Fracking verspricht den Zugang zu bisher unerreichbaren Erdgas-Vorkommen, doch Umweltverbände warnen vor unkontrollierbaren Risiken bei der Gasförderung. Kurios: Keiner will Fracking, verboten wird es trotzdem nicht.
Erdöl und Erdgas, die magischen Zutaten der Industriellen Revolution, gehen langsam zur Neige. Immer waghalsigere Manöver werden unternommen, um an die noch verbliebenen Vorräte heranzukommen. Im Gassektor ist ein Verfahren in aller Munde, das ungeahnte (Druck-)Wellen wirft: Hydraulische Frakturierung, auf englisch „Hydraulic Fracturing“ oder kurz Fracking, heißt das Zauberwort, das Energiekonzernen Geld in die Taschen spülen soll, die Politik spaltet und Bürger gefährdet.
Fracking erlaubt – doch kein Bundesland will sich die Finger schmutzig machen
Mitte 2016 beschloss die Regierung ein umstrittenes Fracking-Gesetzespaket, das im Februar 2017 in Kraft trat, ohne dass die Massenmedien darüber groß ein Wort verloren. Dieses verbietet das umstrittene unkonventionelle Fracking – zunächst unbefristet. Vier Probebohrungen sollen zu Forschungszwecken unter strengen Auflagen und mit Zustimmung der jeweiligen Landesregierung erlaubt sein. Im Gesetz außerdem festgehalten: Der Bundestag entscheidet 2021 erneut, ob das Verbot noch angemessen sei.
Konventionelles Erdgas-Fracking, das vor allem in Niedersachsen schon seit Jahrzehnten betrieben wird, bleibt generell möglich. In einigen kritischen Gebieten, in denen etwa Trinkwasser gefördert wird, darf jedoch nicht gefrackt werden.
Dabei befürchten Umweltschützer, dass es auf dieser Grundlage nach dem sechs Jahre währenden Moratorium nun bald wieder erste Fracking-Vorhaben geben wird.
Kurios: Obwohl Fracking erlaubt ist, will kein Bundesland Fracking-Probebohrungen durchführen. Das berichtet die Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) vom 11.2.2017 unter Berufung auf eine Umfrage unter den 16 Regierungen der Bundesländer. Die Gründe: Zum einen sind gar nicht genug interessante Vorkommen vorhanden, zum anderen trifft Fracking als Technik auf eine starke Ablehnung bei den Bürgern – warum das völlig zu Recht so ist, erläutern wir weiter unten.
Niedersachsen lehnt laut NOZ Fracking in unkonventionellen Lagerstätten auch zu Forschungszwecken ab. Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bremen, Hamburg, Thüringen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern wollen grundsätzlich keine Probebohrungen für diese Art der Gasförderung genehmigen. Die übrigen Bundesländer verwiesen auf fehlende Vorkommen zur Schiefergasförderung via Fracking, die in Deutschland gestattet wäre, oder haben noch keine Position.
Zwar will niemand in Deutschland Fracking, doch verbieten will es eben auch niemand. Länder wie Frankreich, Irland und Schottland haben klare Fracking-Verbote beschlossen, nur Deutschland, im November Gastgeber der UN-Klimakonferenz, will sich mal wieder alle Optionen offenhalten und klammert sich an fossile Energieträger, obwohl diese definitiv limitiert sind. Der Umweltdachverband Deutscher Naturschutzring (DNR) mit seinen Mitgliedsorganisationen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Naturschutzbund Deutschland (NABU) und Robin Wood sowie die Deutsche Umwelthilfe (DUH), das Umweltinstitut München, PowerShift und Food & Water Europe befürchten daher, dass es dennoch irgendwann neue Fracking-Vorhaben geben könnte.
Was ist Fracking?
Fracking dient der Gasförderung. Dabei wird eine Flüssigkeit, das sogenannte Fracfluid, mit enormem Druck in eine Gesteinsschicht gepumpt. Dadurch entstehen Risse im Gestein, in denen sich im Fracfluid enthaltener Sand ablagert. Die kleinen Sandkörner halten die Risse geöffnet, durch die nach dem Abpumpen des Fracfluids Stoffe ausströmen können, die im Gestein eingeschlossen waren. Das mit Fracking förderbare Erdgas ist nicht in einer großen Blase unter einer undurchlässigen Schicht eingeschlossen, sondern in kleinen Teilen in einer porösen Schicht verteilt. Dieses sogenannte unkonventionelle Erdgas galt bis vor zwei Jahrzehnten noch als sehr schwer erschließbar.
Seit wann gibt es Fracking?
Fracking wurde bereits in den 1940er Jahren entwickelt. Doch erst in den 1970er Jahren interessierte man sich wieder für das damals noch schwierige und wenig produktive Verfahren. Den großen Fracking-Boom gab es in den 2000er Jahren, weil die Ressourcenknappheit und neue Technologien das Geschäft rentabel machten. Mit dem Erdgas-Fracking tun sich für Energiekonzerne ungeahnte Möglichkeiten auf.
Gefahren des Fracking zur Gasförderung
Mittlerweile gibt es einige Detailstudien und wissenschaftliche Veröffentlichungen, in denen Schadensereignisse dokumentiert und Kontaminationen nachgewiesen wurden. Dazu gehört auch die im Jahr 2015 veröffentlichte Studie „Fracking – eine Zwischenbilanz“ der Energy Watch Group, einem internationalen und unabhängigen Netzwerk von Wissenschaftlern. Trotz der erheblichen Risiken und Umwelteinwirkungen des Frackings wird vor allem in den USA weiter fleißig vollgepumpt, aufgebrochen und abgezogen. Bisher haben sich vier hauptsächliche Risikofaktoren gezeigt, auf die wir im Folgenden eingehen.
1. Chemikalien
Obwohl die Energiekonzerne gerne betonen, dass das Fracfluid zu 98 Prozent aus Wasser und Sand besteht, halten sie sich über die restlichen zwei Prozent gerne bedeckt. Diese setzen sich nämlich aus einer Reihe von Chemikalien und Schmiermitteln zusammen. Einige von ihnen sind giftig und sogar krebserregend und dürfen auf keinen Fall ins Trinkwasser gelangen. Die größte Gefahr geht dabei nicht von der Frakturierung an sich aus, sondern von unsicher gelagerten Abwässern nach der Bohrung.
Die Firmen pochen weiterhin auf den geringen Prozentsatz. Beachtet man jedoch, dass bei einer einzigen Frakturierung ungefähr zehn Millionen Liter Fracfluid in das Bohrloch gepumpt werden, dann summieren sich zwei Prozent zu ca. 200.000 Litern Chemikalien pro Frac. Von diesen wird nur ein Bruchteil wieder abgesaugt. Bei einer Bohrung in Niedersachsen konnte der Mineralölkonzern ExxonMobil nur etwa 30 Prozent des Fracfluid wieder zurückholen. Zigtausende Liter Chemikalien sind damit wohl für immer im Boden unter Niedersachsen verteilt. Was damit passiert, weiß niemand.
2. Gasaustritte
In den USA, wo Fracking schon seit einigen Jahren im großen Stil praktiziert wird, hat sich in der Nähe von Bohrlöchern vermehrt Methangas im Trinkwasser angesammelt. Stellenweise war die Konzentration so hoch, dass aus der Wasserleitung ein explosives Gemisch ausgetreten ist, das man schon mit einer Zigarette hätte entflammen können. Mögliche Gründe dafür sind laut Untersuchungen undichte Stellen in den zementierten Rändern der Bohrlöcher oder Risse vom Fracturing, die bis zum Grundwasser führen.
3. Erdbewegungen
Erdbewegungen sind gleich doppelt gefährlich. Zum einen können die seismischen Messungen im Vorfeld der Bohrungen sowie das Fracking selbst Verwerfungen in den Gesteinsschichten hervorrufen. Grundwasser wird möglicherweise verschmutzt, Hohlräume stürzen ein. Es besteht die Gefahr, dass ehemals undurchlässige Schichten porös werden und unter ihnen eingeschlossene Stoffe freisetzen.
Zum anderen können natürliche Erdbewegungen in einem bereits erschlossenen Fracking-Gebiet vormals sichere Bohrlöcher undicht werden lassen. Ehemals unter festem Fels versiegelte Schieferschichten erhielten eventuell einen Zugang zu höheren Schichten und dem Grundwasser. Aufgestautes Fracfluid und Erdgas fände mitunter seinen Weg zurück an die Oberfläche.
4. Treibhausgas
Beim Transport und bei der Förderung von Erdgas gelangt Methan durch undichte Stellen (Leckagen) in die Atmosphäre. Zu den Leckagen gehören sowohl undichte Ventile und Pipelines als auch das unvollständige Abfackeln von Erdgas, das bei der Erdölförderung als Nebenprodukt anfällt. Das Problem: Methan hat ein etwa 100-mal wirksameres Erderwärmungspotential als Kohlenstoffdioxid (CO2) – und trägt somit maßgeblich zum Klimawandel bei. Die US-Umweltbehörde EPA stellte fest, dass die Öl- und Gas-Industrie im Jahr 2013 mit 29 Prozent mehr zu den Methan-Emissionen der USA beigetragen hat, als die Rinderzucht (mit 26 Prozent).
Fracking in Deutschland
Bisher ist Fracking in Deutschland ungefähr 320-mal durchgeführt worden, allerdings nur selten im Zusammenhang mit Erdgas. Fracking wird nämlich schon seit längerer Zeit für Grundwassergewinnung und Geothermie-Bohrungen eingesetzt. Der Konzern ExxonMobil führt 2008 in Niedersachsen Probebohrungen und Fracs für die Erdgas-Gewinnung durch. Als jedoch 2010 das Thema vermehrt in den Medien auftauchte und sich in der Bevölkerung breiter Widerstand regte, stellte der Konzern seine Erdgas-Frackings bis auf Weiteres ein.
Seit dem 06.08.2016 gibt es nun eine bis 2021 gültige Verordnung für Fracking in Deutschland (siehe oben).
Fracking-Gesetz ist nicht ausreichend
Der Klimaexperte Jochen Luhmann vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie sagt gegenüber Deutschlandfunk, dass das Gesetz an sich zufriedenstellend sei, einen Aspekt jedoch leider völlig außen vor lasse: Selbst geringe Mengen Methan, die auch beim konventionellen Fracking in die Atmosphäre gelangen, haben einen erheblichen Effekt auf das Klima. Die Verordnung verlange von der Industrie jedoch weder eine Vermeidung noch eine Verringerung der Emissionen. Zudem muss die Industrie Treibhausgase nur so lange messen, wie sie Gas gewinnt. Emissionen fallen allerdings auch danach noch an.
Seiner Meinung nach würden Unternehmen aber auf solche Regulierungen reagieren: Würden sie per Gesetz dazu angehalten, vorsichtiger bei der Förderung zu sein, würde sehr viel weniger Methan entweichen.
„Fracking ist ein sinnloses Unterfangen“
Wer sich umfassend zum Thema Fracking informieren möchte, dem empfehlen wir das Grundlagenwerk „Fracking – Energiewunder oder Umweltsünde?“ von Energieexperte Werner Zittel. Der Autor setzt sich kritisch mit dem Thema auseinander und bringt seine Argumentation dabei auch für Laien verständlich herüber.
„Ob es modern oder gar zukunftsfähig ist, auch die letzten Reserven fossiler Brennstoffe, derer man habhaft werden kann, auszubeuten, daran scheiden sich die Geister. Entsprechend emotionsgeladen wird diskutiert, Befürworter und Gegner beanspruchen jeweils die Deutungshoheit für sich. Bei so viel Unklarheit tut fundierte Aufklärung not.“
Fundierte Aufklärung findet man in seinem Buch. Der Energieexperte beschreibt das Verfahren ausführlich und zeigt deutlich, wie gefährlich und unrentabel es ist. Denn unkonventionelles Fracking ist deutlich teurer als die konventionelle Förderung von Erdöl und Erdgas, zudem ist es riskanter für die Umwelt: Die verwendeten Chemikalien sind teils giftig, oft sogar krebserregend. Das Verfahren setzt außerdem (schwache) radioaktive Stoffe frei. Die Gifte landen im Grund- und somit im Trinkwasser.
Anhand zahlreicher Beispiele in den USA veranschaulicht er die negativen Auswirkungen des Frackings – die teilweise vermeidbar gewesen wären, hätten die Firmen sorgfältiger gearbeitet.
Nicht nur Risiken für Umwelt- und Gesundheit sprechen gegen Fracking. Zittel zeigt, dass das Verfahren nur für kurze Zeit die Möglichkeit bietet, die zur Neige gehenden Reserven anzuzapfen. Denn auch wenn die vermuteten Erdgasmengen hoch angesetzt werden – nur ein Bruchteil davon kann überhaupt gefördert werden.
Stichhaltig widerlegt er das Argument, Fracking sei als Übergang zur Energiewende immer noch der beste Weg im Vergleich zu anderen Alternativen. Denn statt den Umstieg auf erneuerbare Energien voranzutreiben, bremst er ihn aus:
„Wir wissen, dass wir bis zum Jahr 2050 etwa 80 bis 90 Prozent unserer Kohlendioxid-Emissionen reduzieren müssen. Und das geht nicht dadurch, dass wir neue Energie in die Erschließung neuer fossiler Vorkommen stecken.“
Werner Zittels Botschaft ist unmissverständlich: Fracking ist energie- und umweltpolitisch ein sinnloses Unterfangen. Sein Buch ist ein Muss für alle, die mitreden wollen in der kontroversen Fracking-Debatte.„Fracking – Energiewunder oder Umweltsünde?“ von Werner Zittel (ISBN: 978-3-86581-770-9, 224 Seiten, 19,95 Euro) ist im oekom Verlag erschienen und u. a. zu haben bei Ecobookstore, Buch7, Amazon
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English version available: How Does Fracking Work? Legality, Financial and Environmental Concerns
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