Chiasamen: Superfood oder Superhype?

Superfood Chiasamen: Wie gesund ist die Wirkung?
Foto: CC0 Public Domain / Unsplash.com – Anto Meneghini

Chiasamen gelten als Superfood: Sie enthalten viel Protein, ungesättigte Fettsäuren und Mineralstoffe. Doch wie gesund sind die kleinen Samen tatsächlich und welche Wirkung ist belegt?

Dank Ballaststoffen, Proteinen und Omega-3-Fettsäuren werden Chiasamen viele gesundheitliche Effekte nachgesagt: Sie sollen angeblich die Verdauung fördern, Gelenkschmerzen und Sodbrennen lindern, den Blutzucker regulieren und den Blutdruck senken. Zudem gelten Chiasamen als Geheimtipp für gesunde Haut und zum Abnehmen. Doch was davon stimmt tatsächlich – und können Chiasamen auch ungesund sein?

Was sind eigentlich Chiasamen?

Die Chia-Pflanze ist eine blau blühende, einjährige Pflanze aus der Familie der Lippenblütler mit dem botanischen Name Salvia hispanica L. Ursprünglich stammt sie aus Mexiko. Schon Azteken und Maya sollen die Samen der Pflanze als Heilpflanze und Nahrungsmittel genutzt haben.

Die etwa zwei Millimeter kleinen braunen, grauen, weißen oder schwarzen Samen kann man roh oder getrocknet verzehren. Gerne werden sie als Verdickungsmittel in Suppen oder Flüssigkeiten genutzt, denn sie können etwa ein zehnfaches ihres Gewichts an Flüssigkeit aufnehmen. Und weil Chiasamen reich an Fett sind, werden sie auch zur Herstellung von Öl verwendet.

Chiasamen waren in der Europäischen Union bis in die 2010er-Jahre ein weitgehend unbekanntes Lebensmittel. Erstmals wurden sie im Jahr 2009 als neuartiges Lebensmittel zugelassen, zunächst als Zutat in Backwaren und Müsli. Längst dürfen sie auch als eigenständiges vorverpacktes Lebensmittel verkauft werden.

Chiasamen
Chiasamen in einer Nachspeise (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / siobhandolezal)

Chiasamen: Inhaltsstoffe, Nährwerte und Kalorien

Zwei Esslöffel Chiasamen sollen Energie für den ganzen Tag geben – so besagt es eine alte Legende um Soldaten der Azteken. Das lässt auf ein sehr energiereiches Nahrungsmittel schließen. Und tatsächlich enthalten 100 Gramm Chiasamen etwa 440 Kilokalorien. Den größten Anteil davon machen Kohlenhydrate mit etwa 40 Prozent und Fette mit bis zu 38 Prozent aus, gefolgt von Proteinen mit etwa 20 Prozent.

Chiasamen enthalten zudem Vitamine wie Vitamin A, Niacin, Thiamin, Riboflavin und Folsäure sowie die Mineralstoffe Calcium, Phosphor, Kalium, Zink und Kupfer und Antioxidantien.

Obwohl Chiasamen ein fetthaltiges Lebensmittel sind, ist der Anteil an gesunden Fettsäuren relativ hoch: Rund 60 Prozent des enthaltenen Fettes sind Omega-3-Fettsäuren und 20 Prozent Omega-6-Fettsäuren. Gesättigte Fettsäuren machen nur etwa neun Prozent aus.

Ein weiterer gesundheitlicher Pluspunkt der Samen sind die enthaltenen Ballaststoffe, die in Verbindung mit Wasser eine Art Schleim oder Gel bilden.

Welche Wirkung hat das Superfood?

Die Inhaltsstoffe von Chiasamen – Ballaststoffe, gesunde Fett, Proteine sowie Vitamine und Mineralstoffe – lassen vermuten, dass es sich um ein sehr gesundes Lebensmittel handelt. So sind Omega 3- und 6-Fettsäuren beispielsweise gut für die Cholesterinwerte und können den Blutdruck senken.

Ein hoher Anteil an Ballaststoffen macht zudem schnell satt, weswegen Chiasamen beim Abnehmen als unterstützend empfohlen werden. Die Körner gelten auch als Powersnack für Sportler:innen. Da es sich um Pseudogetreide handelt, können Menschen mit Gluten-Unverträglichkeit oder einer Allergie auf Nüsse aufatmen: Chiasamen enthalten keinen dieser Bestandteile.

Doch welche der gesundheitlichen Wirkungen sind wissenschaftlich tatsächlich belegt?

Chiasamen
Chiasamen quellen stark auf und wandeln einen Teil ihrer Proteine in eine Art Gelee um. Daher sollte man sie immer zusammen mit Flüssigkeit essen. (Foto: CC0 Public Domain / Pixabay / ximatsuking)

Aktuelle Studien: So gesund sind Chiasamen wirklich

Da Chiasamen in Europa erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit zugelassen sind, gibt es nur wenige Untersuchungen über die Wirkung und den Gesundheitswert von Chia:

  • Eine ältere Studie aus dem Zulassungsjahr 2009 untersuchte, inwieweit der Verzehr von Chiasamen bei übergewichtigen Erwachsenen das Gewicht sowie weitere Risikofaktoren für Krankheiten beeinflussen kann. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Es konnte kein Einfluss durch die Samen festgestellt werden.
  • Eine Studie aus dem Jahr 2012 untersuchte anhand von 56 übergewichtigen Frauen den Einfluss des Verzehrs von Chia und kam zu ähnlichen Ergebnissen: Zwar waren die Werte der Omega Fettsäuren im Blut erhöht, der Chia-Verzehr wirkte sich jedoch nicht auf Entzündungs- oder Krankheitsrisikofaktoren aus.
  • 2014 konnte eine Studie positive Effekte durch die Einnahme dokumentieren: Der 12-wöchige Verzehr von Chia führte zu einer leichten, aber signifikanten Reduktion von Gewicht und Taillenumfang.

Demnach ist es zwar möglich, dass Chiasamen positive Wirkungen auf die Blutfettwerte haben und beim Abnehmen helfen. Eindeutig sind die wissenschaftlichen Erkennnisse bisher aber nicht. Dennoch wird oft mit dem Superfood und seinen Wunderwirkungen geworben – erlaubt ist das jedoch nicht unbedingt.

Health Claims: Diese Werbeaussagen sind erlaubt

Die sogenannten Health Claims regeln, welche Werbeaussagen zu welchen Lebensmitteln getroffen werden dürfen und welche nicht. Dadurch sollen die Verbraucher:innen vor falschen oder irreführenden Aussagen geschützt werden.

Für Chiasamen gibt es bisher keinen von der EU zugelassenen Health Claim, weil es bisher nicht ausreichend Belege für eine gesundheitsfördernde Wirkung gibt. Das bedeutet, Hersteller dürfen nicht mit der Linderung von gesundheitlichen Problemen durch Chiasamen werben (wie Verdauungsproblemen, Sodbrennen oder Gelenkbeschwerden). Erlaubt ist derzeit lediglich, mit dem hohen Ballaststoffgehalt zu werben.

Chia- beziehungsweise Leinsamen-Pudding muss einige Stunden quellen, bevor du ihn isst.
Durch ihren hohen Ballaststoffgehalt können Chiasamen theoretisch beim Abnahmen helfen – aber nur als Teil einer gesunden, abwechslungsreichen Ernährung. (Foto: CC0 / Unsplash / Ash Edmonds)

Können Chiasamen beim Abnehmen helfen?

Chiasamen enthalten viele Ballaststoffe und quellen sehr stark auf, deshalb halten sie lange satt und können bei der Gewichtsreduktion unterstützen. Eine Wunderwaffe zum Abnehmen sind sie allerdings trotzdem nicht. Grundsätzlich kann ein einziges Lebensmittel allein kein gesundheitliches Problem heilen. Dennoch ist es natürlich möglich, dass die Samen als Teil einer ausgewogenen Ernährung beim Abnehmen helfen.

Übrigens gibt es auch regionale Superfood-Alternativen:

Wann sind Chiasamen ungesund?

Chiasamen sind nicht immer gesund: Unter Umständen können sie sogar gesundheitlichschädliche Wirkungen haben. Wer beispielswiese zu viele Chiasamen mit zu wenig Wasser aufnimmt, kann an Verstopfungen und Blähungen leiden. Die Samen quellen stark auf und können in der Kombination mit zu wenig Flüssigkeit zu schmerzhaften Verdauungsstörungen führen.

Die Verbraucherzentralen weisen darauf hin, dass manche Menschen allergisch auf Chia reagieren. Wenn dir bewusst ist, dass du empfindlich auf andere Lippenblütler wie Minze, Thymian, Rosmarin oder Salbei reagierst, solltest du bei Chiasamen vorsichtig sein.

Auch kann es zu Wechselwirkungen mit blutverdünnenden Medikamenten kommen. Insbesondere Menschen, die solche Medikamente einnehmen und Chiakapseln verwenden wollen, sollten vorsichtig sein und die Einnahme zuvor ärztlich abklären.

Wie stark ist die Schadstoffbelastung?

Eine weitere gesundheitlich bedenkliche Wirkung kann von Schadstoffen in Chiasamen ausgehen. Ältere Untersuchungen von ÖKO-TEST (2016) stellten sogar bei Bio-Produkten deutliche Belastungen mit Pestiziden und Mineralölen fest, neuere Tests gibt es keine. Allerdings wurden zuletzt vereinzelt Verunreinigungen mit Salmonellen und krebserregenden Schimmelpilzgiften (Aflatoxin) belastete Chia-Samen gemeldet.

Was du bei der Verwendung beachten solltest

Wenn du Chiasamen verwenden möchtest, solltest du ein paar Aspekte beachten:

  • Chiasamen quellen stark auf, deshalb solltest du sie immer zusammen mit Flüssigkeit aufnehmen. Eine Möglichkeit ist, dass du sie einfach über Nacht einweichen lässt: Mindestens mit der doppelten Menge Wasser in ein Glas gegeben und über Nacht stehen lassen, dabei entsteht eine Art Gelee, das quasi geschmacklos ist und gut verstoffwechselt werden kann.
  • Damit die wertvollen Omega-3-Fettsäuren freigesetzt und vom Körper wirklich aufgenommen werden können, solltest du Chiasamen immer gut kauen oder sie geschrotet verwenden: Dadurch werden die Fettsäuren freigelegt und nicht einfach mit der Verdauung wieder ausgeschieden.

Wie viele Chiasamen pro Tag?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt, nicht mehr als 15 Gramm (etwa zwei Esslöffel) unverarbeitete Chiasamen pro Tag zu konsumieren, da die Wirkungen bisher noch nicht abschließend erforscht sind.

Je nach Verwendungszweck, Gewohnheit und individueller Verträglichkeit kann die Menge an Chiasamen für dich allerdings auch geringer ausfallen: Probiere aus, was deinem Körper gut tut. Sobald du Blähungen, Verstopfungen oder andere Nebenwirkungen bemerkst, solltest du die Menge reduzieren.

Worauf du beim Kauf achten solltest

Beim Kauf von Chiasamen solltest du auf Bio-Qualität achten, dadurch verringerst du die Wahrscheinlichkeit, dass die Samen mit Pestiziden belastet sind. Du bekommst die kleinen Samen inzwischen in fast jedem Supermarkt und Bioladen – in unterschiedlichen Preiskategorien. Und selbst, wenn es bisher nur kleine Erträge gibt, kann man inzwischen sogar den ersten Chia aus Deutschland kaufen.

Sind Chiasamen nachhaltig?

Chiasamen haben, was Umwelt und Nachhaltigkeit betrifft, zwei große Probleme: Einerseits die langen Transportwege, da die Samen in der Regel aus Südamerika oder Australien stammen. Und andererseits ein problematischer Umgang sowie unzureichende Kontrollen in Bezug auf Pestizide und Düngemittel in den Anbauregionen. Zwar gibt es erste Versuche Chia auch in Deutschland anzubauen, allerdings bedarf es wohl noch ein paar Jahre Züchtung, bis größere Erträge an regionalem Chia geerntet werden können.

Chiasamen
Chiasamen kommen aus Südamerika oder Australien – sie legen also weite Transportwege zurück. (Foto: © Pixabay / fesehe)

Chiasamen vs. Leinsamen

Oft werden Leinsamen als regionale Alternative zu Chiasamen genannt: Die Lebensmittel ähneln sich in Bezug auf ihre Nährstoffe und die Verwendungsmöglichkeiten – schließlich quellen auch Leinsamen in Verbindung mit Flüssigkeit stark auf. Und sie haben gegenüber Chia tatsächlich Vorteile: Es gibt Leinsamen aus regionalem Anbau und sie sind oft deutlich günstiger als Chiasamen. Allerdings solltest du wegen der Belastung mit Cadmium und Blausäure auch von Leinsamen nicht mehr als 20 Gramm pro Tag essen.

Chiasamen: Wirklich ein Superfood?

Alles in allem steckt hinter Chiasamen wohl mehr Hype als Superfood. Sie enthalten zwar viel Protein, ungesättigte Fettsäuren, Mineralstoffe und Antioxidantien, die eine positive gesundheitliche Wirkung haben könnten – wissenschaftlich abschließend bewiesen ist das allerdings noch nicht.

Die Samen können zu einer gesunden Ernährung beitragen, sie allein sind jedoch kein Wundermittel. Anstatt auf ein bestimmtes Superfood zu setzen, solltest du lieber auf einen grundsätzlich gesunden Lebensstil und eine ausgewogene Ernährung achten. Außerdem gibt es viele regionale Superfood-Alternativen, die oft sogar viel günstiger sind.

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