Dunkelflauten treten auf, wenn zeitgleich Windstille und Dunkelheit herrschen. Für die Energiewende stellen sie eine Herausforderung dar. Wie häufig Dunkelflauten sind, welche Risiken sie bergen und wie sie sich ausgleichen lassen, erfährst du hier.
Der Begriff „Dunkelflaute“ kommt aus dem Bereich der erneuerbaren Energien. Gemeint ist damit ein längerer Zeitraum, in dem die Sonne wenig oder kaum scheint und zugleich wenig oder gar kein Wind weht. Das hat Auswirkungen auf die Energiegewinnung, weil der Stromertrag von Windrädern und Photovoltaik-Anlagen durch solche Ausfälle stark absinkt. Eine Dunkelflaute kann nur einige Stunden, im ungünstigsten Fall aber auch tage- oder sogar wochenlang anhalten. Eindeutig festgelegt ist bisher nicht, welche Grenzwerte gelten müssen, damit man von einer Dunkelflaute sprechen kann.
Weil die Windenergie von den natürlichen Wetterbedingungen abhängig ist, sind Dunkelflauten nicht vermeidbar. Vor allem in den Herbst- und Wintermonaten besteht ein höheres Risiko. Damit es trotz länger anhaltender Windstille und Dunkelheit nicht zu Stromausfällen kommt, ist es wichtig, dass das Stromnetz solche Ausfälle ausgleichen kann. Absichern lässt sich das Netz zum Beispiel durch gespeicherte Energiereserven oder durch Strom aus anderen Energiequellen.
Wie häufig treten Dunkelflauten auf?
Das Risiko einer Dunkelflaute steigt in den späten Herbstmonaten und im Winter, wenn die Tage kürzer und dunkler werden. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hat in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass es von 1995 bis 2005 durchschnittlich zweimal im Jahr zu Dunkelflauten kam, die große Gebiete betrafen und 48 Stunden oder länger andauerten. Längere Dunkelflauten von zwei Wochen Dauer treten laut einer Studie von 2017 durchschnittlich alle zwei Jahre in Deutschland auf.
Aktuellere Daten hält der vom Science Media Center Germany (SMC) entwickelte Dunkelflauten-Guide bereit. Hier lassen sich die Stromerzeugungsdaten von 2015 bis 2021 spezifisch nach längeren Flauten untersuchen. Dabei sind verschiedene Kriterien flexibel einstellbar, zum Beispiel die Mindestdauer der Flaute oder der Maximalanteil von Sonnen- und Windenergie am Strommix zum betreffenden Zeitpunkt. Dieser Anteil ist ein wichtiger Wert, denn je größer er ist, desto stärker belastet eine Dunkelflaute das übrige Stromnetz. Benutzer:innen können den Guide so an ihre individuellen Recherchebedürfnisse anpassen. Das ist hilfreich, denn wie erwähnt gibt es bislang keine offiziellen Grenzwerte für eine Dunkelflaute – und somit auch keine allgemeingültige Definition, wie das SMC selbst anmerkt.
Im Guide ist ein Anteil an Wind- und Sonnenenergie von maximal 30 Prozent als Standardwert voreingestellt. Die voreingestellte Mindestdauer einer Flaute liegt bei 168 Stunden (7 Tagen). Übernimmt man alle Standardwerte, ergibt sich eine Liste von insgesamt 13 Ereignissen zwischen 2015 und 2021, die als Dunkelflaute gelten können. Das deckt sich also grob mit der Einschätzung des DWD, dass es im Schnitt zwei größere Dunkelflauten im Jahr gibt. Alle Ereignisse auf der Liste traten zwischen Oktober und Februar auf.
Die längste Dunkelflaute im untersuchten Zeitraum begann am 15. Januar 2017 und dauerte 334 Stunden, also fast zwei Wochen. Die letzte Dunkelflaute auf der Liste begann am 1. Januar 2019. Sie dauerte 187 Stunden, also etwas mehr als sieben Tage. Der Guide macht es aber auch möglich, kürzere Ereignisse von wenigen Stunden Dauer zu erfassen. Sie treten deutlich häufiger auf.
Was haben Dunkelflauten mit der Energiewende zu tun?
Der Anteil erneuerbarer Energien am Strommix steigt in Deutschland beständig: Nach Zahlen von Energy Charts lag er im Jahr 2015 bei 33,2 Prozent, im Jahr 2020 war er bereits auf 52,4 Prozent angewachsen. Die Stromversorgung hängt also zu einem immer größeren Prozentsatz von Wind- und Sonnenenergie ab.
Vor diesem Hintergrund werden auch Dunkelflauten zu einem immer größeren Stresstest: Je mehr Strom sich aus erneuerbaren Energien speist, desto mehr Strom fehlt, wenn diese Energiequellen über einen längeren Zeitraum ausfallen. Solche Ausfälle lassen sich zwar durch Reserven kompensieren (mehr dazu im nächsten Absatz). Trotzdem stellt das SMC in diesem Zusammenhang die berechtigte Frage: „Wie viel Back-up brauchen wir für den Kohleausstieg?“ Eine Antwort darauf kann möglicherweise die systematische Auswertung der Daten geben, die zu bisherigen Dunkelflauten vorliegen.
In einem Factsheet fasst das SMC die größten Herausforderungen zusammen, die das Auftreten von Dunkelflauten an die Energiewende in Deutschland stellt:
- Die Flauten treten in den Wintermonaten auf – also zu einer Zeit, in der der Strombedarf höher ist als im Sommer. Das macht ein Wegfallen von Wind- und Sonnenenergie in dieser Zeit noch problematischer für das gesamte Stromnetz.
- Im Rahmen der Energiewende stellen immer mehr Menschen auf elektrische Heizungen um. Diese Entwicklung wird laut Einschätzung des SCM den Strombedarf im Winter künftig noch weiter ansteigen lassen.
- Während der Dunkelflauten zwischen 2015 und 2021 fiel die Erzeugung von Wind- und Sonnenenergie auf unter hundert Megawatt. Das deckt nur einen vergleichsweise geringen Anteil des gesamten Strombedarfs ab.
- Die Auslastung von Wind- und Photovoltaik-Anlagen wurde während der Dunkelflauten erheblich schwächer. Der Anteil des von ihnen erzeugten Stroms sank auf unter fünf Prozent der maximal möglichen Leistung.
Das Kernproblem ist also: Im Rahmen der Energiewende werden sowohl der Strombedarf im Allgemeinen als auch der Bedarf an Wind- und Sonnenenergie im Speziellen deutlich ansteigen. Dadurch wird das Stromnetz im Winter besonders anfällig, wenn diese Energiequellen durch Dunkelflauten vorübergehend ausfallen. Das SCM geht davon aus, dass selbst ein deutlich beschleunigter Ausbau des Stromnetzes solche „Löcher“ in der Stromversorgung in absehbarer Zukunft nicht schließen können wird.
Wie lassen sich Dunkelflauten ausgleichen?
Bei Dunkelflauten handelt es sich um ein Phänomen, das erst in den letzten Jahren an Relevanz gewonnen und verstärkte Aufmerksamkeit bekommen hat. Insofern sind sie weniger berechenbar als andere, bekanntere Risiken für das Stromnetz. Eines der Hauptprobleme der Energiewende liegt in dieser schwierigen Berechenbarkeit. Das SCM fasst die Lage folgendermaßen zusammen: „Mal wird der Stromertrag über dem Verbrauch liegen, mal darunter; die Kunst wird darin bestehen, Verbrauch und Erzeugung auszupendeln.“
Auch wenn sich Dunkelflauten nicht vermeiden lassen, gibt es verschiedene Ansätze, sie durch zusätzliche Stromzufuhr auszugleichen. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags nennt in diesem Zusammenhang zum Beispiel folgende Möglichkeiten:
- Flexibel nutzbare Kraftwerke: Konventionelle Kraftwerke sollen Lücken in der Stromversorgung im Notfall schließen können. Diese Funktion sollen vor allem Gaskraftwerke erfüllen.
- Demand Side Management (Lastensteuerung): Ein Prinzip, bei dem Stromlasten gezielt ab- und zugeschaltet werden – je nachdem, wie hoch der tatsächliche Bedarf ist.
- Stromspeicher: Stromspeicher ermöglichen es, Energie längerfristig einzulagern und bei Bedarf zu nutzen. Der wissenschaftliche Dienst hebt zum Beispiel Pumpspeicheranlagen und Power-to-Gas-Technologien als Möglichkeiten hervor. Beim Power-to-Gas-Verfahren wird elektrische Energie in Gas umgewandelt und lässt sich in dieser Form länger speichern.
- Stromimporte: Durch den europäischen Stromverbund könnten sich Lücken in der Versorgung auch durch importierten Strom aus dem Ausland schließen lassen.
Zum Potenzial dieser Möglichkeiten gehen die Meinungen allerdings auseinander. Der Wissenschaftliche Dienst beruft sich auf verschiedene Expert:innen, die vor allem am Stromimport Kritik üben: Mitteleuropäische Nachbarländer seien während der Wintermonate oft selbst von Stromknappheit aufgrund von Dunkelflauten betroffen. Es sei deshalb sicherer, nach inländischen Lösungen zu suchen.
Auch Ansätze, die auf Gasenergie setzen, sind nach derzeitigen Stand keine optimale Lösung. Gaskraftwerke erzeugen zwar 70 Prozent weniger CO2 als Braunkohlekraftwerke und sind in dieser Hinsicht weniger schädlich für das Klima. Als nachhaltig können sie nach Einschätzung des Kölner Instituts für Erneuerbare Energien trotzdem nur bedingt gelten: Zum einen handelt es sich bei den verbleibenden CO2-Emissionen trotzdem noch um beachtliche Mengen. Zum anderen treten beim Transport aus den Gaspipelines häufig andere schädliche Treibhausgase wie Methan aus und gelangen in die Atmosphäre. Power-to-Gas-Technologien gelten zwar als Hoffnungsträger, haben bisher aber noch einen relativ geringen Wirkungsgrad. Außerdem sind sie ökologisch nur dann sinnvoll, wenn damit kein Strom aus fossilen Energiequellen gespeichert wird.
Egal, aus welchen Quellen die zusätzlich benötigte Energie stammt: Um Dunkelflauten auszugleichen, wird in Zukunft vor allem eine intelligente Stromverteilung wichtig sein, die sich am realen Bedarf orientiert. Das setzt allerdings einen erheblichen Ausbau des Stromnetzes selbst voraus.
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