Lesen ist, dank Social Media, bei jüngeren Generationen wieder im Trend. Was es mit dem Phänomen “BookTok” auf sich hat und warum es nicht nur Vorteile mit sich bringt, liest du hier.
Junge Leute lesen nicht mehr gerne? Weit gefehlt, denn das Lesen ist in den letzten Jahren auch in jüngeren Altersgruppen wieder zu einem regelrechten Trend geworden – und das ausgerechnet durch TikTok. Unter dem Hashtag #BookTok teilen dort Millionen Nutzer:innen ihre Leseempfehlungen. Und das Ganze kommt an: Durch den Einfluss von Booktok erleben in Vergessenheit geratene Bücher plötzlich Comebacks, während unbekannte Autor:innen über Nacht durch virale Videos zu Stars werden. Auch die reale Welt hat den Trend längst aufgegriffen: Inn vielen Buchläden gibt es mittlerweile eigene Regale mit Empfehlungen der Booktok-Community.
Hier erfährst du, warum Booktok so viel Einfluss auf eine Generation hat, die lange als lesefaul galt. Dabei wird aber auch klar: Der neue Lesehype hat nicht nur Vorteile.
Was ist BookTok?
Der berühmte Hashtag #BookTok setzt sich zusammen aus den Worten “Book” (Buch) und “TikTok” und ist in den letzten Jahren bezeichnend geworden für jeglichen Content rund um Leseerfahrungen, Buchempfehlungen und Literaturdiskussionen auf der Plattform TikTok. Ähnliche Trends und Bewegungen gibt es auch auf anderen Social-Media-Plattformen unter entsprechenden Namen wie “Bookstagram” (auf Instagram) oder “BookTube” (auf YouTube). Aber erst durch TikTok wurde daraus der Trend im aktuellen Ausmaß.
Unter dem Hashtag #BookTok kreieren Buchblogger:innen zahlreiche kurze Videoposts rund ums Thema Lesen und Bücher.
Das Ziel dabei:
- In kürzester Zeit Leseeindrücke vermitteln und besonders Emotionen einfangen, welche die Blogger:innen mit dem jeweiligen Buch verbinden.
- Eine Plattform schaffen, auf der andere Nutzer:innen ebenfalls ihr Interesse an diesen Büchern teilen können.
Besonders beliebt sind dabei Bücher für die Zielgruppe New Adult, die mit den vorherrschenden Themen Fantasy und Romance vor allem junge Erwachsene anspricht. Die meisten Booktok-Nutzenden sind junge Frauen der Generation Z.
Was steckt in einem Booktok-Beitrag?
Ein Booktok-Beitrag sieht in der Regel so aus:
- Die Blogger:innen, oft junge Frauen, halten ein Buch oder ganze Bücherstapel in die Kamera und bewerten diese.
- Der Fokus liegt dabei vor allem auf den Emotionen, die der Inhalt bei den Leser:innen auslöst.
- Oft reichen einzelne Schlagworte, um Gleichgesinnten auf der Plattform zu signalisieren, welche Art Inhalt neue Lesende in einem Buch erwartet. Manchmal flackern zum Beispiel nur Begriffe rund um die “Tropes”, also die Hauptthemen des Buches, über den Bildschirm.
Besonders beliebt sind bei Letzterem unter anderem Tropes wie “Enemies to Lovers” (Feinde zu Liebhabern). Ebenfalls oft in Booktok-Beiträgen zu lesen sind Worte wie “Spice” oder “spicy“, was sich auf sexuelle Inhalte in den Büchern bezieht.
Wie Booktok den Buchmarkt beeinflusst
In den Vereinigten Staaten hat Booktok bereits beträchtlichen Einfluss auf den Buchmarkt. Obwohl die deutschsprachige Booktok-Community noch vergleichsweise klein ist, ist ihr Einfluss auf die Branche auch hierzulande bereits deutlich erkennbar:
- In Buchläden gibt es gesonderte Regale, in denen ausschließlich Bücher aus den Booktok-Bestenlisten stehen. Aber auch aus anderen Rankings sind beliebte Booktok-Bücher nicht mehr wegzudenken. Titel von Autor:innen wie Colleen Hoover wurden besonders durch Booktok so berühmt, dass sie mittlerweile regelmäßig die Spiegel-Bestsellerlisten füllen.
- Auch große Verlagsgruppen haben das PR-Potential des Trends längst erkannt. Große Ketten wie Thalia und Hugendubel werben auf Social Media mit eigenen Videos im Stil von Booktok. So lösen die kurzen TikTok-Clips Stück für Stück klassische Werbestrategien wie Plakate und Anzeigen ab.
- Auf Festivals und Messen für Buchbegeisterte gibt es auch bereits eigene Stände und Wettbewerbe rund um das Thema Booktok.
Neue Möglichkeiten für Autor:innen
Booktok bietet Verlagen und Autor:innen zahlreiche neue Möglichkeiten rund um das Marketing ihrer Werke. Bücher können bereits vor der Veröffentlichung zu Bestsellern werden oder noch Jahre nach ihrem Erscheinen plötzlich virale Beliebtheit erreichen.
Außerdem spielt es durch Booktok oft keine Rolle mehr, ob Autor:innen sich bereits einen Namen in der Branche gemacht haben oder absolute Newcomer sind. Durch Booktok kann im Prinzip jede:r mit den eigenen Geschichten über Nacht zum Star werden. Ein berühmtes Beispiel hierfür ist die Fantasy-Reihe “Fourth Wing” von Rebecca Yarros, die 2024 durch Booktok in Deutschland extrem schnell sehr populär wurde und mittlerweile sogar schon für eine Verfilmung im Serienformat bei Amazon Prime bestätigt wurde.
Der neue Hype ums Lesen
Booktok beeinflusst besonders das Leseverhalten der Generation Z. In einem Artikel von Politikkuktur.de verweist die Autorin auf eine neue Studie der Publishers Association, in der dieser Einfluss besonders deutlich wird: In einer Umfrage mit mehr als 2.000 Personen im Alter von 16 bis 25 Jahren haben fast zwei Drittel (59 Prozent) angegeben, dass Booktok oder Buch-Influencer:innen ihre Leidenschaft für das Lesen geweckt oder neu entfacht haben. Mehr als die Hälfte (55 Prozent) dieser Altersgruppe nutzt Booktok gezielt für Buchempfehlungen.
Zudem berichten zwei Drittel, dass die Plattform sie dazu motiviert hat, Bücher zu entdecken, die sie sonst nicht gelesen hätten. Diese Ergebnisse zeigen, wie stark Booktok das Leseverhalten junger Menschen beeinflusst. Dieser Einfluss ist allerdings nicht immer nur positiv.
Die dunkle Seite von Booktok
Da Booktok vor allem junge Leser:innen anspricht, ist es zu Recht überraschend, wie viele Bücher mit dunklen Themen und Tropes unter dem Hashtag besprochen und promotet werden. Bücher wie “Hunting Adeline” oder “Very Bad Kings” gehören zu jenen Werken, die durch Booktok berühmt wurden.
Diese Bücher fallen unter den Überbegriff “Dark Romance”, also “Dunkle Romanzen” und werden diesem Namen mehr als gerecht. In solchen Geschichten geht es oft um toxische Beziehungen voller Gewalt und Manipulation und andere Inhalte, die eigentlich für die junge Zielgruppe von Booktok oft ungeeignet sind. Beliebte Tropes sind neben dem vergleichsweise harmlosen “Enemies to Lovers” zum Beispiel auch “Bully-Romance” oder gar “Stalker-Romance”. Und natürlich haben diese Geschichten oft vor allem viel “Spice”.
Dark Romance für Minderjährige
Einige dieser Bücher werden aufgrund solcher explizit sexuellen und gewalttätigen Inhalte von den Verlagen und Autor:innen mit einer Empfehlung für das Lesealter 18+ vertrieben. Auf Booktok gibt es aber keine Altersbegrenzung und so werden solche Inhalte auch Jugendlichen oder sogar Kindern angezeigt. Durch die bunten und emotionalen Darstellungen mit peppiger Musik lassen sich auf Booktok auch junge Leser:innen leicht von solchen Inhalten in den Bann ziehen.
Hinzu kommt, dass die besagten Bücher im Buchladen oft bei den Jugendromanen oder in der “TikTok-Ecke” zu finden und oft auf den ersten Blick nicht als Romane für Erwachsene zu erkennen sind. Kritische Stimmen betonen, dass es problematisch ist, wenn Minderjährige so einfach Zugang zu Literatur haben, die ernste und dunkle Themen wie Gewalt und toxische Beziehungen behandelt und dass der Booktok-Trend solche Inhalte gezielt an leicht beeinflussbare Altersgruppen vermittelt.
Überkonsum und das Geschäft mit dem Lesen
Ein weiterer Kritikpunkt an der Booktok-Community bezieht sich nicht auf die Bücher selbst, sondern darauf, wie die Bewegung das Lesen selbst kommerzialisiert und die Lesenden zu Überkonsum anregt: Es werden meist nicht nur ein oder zwei Bücher in die Kamera gehalten, sondern oft gehören zu einem Booktok-Beitrag auch Aufnahmen von Bücherbergen oder ganzen Regalen mit ästhetisch nach Farben sortierten Romanen. Das Lesen scheint oft weniger ein simpler Zeitvertreib zu sein, sondern ein regelrechter Lifestyle, der vor allem vor der Kamera gut aussehen muss.
Dass haufenweise Bücher vor allem deshalb gekauft werden, weil sie in einem TikTok-Beitrag schön aussehen und sich gut im heimischen Regal machen und weniger, um tatsächlich gelesen zu werden, ist keine Seltenheit. Dieser Überkonsum wird dadurch bestärkt, dass Verlage durch den Booktok-Trend stetig angehalten werden, ihre Bücher noch ansprechender und ästhetischer zu gestalten. Dies wiederum veranlasst Kund:innen nicht selten dazu, Bücher wegen ihrer Optik zu kaufen, obwohl sie am Inhalt eigentlich gar nicht interessiert sind.
Booktok: Die Zukunft des Lesens?
Ob positiv oder negativ, der Einfluss von Booktok auf den Buchmarkt und das Leseverhalten vieler Nutzer:innen der Plattform ist unbestreitbar. Bereits jetzt beeinflusst Booktok den nationalen und internationalen Literaturmarkt und es steht außer Frage, dass sich dieser Trend wohl in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Längst haben Verlage und große Buchläden diesen Umstand erkannt und richten ihre Verkaufsstrategien entsprechend neu aus.
Wenn du selbst oder deine Kinder oder jüngeren Familienmitglieder Booktok-Shorts anschauen, solltest du Vorsicht walten lassen. Denn nicht immer sind die beliebten Bücher auf der Plattform so unschuldig, wie sie aussehen – und einige Inhalte sind für jüngere Leser:innen gänzlich ungeeignet.
Unabhängig davon, ob man persönlich Fan der dank Booktok angepriesenen Inhalte ist: Dass Booktok viele junge Menschen zum Lesen animiert, ist definitiv eine positive Auswirkung der Social-Media-Bewegung.
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