„Wir können auch anders“ – und laut Maja Göpel müssen wir das auch, wenn wir die Klimakrise noch eindämmen wollen. In ihrem neusten Buch beschreibt die Autorin, was wir wie ändern können und wer diese Änderungen anstoßen kann.
„In unserer Welt heute spüren wir fast täglich, dass der Druck für Veränderungen auf viele Bereiche unseres Lebens so zugenommen hat, dass weitermachen wie bisher keine Option mehr ist“, so die Transformationsforscherin Maja Göpel in „Wir können auch anders“. Laut Göpel sollten wir aufhören, Veränderungen zu verdrängen und uns gegenüber einem Wandel zu versperren.
Denn der Status quo ist vor allem aufgrund der Klimakrise nicht mehr aufrechtzuerhalten. Diesen Fakt sollten wir jedoch nicht nur als Bedrohung, sondern auch als ein Signal für einen Aufbruch deuten. Visionen und Ideen zur Frage, wie dieser klimafreundliche Wandel aussehen könnte, beschreibt Göpel in ihrem ersten Buch „Unsere Welt neu denken“. In „Wir können auch anders“ geht es hingegen konkreter darum, wie wir in unserer komplexen Welt Dinge wenden können und wo wir konkret ansetzen sollten.
"Wir sind Gefangene eines Systems, von dem wir uns Freiheit versprochen haben …“
„… und aus dem wir jetzt den Ausgang nicht mehr finden.“
Visionen, Lösungsvorschläge und Theorie gibt es genug. Jetzt müssen wir jedoch anfangen, diese auch umzusetzen. Dies ist eine der Kernaussagen von Göpels neuem Buch. Göpel arbeitet selbst seit etwa 25 Jahren als Politikökonomin und Nachhaltigkeitswissenschaftlerin und ist unter anderem Mitbegründerin von „Scientists for Future“.
In „Wir können auch anders“ erläutert Göpel ein zentrales Problem unserer Gesellschaft: Große Teile der Menschheit haben heute mehr Möglichkeiten und Freiheiten als je eine andere Generation vor uns. Über Umweltsünden und soziale Ungerechtigkeiten liegen ausführliche Dokumentationen vor. Und doch werden soziale Missstände laut Göpel tendenziell schlimmer. Und wir hören nicht auf, unseren Planeten auszubeuten und die Klimakrise durch unser Handeln voranzutreiben.
Göpel schreibt: „Wir sind Gefangene eines Systems, von dem wir uns Freiheit versprochen haben und aus dem wir jetzt den Ausgang nicht mehr finden.“ Wie wir diesen Ausgang doch noch finden können, erläutert die Politikökonomin in drei Schritten:
- Zunächst beschreibt Göpel unser „Betriebssystem“, also wie unsere komplexe Welt funktioniert.
- Dann geht es darum, wie wir diesen Betrieb ändern können.
- Im letzten Kapitel stellt die Autorin die Frage: „Wer ist eigentlich wir?“ In diesem Teil des Buches geht es darum, wer wir als Menschen sein wollen.
Echter Epochenwandel statt Symptombekämpfung
Doch wie können wir die Klimakrise nun stoppen und damit das Leben von vielen Menschen, Tieren und Pflanzen retten? Auf eine der dringendsten Fragen unserer Zeit hat Göpel eine klare Antwort: Es braucht einen echten Epochenwandel. Die Veränderungen, die wir angesichts der Klimakrise in Gang setzen müssen, vergleicht die Autorin mit großen historischen Transformationsprozessen, wie der Erfindung des Ackerbaus oder der Industrialisierung.
Es reiche also nicht aus, nur an einzelnen Teilgebieten zu arbeiten. Wir müssen das System immer als Ganzes betrachten. Göpel führt dafür das Beispiel der Verkehrswende an: Es sei nicht ausreichend, einfach alle Verbrenner durch Elektroautos zu ersetzen. Denn dann gäbe es immer noch viel zu viele Fahrzeuge, die ressourcenintensiv hergestellt und gewartet werden müssten und besonders in Städten zu viel Platz einnähmen. Stattdessen brauche es tiefgreifendere Umwälzungen, die ökologische, ökonomische und soziale Aspekte sinnvoll verbinden.
Göpel betont, dass wir nicht mehr nur Symptome bekämpfen, sondern bei den tatsächlichen Ursachen ansetzen müssen. Nur dann könnte es auch im gesellschaftlichen System zu sogenannten Kipppunkten kommen.
Kipppunkte sind aus ökologischer Sicht zwar etwas Negatives, da sie die Klimakrise weiter vorantreiben. Im gesellschaftlichen Kontext können sie jedoch etwas Positives sein und wichtige Veränderungen zu einer klimafreundlichen Zukunft anstoßen. Göpel nennt die Wutrede von Greta Thunberg im Jahr 2019 beim UN-Klimagipfel als Beispiel. Die Rede trat weltweit eine Welle an Klimademonstrationen los: Etwa vier Millionen Menschen demonstrierten als Folge für mehr Klimaschutz. Ein richtiger Schritt zur richtigen Zeit kann also große Wirkungen erzielen.
Wer wollen „wir“ sein?
Göpel verwendet in ihrem Buch fast ausschließlich die „Wir“-Form und scheint uns damit als Gesellschaft anzusprechen. Im letzten Kapitel stellt sie schließlich die entscheidende Fragen, wer „wir“ eigentlich sind. Sie erläutert, dass sie mit „wir“ uns als Menschen meint. So wie Menschen den Klimawandel oder soziale Ungerechtigkeiten verursacht haben, können sie nun auch Lösungen umsetzen, um diese Missstände wieder zu stoppen beziehungsweise zu minimieren.
Die Autorin stellt zum Schluss die philosophische Frage, was uns eigentlich menschlich macht. Sie betont dabei, dass wir selbst definieren müssen, was „Menschen“ sind beziehungsweise wer wir als Menschheit sein wollen. Nach dem altgriechischen Vorbild der „arreté“ stellt sie dabei den Leitsatz auf, dass wir alle versuchen sollten, der beste Mensch zu sein, der wir nur sein können.
„Wir können auch anders“ ist also Aufruf, Mahnung und Ermutigung zugleich. So sehr die Autorin negative Beispiele und Krisen betont, so sehr beschreibt sie auch positive Entwicklungen und macht damit Mut, den dringlich erforderlichen Wandel als Chance zu begreifen und gemeinsam anzustoßen.
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