Bei Direct Air Capture geht es darum, CO2 aus der Luft zu filtern. Es lässt sich anschließend nutzen oder im Boden speichern. So kann Direct Air Capture einen Beitrag zur Senkung des CO2-Gehalts in der Atmosphäre leisten.
Der fünfte Assessment-Report des Weltklimarats (IPCC) zeigte schon vor einigen Jahren, dass es nur mit weitreichenden Maßnahmen möglich sein wird, den weltweiten Temperaturanstieg bis 2100 auf unter zwei Grad zu begrenzen. Bei den meisten Wegen zu diesem Ziel bezog der IPCC sogenannte „negative Emissionen“ ein. Das bedeutet, dass wir Menschen bereits emittiertes CO2 wieder aus der Luft holen. Dies kann beispielsweise durch Aufforstung gelingen, da Bäume CO2 speichern.
Eine andere, naheliegende Möglichkeit ist das sogenannte „Direct Air Capture“. Hierbei filtern Anlagen das CO2 direkt aus der Luft. Anschließend dient es beispielsweise als Rohstoff in der chemischen Industrie. Alternativ lässt es sich in geeigneten unterirdischen Lagerstätten speichern. Einen ausführlichen Überblick über die Funktionsweise, Vor- und Nachteile sowie den Stand der Forschung und Umsetzung von Direct Air Capture gibt beispielsweise eine Studie des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie aus dem Jahr 2019.
Wie funktioniert Direct Air Capture?
Im Grunde besteht Direct Air Capture aus zwei Schritten:
- Ein Material ad- oder absorbiert das CO2. Adsorbieren bedeutet, dass sich das CO2 auf der Oberfläche des Materials ablagert. Absorbieren dagegen heißt, dass das CO2 in das Material eindringt.
- Damit sich das CO2 nutzen oder unterirdisch speichern lässt, muss es wieder vom Filter getrennt werden.
Verschiedene Anlagen für Direct Air Capture nutzen unterschiedliche Materialien und Verfahren, um das CO2 zurückzugewinnen. Insgesamt lässt sich allerdings zwischen Hoch- und Niedrigtemperaturen unterscheiden. Bei Hochtemperaturverfahren sind Temperaturen von nahezu 1.000 Grad Celsius nötig, während Niedrigtemperaturverfahren bei weniger als 100 Grad Celsius funktionieren.
Vor- und Nachteile von Direct Air Capture
Direct Air Capture kann, wie oben erwähnt, bei der Bekämpfung der Klimakrise eine wichtige Rolle spielen – aus diesen Gründen:
- Direct Air Capture stellt klimaneutrales CO2 für verschiedenste Anwendungen zur Verfügung. Insbesondere für die chemische Industrie wird klimaneutrales CO2 in Zukunft ein wertvoller Rohstoff sein. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, wofür CO2 sich nutzen lässt, lies hier weiter: CCU (Carbon Capture and Utilization): Baustein für klimafreundliche Industrie?
- Alternativ lässt sich das abgeschiedene CO2 dauerhaft im Boden speichern. So sinkt der CO2-Gehalt in der Atmosphäre.
- Laut einer Studie von 2021 ist der Platzbedarf für Direct-Air-Capture-Anlagen im Vergleich zu anderen Verfahren zur CO2-Abscheidung wie BECCS gering. Bei BECCS ziehen Energiepflanzen wie Bäume oder Getreide das CO2 aus der Luft. Die Pflanzen werden nach der Ernte zur Gewinnung von Strom in Biogasanlagen oder für Kraftstoffe genutzt. Das freiwerdende CO2 lässt sich wie beim Direct Air Capture abscheiden und im Boden speichern.
Ein Nachteil von Direct Air Capture gegenüber anderen Abscheidetechniken für CO2 ist, dass der CO2-Gehalt in der Luft sehr gering ist. Er liegt bei nur 0,04 Volumenprozent. Deshalb ist Direct Air Capture ein relativ energieaufwändiges Verfahren. Insbesondere für die Hochtemperaturmethode kommen momentan noch Gasbrenner zum Einsatz. Dabei entsteht etwa eine halbe Tonne neues CO2 pro abgeschiedener Tonne CO2. Das Niedrigtemperaturerfahren hat dieses Problem nicht – es kann die Abwärme von Industrieanlagen nutzen.
Was die CO2-Emissionen angeht, ist es besser, das abgeschiedene CO2 im Boden zu speichern, als es weiter zu nutzen. Denn bei der Nutzung gelangt das CO2 über kurz oder lang wieder in die Atmosphäre, wenn es nicht erneut abgeschieden wird. Für die Speicherung im Boden braucht es wiederum geeignete Lagerstätten, in denen das CO2 garantiert dauerhaft bleibt. Zudem erhöht die CO2-Speicherung laut der internationalen Energieagentur IEA die Kosten von Direct Air Capture. Das liegt unter anderem daran, dass das CO2 für die Speicherung komprimiert werden muss.
Löst Direct Air Capture die Klimakrise?
Direct Air Capture klingt insgesamt wie eine nahezu perfekte Lösung der Klimakrise. Die Studie von 2021 bezweifelt jedoch, dass die Menschheit es schaffen wird, rechtzeitig ausreichend viele und effiziente Anlagen zu schaffen. Die Autor:innen der Studie prognostizieren, dass es selbst mit einem enormen Investitionsprogramm bis 2050 nur genug Anlagen geben wird, um sechs Prozent der jährlichen globalen CO2-Emissionen aus der Luft zu holen. Das reicht bei Weitem nicht aus, um klimaneutral zu werden. So urteilt auch „Klimareporter„, dass sich die Menschheit nicht auf Direct Air Capture als Ausweg aus der Klimakrise verlassen könne. Wir kommen nicht darum herum, unsere Treibhausgasemissionen so schnell wie möglich zu senken.
Aktuell gibt es weltweit laut der IEA etwa 15 funktionierende Direct-Air-Capture-Anlagen, die zusammen jährlich mehr als 9.000 Tonnen CO2 abscheiden. Zum Vergleich: Alleine Deutschland hat 2019 über 800 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente ausgestoßen. Laut dem Wuppertal Institut befindet sich das Verfahren momentan noch in der Phase der Forschung und Entwicklung. Bis zur kommerziellen Nutzung werden wohl noch einige Jahre vergehen. Deutsche Unternehmen sind in die neue Technik bisher übrigens nicht involviert.
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