Chiasamen: Superfood oder Superhype?

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Chiasamen enthalten viel Protein, ungesättigte Fettsäuren und Mineralstoffe. Doch wie gesund ist das Superfood tatsächlich und welche Wirkung hat es?

Chia-Samen gelten als echtes Superfood: Dank Ballaststoffen, Proteinen und Omega-3-Fettsäuren werden den Samen viele gesundheitliche Effekte nachgesagt: Sie sollen die Verdauung fördern, Gelenkschmerzen und Sodbrennen lindern, den Blutzucker regulieren und gleichzeitig den Bluthochdruck senken. Zudem gelten Chiasamen als Geheimtipp für gesunde Haut und zum Abnehmen. Doch was davon stimmt tatsächlich und inwiefern können Chiasamen vielleicht sogar ungesund sein?

Was sind eigentlich Chiasamen?

Die Chia-Pflanze ist eine blaublühende, einjährige Pflanze aus der Familie der Lippenblütler mit dem botanischen Name Salvia hispanica L. Ursprünglich stammt sie aus Mexiko: Schon die Azteken und Maya nutzen die Samen der Pflanze als Heilpflanze und Nahrungsmittel.

Die etwa zwei Millimeter kleinen braunen, grauen, weißen oder schwarzen Samen können roh oder getrocknet verzehrt werden. Gerne werden sie als Verdickungsmittel in Suppen oder Flüssigkeiten genutzt – schließlich können sie etwa ein zehnfaches ihres Gewichts an Flüssigkeit aufnehmen. Und weil Chiasamen reich an Fett sind, werden sie auch zur Herstellung von Öl verwendet.

Chiasamen waren in der Europäischen Union bis vor wenigen Jahren ein unbekanntes und nicht verwendetes Lebensmittel, deshalb wurden sie erstmals im Jahr 2009 als neuartiges Lebensmittel zugelassen: Zunächst nur als Zutat mit maximal fünf Prozent in Backwaren und Müsli, inzwischen dürfen sie auch als eigenständiges vorverpacktes Lebensmittel verkauft werden.

Chiasamen in einer Nachspeise
Chiasamen in einer Nachspeise (Foto: © Pixabay / siobhandolezal)

Inhaltsstoffe, Nährwerte und Kalorien der Chiasamen

Zwei Esslöffel sollen Energie für den ganzen Tag geben – so besagt es eine alte Legende um die Soldaten der Azteken. Das lässt auf ein sehr energiereiches Nahrungsmittel schließen. Und tatsächlich enthalten 100 g Chiasamen etwa 440 Kilokalorien. Den größten Anteil davon machen Kohlenhydrate mit etwa 40 Prozent und Fette mit bis zu 38 Prozent gefolgt von Proteinen mit etwa 20 Prozent aus.

Chiasamen enthalten zudem Vitamine wie Vitamin A, Niacin, Thiamin, Riboflavin und Folsäure sowie die Mineralstoffe Calcium, Phosphor, Kalium, Zink und Kupfer und Antioxidantien.

Obwohl Chiasamen mit fast 40 Prozent ein recht fetthaltiges Lebensmittel sind, ist der Anteil an gesunden Fettsäuren relativ hoch: Rund 60 Prozent des enthaltenen Fettes sind Omega-3-Fettsäuren, 20 Prozent Omega-6 und gesättigte Fettsäuren machen nur etwa neun Prozent aus. Ein weiterer Pluspunkt der Samen sind die enthaltenen Ballaststoffe, die in Verbindung mit Wasser eine Art Schleim oder Gel bilden.

Welche Wirkung hat das Superfood?

Die Inhaltsstoffe von Chiasamen – Ballaststoffe, gesunde Fett, Proteine sowie Vitamine und Mineralstoffe – lassen vermuten, dass es sich um ein sehr gesundes Lebensmittel handelt. So sind Omega 3- und 6-Fettsäuren beispielsweise gut für die Cholesterinwerte und können den Blutdruck senken. Und ein hoher Anteil an Ballaststoffen macht zudem schneller satt, weswegen Chiasamen beim Abnehmen als unterstützend empfohlen werden. Zudem gelten die Körner als Powersnack für Sportler:innen – ganz so wie damals bei den Azteken.

Da es sich um Pseudogetreide handelt, können alle mit Gluten-Unverträglichkeit oder einer Allergie auf Nüsse, Soja-Proteine oder ähnliches aufatmen: Chiasamen enthalten keinen dieser Bestandteile.

Chiasamen
Chiasamen quellen stark und wandeln einen Teil ihrer Proteine in eine Art Gelee um. Daher sollten sie immer zusammen mit Flüssigkeit gegessen werden. (Foto: © Pixabay / ximatsuking)

Aktuelle Studien: So gesund sind Chiasamen

Da Chiasamen in Europa erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit zugelassen sind, gibt es nur wenige Untersuchung über die Wirkung und den Gesundheitswert:

  • Eine ältere Studie aus dem Zulassungsjahr 2009 untersuchte inwieweit der Verzehr von Chiasamen bei übergewichtigen Erwachsenen das Gewicht sowie weitere Risikofaktoren für Krankheiten beeinflussen kann. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Es konnte kein Einfluss durch die Samen festgestellt werden.
  • Eine Studie aus dem Jahr 2012 untersuchte anhand von 56 übergewichtigen Frauen den Einfluss des Verzehrs von Chia und kam zu ähnlichen Ergebnissen: Zwar waren die Werte der Omega Fettsäuren im Blut erhöht, der Chia-Verzehr wirkte sich jedoch nicht auf Entzündungs- oder Krankheitsrisikofaktoren aus.
  • 2014 konnte eine Studie positive Effekte durch die Einnahme belegen: Der 12-wöchige Verzehr von Chia führte zu einer leichten, aber signifikanten Reduktion von Gewicht und Taillenumfang.

Demnach kann Chia also positive Wirkungen auf die Blutfettwerte haben und beim Abnehmen helfen, eindeutig sind die Ergebnisse bisher allerdings nicht. Trotzdem wird oft mit dem Superfood und seinen Wunderwirkungen geworben – erlaubt ist das allerdings nicht unbedingt.

Health Claims: Diese Werbeaussagen sind verboten

Die sogenannten Health Claims regeln, welche Werbeaussagen zu welchen Lebensmitteln getroffen werden dürfen und welche nicht. Dadurch sollen die Verbraucher:innen vor falschen oder irreführenden Aussagen geschützt werden.

Für Chiasamen gibt es bisher keinen von der EU zugelassenen Health Claim, weil es bisher nicht ausreichend Belege für eine gesundheitsfördernde Wirkung gibt. Das bedeutet, Hersteller dürfen nicht mit der Linderung von gesundheitlichen Problemen (wie Verdauungsprobleme, Sodbrennen oder Gelenkbeschwerden) werben. Erlaubt ist derzeit lediglich, mit dem hohen Ballaststoffgehalt zu werben.

Chiasamen
(Foto: © Stocksnap / Daria Nepriakhina)

Können Chiasamen (trotzdem) beim Abnehmen helfen?

Chiasamen enthalten viele Ballaststoffe und quellen sehr stark auf, deshalb halten sie dich lange satt und können bei der Gewichtsreduktion unterstützen. Eine Wunderwaffe zum Abnehmen sind sie allerdings trotzdem nicht. Grundsätzlich kann ein einziges natürliches Lebensmittel allein ein gesundheitliches Problem heilen. Dennoch ist es natürlich möglich, dass die Samen als Teil einer gesunden Ernährung beim Abnehmen helfen.

Übrigens gibt es auch regionale Superfood-Alternativen:

Wann sind Chiasamen ungesund?

Chiasamen sind allerdings nicht immer gesund: Unter Umständen können sie sogar gesundheitlich schädliche Wirkungen haben. Wer beispielswiese zu viele Chiasamen mit zu wenig Wasser aufnimmt, der kann an Verstopfungen und Blähungen leiden: Die Samen quellen stark auf und können in der Kombination mit zu wenig Flüssigkeit zu schmerzhaften Verdauungsstörungen führen.

Die Verbraucherzentralen weisen darauf hin, dass manche Menschen allergisch auf Chia reagieren. Wenn dir bewusst ist, dass du empfindlich auf andere Lippenblütler wie Minze, Thymian, Rosmarin oder Salbei reagierst, solltest du bei Chiasamen vorsichtig sein.

Auch kann es zu Wechselwirkungen mit blutverdünnenden Medikamenten kommen. Insbesondere Menschen, die solche Medikamente einnehmen und Chiakapseln verwenden wollen, sollten vorsichtig sein und die Einnahme zuvor ärztlich abklären.

Chiasamen
Wenn Chiasamen zum Frühstück im Müsli oder den Cornflakes mit Milchoder Joghurt gegessen werden, ist für ausreichend Flüssigkeit gesorgt. (Foto: © Unsplash)

Wie stark ist die Schadstoffbelastung bei Chiasamen?

Eine weitere gesundheitlich bedenkliche Wirkung geht von Schadstoffen in Chiasamen aus. Während ältere Untersuchungen von ÖKO-TEST (2016) sogar bei Bio-Produkten deutliche Belastungen mit Pestiziden und Mineralölen feststellten, wurden zuletzt Verunreinigungen mit Salmonellen und krebserregenden Schimmelpilzgiften (Aflatoxin) belastete Chia-Samen gemeldet.

Was du bei der Verwendung von Chiasamen beachten solltest

Wenn du Chiasamen verwenden möchtest, solltest du ein paar Aspekte beachten:

  • Chiasamen quellen stark, deshalb solltest du sie immer zusammen mit Flüssigkeit aufnehmen. Eine Möglichkeit ist, dass du sie einfach über Nacht einweichen lässt: Mindestens mit der doppelten Menge Wasser in ein Glas gegeben und über Nacht stehen lassen, dabei entsteht eine Art Chia-Gelee, das quasi geschmacklos ist und gut verstoffwechselt werden kann.
  • Damit die wertvollen Omega-3-Fettsäuren freigesetzt und vom Körper wirklich aufgenommen werden können, solltest du Chiasamen immer gut kauen oder geschrotet verwenden: Dadurch werden die Fettsäuren freigelegt und nicht einfach mit der Verdauung wieder ausgeschieden.

Wie viele Chiasamen pro Tag?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt, nicht mehr als 15 Gramm (etwa zwei Esslöffel) unverarbeitete Chiasamen pro Tag zu sich zu nehmen, da die Wirkungen bisher noch nicht abschließend erforscht sind.

Worauf du beim Kauf von Chiasamen achten solltest

Beim Kauf von Chiasamen solltest du auf Bio-Qualität achten, dadurch verringerst du die Wahrscheinlichkeit, dass die Samen mit Pestiziden belastet sind. Du bekommst die kleinen Samen inzwischen in fast jedem Supermarkt und Bioladen – in unterschiedlichen Preiskategorien.

Auch wenn es bisher nur kleine Erträge gibt, kann man inzwischen sogar schon Chia aus Deutschland kaufen.

Nachhaltigkeit und Chiasamen

Chiasamen haben, was Umwelt und Nachhaltigkeit betrifft, zwei große Probleme: Einerseits die langen Transportwege, da die Samen in der Regel aus Südamerika oder Australien stammen. Und andererseits der problematische Umgang sowie unzureichende Kontrollen in Bezug auf Pestizide und Düngemittel in den Anbauregionen.

Es gibt zwar erste Versuche Chia auch in Deutschland anzubauen, allerdings bedarf es wohl noch ein paar Jahre Züchtung, bis größere Erträge an regionalem Chia geerntet werden können.

Chiasamen
Chiasamen kommen aus Südamerika oder Australien – sie legen also weite Transportwege zurück. (Foto: © Pixabay / fesehe)

Chiasamen vs. Leinsamen

Oft werden Leinsamen als regionale Alternative zu Chiasamen genannt: Die Lebensmittel ähneln sich in Bezug auf ihre Nährstoffe und die Verwendungsmöglichkeiten – schließlich quellen auch Leinsamen in Verbindung mit Flüssigkeit stark auf.

Die Vorteile an Leinsamen: Es gibt sie aus regionalem Anbau und sie sind oft deutlich günstiger als Chiasamen. Allerdings solltest du wegen der Belastung mit Cadmium und Blausäure auch von Leinsamen nicht mehr als 20 Gramm pro Tag essen.

Chiasamen: Mehr Hype als Superfood?

Alles in allem verdienen Chiasamen den Titel „Superfood“ nicht wirklich. Sicher, sie enthalten viel Proteine, ungesättigte Fettsäuren, Mineralstoffe und Antioxidantien, die eine gesundheitliche Wirkung haben könnten – wissenschaftlich bewiesen ist das noch lange nicht.

Und über die richtige Dosis, um überhaupt eine Wirkung feststellen zu können, ist auch noch nichts bekannt. Dafür waren im Test auch Bio-Produkte mit Pestiziden, Mineralölen, Cadmium und Blei kontaminiert, Stoffen, die die Gesundheit erwiesenermaßen schädigen.

Und der Preis für die Ölsaaten aus Mexiko ist auch relativ hoch, genauso wie die Umweltschädigung durch Anbau und Transportwege. Für eine nicht nachgewiesene Wirkung eindeutig zu viele negative Aspekte.

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