverband

Die Plattformen müssten mehr in die Pflicht genommen werden.

Der Amazon-Sprecher verweist auf eigene Prüfverfahren. Man verlange, dass alle Produkte, die in eigenen Stores angeboten werden, den Amazon-Richtlinien sowie den geltenden Gesetzen und Vorschriften entsprechen. Außerdem würden modernste Technologie und robuste Prüfverfahren eingesetzt, um unsichere Produkte zu verhindern. Informationen über Produkthersteller seien unter dem Link „Sicherheits- und Produktressourcen“ verfügbar.

Wie ist die Qualität der Waren?

Amazon Haul ist ein relativ neuer Dienst, weshalb derzeit noch vergleichsweise wenige Kundenberichte aus Deutschland vorliegen. In den internationalen Appbewertungen findet man sowohl Lob als auch Kritik, zum Beispiel wegen überzogener Lieferzeiten, minderer Qualität und Fehler beim Rechnungsbetrag.

Das Format Abenteuer Leben des TV-Senders Kabel Eins hat einige Waren aus dem Amazon-Haul-Store getestet. Mit manchen Produkten wie einer Standtasche, einem Parfümzerstäuber und einer Handyhülle war der Moderator zufrieden, andere waren problematisch. Eine Badehose war zu groß und von geringer Qualität, ein „übergroßes“ Strandhandtuch und eine Gartenschere waren zu klein, ein „wasserdichter“ Wanderrucksack hielt kein Wasser ab, ein Fahrradschloss bot kaum Schutz. Auch die Auswahl im Shop sei eher begrenzt gewesen.

Das komplette Video des Senders kannst du hier ansehen:

Utopia meint: Amazon nimmt sich die Falschen zum Vorbild

Amazon Haul lockt mit buntem Design, niedrigen Preisen und hohen Rabatten, doch es gibt zahlreiche Haken. Zum einen sind da die Zweifel bezüglich Transparenz, Umweltfreundlichkeit, Qualität und Sicherheit der Produkte. Zum anderen verleitet der Shop – wie auch die Pendants Shein, Temu und Aliexpress – zu Überkonsum.

Dinge zu kaufen, die man nicht braucht oder ob der geringen Qualität kaum nutzen kann, verschwendet nicht nur Geld, sondern auch Ressourcen. Solche Käufe gehören zu den umweltschädlichsten, die man tätigen kann.

Es ist enttäuschend, dass sich der Marktführer im Onlineshop-Segment an entsprechenden Geschäftsmodellen ein Vorbild nimmt. Das lässt darauf schließen, dass es Amazon mit Nachhaltigkeitsversprechen nicht besonders ernst ist. Eine vertane Chance: Man hätte sich auch durch transparente Lieferketten und höhere Qualität von der Konkurrenz abgrenzen können. Davon hätte durch Amazons Marktmacht vielleicht die ganze Branche profitiert. Dass man sich stattdessen für eine billige Kopie von Billigshops entschlossen hat, sendet ein trauriges Signal für die Zukunft des Onlinehandels.

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