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Erstes „Null-Energiekosten-Haus“ in Deutschland: Wie realistisch ist das Konzept?

Erstes "Null-Energiekosten-Haus" in Deutschland: Was steckt dahinter?
Foto: © Octopus Energy

Der Energieversorger Octopus Energy hat Deutschland sein erstes Null-Energiekosten-Haus beschert. Das Versprechen: energiekostenfreies Wohnen dank Solaranlage, Wärmepumpe, Batteriespeicher und mehr. Was steckt dahinter?

Wohnen ohne Rechnungen für Strom und Heizung? Das klingt utopisch, soll aber in speziell ausgestatteten Häusern Realität werden. Bereits seit etwa zwei Jahren läuft das „Zero Bills Home“-Projekt in Großbritannien, der Heimat von Octopus Energy. In Mahlow bei Berlin steht nun das erste deutsche Einfamilienhaus, das mit neuester Technologie und der Software des Energieunternehmens ausgestattet ist.

Der Neubau ist besonders gut gedämmt und verfügt über:

Ziel sei es, kostenautarkes Wohnen „zum Standard“ und für alle zugänglich zu machen, heißt es von Unternehmensseite.

Zero Bills Haus oder "Null-Energiekosten-Haus" in Mahlow
Das „Null-Energiekosten-Haus“ bei der Eröffnung in Mahlow. (Foto: © Octopus Energy)

Die rund 500 Zero Bills Homes in Großbritannien kommen nach Unternehmensangaben zehn Jahre ohne Energiekosten aus, in Deutschland garantiert Octopus Energy derzeit fünf Jahre (s. unten).

Errichtet hat das Haus das Bauunternehmen Roth-Massivhaus, das in Kooperation mit Octopus Energy auch weitere Null-Energiekosten-Häuser in Deutschland bauen will.

So funktioniert das Null-Energiekosten-Haus

Die Idee hinter dem Haus ist recht simpel: Durch gute Dämmung ist der Energieverbrauch des Gebäudes eher niedrig, die Photovoltaikanlage liefert Strom für die effiziente Wärmepumpe und den restlichen Haushalt, ein Speicher macht diesen Strom auch längerfristig nutzbar.

Die Technologieplattform „Kraken“ von Octopus Energy steuert und optimiert den Energieverbrauch intelligent. „Kaum jemand möchte ständig den Energieverbrauch seines Hauses managen. Das Null-Energiekosten-Haus nimmt ihnen das Risiko komplett ab“, so Bastian Gierull, Deutschlandchef von Octopus Energy.

Die Hardware der Häuser, sprich: Wärmepumpe, Photovoltaikanlage und Batteriespeicher, kann der Energieanbieter mit der unternehmenseigenen Anwendung „Intelligent Octopus“ steuern – also mittels Software etwa die Betriebszeiten von Wärmepumpe und Batteriespeicher automatisiert so bestimmen, dass ihr Betrieb möglichst effizient und wirtschaftlich ist.

„Ein Leben ohne Stromrechnung“ – wirklich?

Das Versprechen des „kostenautarken“ Wohnens sollte man nicht mit „energieautark“ verwechseln. Strom braucht das Haus trotz PV-Anlage auch aus dem Netz.

Im Kleingedruckten auf der Website heißt es: „Durch Zero Bills erhalten Kunden im Rahmen der Energiebelieferung eine individuelle jährliche Strom-Freimenge bis zu fünf Jahre“. Bedingung ist allerdings, dass man „mit Octopus Energy einen Direktvermarktungsvertrag über den Überschussstrom aus der Solaranlage abschließt“.

Das bedeutet letztendlich: Der Strom, den man nicht mittels Solaranlage selbst erzeugen und speichern kann, sondern aus dem Netz bezieht, wird von jemand anderem (nämlich Octopus Energy) bezahlt – der im Gegenzug zu viel erzeugten Solarstrom kostenfrei bekommt.

In der Regel gibt es für ins Netz eingespeisten Solarstrom zwischen rund 6 und 13 Cent Einspeisevergütung pro Kilowattstunde. Strom aus dem Netz zu beziehen ist deutlich teurer; der durchschnittliche Neukund:innen-Preis liegt derzeit bei rund 25 Cent pro kWh.

Das Zero Bills Haus produziert mittels Solaranlage seinen eigenen Strom
Das Zero Bills Haus produziert mittels Solaranlage seinen eigenen Strom. (Foto: © Felix Zimmermann / Octopus Energy)

Ein paar kleine Haken gibt es bei der Strom-Freimenge: Überschreitet man die jährliche Freimenge, stellt Octopus Energy den Mehrverbrauch in Rechnung.

Und: Das Laden von E-Autos ist nicht mit eingeschlossen. Wer also zuhause ein Elektrofahrzeug laden möchte, muss dafür einen extra E-Auto-Stromtarif bei Octopus Energy abschließen.

Das Ziel: dauerhaft null Energiekosten

Zwar gibt es bereits sogenannte Nullenergiehäuser, also Gebäude, die im Mittel gleich viel Energie produzieren wie sie verbrauchen. Doch ein Sprecher von Octopus Energy betont im Gespräch mit Utopia, dass dabei aufgrund von schwankenden Strompreisen immer noch Kosten entstehen können.

Für das Null-Energiekosten-Haus hingegen garantiert das Unternehmen null Energiekostenzumindest für fünf Jahre. „Für viele Menschen wären die Kosten [beim Hausbau, Anm.d.Red.] deutlich weniger einschüchternd, wenn sie sicher wüssten, dass ihre Rechnung auch so aufgeht, wie geplant“, erklärt der Sprecher auf Nachfrage.

Dass die Garantie derzeit nur für fünf Jahre gilt, liegt daran, dass sich nicht klar vorhersagen lässt, wie sich der Strommarkt in Deutschland entwickelt. Sollten sich etwa die Regelungen rund um die Solarstrom-Einspeisung stark verändern, könnte die Bilanz nicht mehr aufgehen. Allerdings weist der Octopus-Sprecher darauf hin, dass es nach den Erfahrungen auf dem britischen Markt auch in Deutschland das Ziel und „denkbar“ sei, dass die Häuser dauerhaft ohne Energiekosten auskämen.

Besonders günstig ist die Kombination der verschiedenen Technologien im gut gedämmten Haus in jedem Fall. Erst kürzlich hat eine Studie der RHTW Aachen gemeinsam mit E.On gezeigt, dass eine Kombination aus mehreren Energielösungen wie Wärmepumpe, Photovoltaik und Batteriespeicher sich meist finanziell lohnt und schneller amortisiert als Einzellösungen.

Mieter:innen gesucht

Bis 2025 will Octopus Energy weltweit 50.000 Zero Bills Häuser errichten, nach Unternehmensangaben auch für sozialen Wohnraum. Für das erste deutsche Haus in Mahlow nahe dem Berliner Flughaben BER sucht Octopus Energy noch Mieter:innen. Wer interessiert ist, kann sich auf das entsprechende Inserat auf Immoscout24 melden. Die Mieter:innen dürfen ein Jahr lang mietfrei wohnen.

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