Die Begriffe „Globaler Süden“ und „Globaler Norden“ verweisen auf die privilegierte oder benachteiligte Position eines Landes im globalen Kontext. Welche Rolle die Begriffe auch vor dem Hintergrund des Klimawandels spielen, erfährst du hier.
Die Begriffe „Globaler Norden“ und „Globaler Süden“ sollen dazu dienen, die Länder der Welt möglichst wertfrei nach ihren politischen und sozioökonomischen Positionen im globalen System einzuteilen.
Dadurch soll die lange Zeit selbstverständliche Einteilung der Welt in „Entwicklungsländer“ einerseits und „Industrieländer“ andererseits beziehungsweise in eine „Erste Welt“, „Zweite Welt“ und „Dritte Welt“ umgangen werden. Eine solche Einteilung beruht nämlich auf Eurozentrismus: einer Einstellung, welche sich durch die Annahme auszeichnet, dass die politischen und kulturellen Systeme Europas das Ideal darstellen und daher als Maßstab von Fortschritt und Entwicklung gelten sollten.
Die eurozentrische Kategorisierung der Welt suggeriert also eine Hierarchie zwischen den Ländern: Weniger „entwickelte“ Länder werden gegenüber dem Ideal der fortschrittlichen europäischen Industrienationen abgewertet. Der Ausdruck „Entwicklungsländer“ ist von einer westlichen Vorstellung von Entwicklung geprägt, die impliziert, dass sich weniger privilegierte Länder nach westlichem Vorbild entwickeln sollten. Dies ist in vielerlei Hinsicht problematisch: Nicht zuletzt auch mit Blick auf den Klimawandel zum Beispiel ist die Entwicklung der westlichen Welt aus ökologischer Perspektive kaum als erstrebenswert anzusehen.
Vor allem im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit und im akademischen Kontext in den Sozial- und Geisteswissenschaften kommt daher als Alternative immer häufiger der „Globale Norden“ und „Globale Süden“ zur Sprache. Staatliche Institutionen sind hier allerdings noch zurückhaltender und die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit oder das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung verwenden noch die Ausdrücke „Entwicklungsland“ beziehungsweise „Schwellenland“.
Globaler Süden als relativer Begriffe
Die Bezeichnungen Globaler Norden und Globaler Süden sind weniger geografisch zu verstehen, sondern zielen vor allem darauf ab, ein Land nach seinen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Charakteristiken im globalen Kontext einzuordnen.
Das obige Bild zeigt den sogenannten Globalen Süden in Rot, basierend auf der „Brandt-Linie“. Anders als der Äquator basiert sie nicht auf dem Breitengrad, sondern auf dem wirtschaftlichen Status der Länder, die sie trennt. Diese Linie wurde in den 1980er Jahren erstmals entworfen, um zu zeigen, dass die Kluft zwischen reichen und armen Ländern recht zuverlässig zwischen dem Norden und dem Süden der Erde liegt. Die einzigen Ausnahmen waren Australien und Neuseeland. Zusammengefasst:
- Zum Globalen Norden gehören Länder, die beispielsweise aufgrund ihres Wohlstands, dem Grad ihrer politischen Freiheit und ihrer wirtschaftlichen Entwicklung mit Vorteilen im globalen Gefüge bedacht sind. Das trifft auf die westlichen Länder sowie einige Staaten Asiens wie Japan, Südkorea, Singapur, Taiwan oder Israel zu.
- Zum Globalen Süden zählen hingegen Ländern, die meist einkommensschwächer und oft politisch oder kulturell marginalisiert sind. Zum Globalen Süden gehören viele Länder Lateinamerikas, Afrikas und Südasiens. Das Finance Center for South-South Cooperation bietet eine detaillierte Auflistung aller Länder, die zum Globalen Süden gehören.
Zwar befinden sich die meisten Länder des Globalen Südens tatsächlich auf der Südhalbkugel und die des Globalen Nordens auf der Nordhalbkugel. Mit dem Zusatz „global“ wird allerdings deutlich, dass es sich um relative Begriffe handelt, die Länder dahingehend verorten, ob sie im globalen Kontext zur privilegierten oder benachteiligten Gruppe gehören. So könnten auch einzelne Regionen oder Bevölkerungsgruppen eines Landes des Globalen Südens dem Globalen Norden zugeordnet werden und umgekehrt.
Klima(un)gerechtigkeit im Nord-Süd-Konflikt: Was die Klimakrise für den Globalen Süden bedeutet
Dass ökonomische Ressourcen weltweit ungleich verteilt sind, hängt eng mit der Geschichte des Kolonialismus zusammen. Im Zuge der Kolonialisierung kam es zur Ausbeutung vieler Länder des Globalen Südens durch Länder des Globalen Nordens. Länder in den Globalen Norden und Süden einzuteilen, trägt diesem geschichtlichen Hintergrund Rechnung und vermeidet so, nur in nationalstaatlichen Kategorien zu denken. Stattdessen rücken die Begriffe die historisch gewachsenen und weiterhin vorhandenen strukturellen Konflikte zwischen Nord und Süd in den Vordergrund, die sich aus den unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen ergeben. Hier wird häufig auch vom sogenannten Nord-Süd-Konflikt gesprochen.
Besonders akut ist der Nord-Süd-Konflikt mit Blick auf die Folgen des Klimawandels. Denn der Norden ist nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht gegenüber dem Süden privilegiert, sondern auch aus ökologischer Perspektive. Obwohl es größtenteils die westlichen Industrienationen sind, die den Klimawandel verursacht haben, sind es vor allem die Länder des Globalen Südens, die bereits jetzt darunter leiden. Wie ein Beitrag der Klimareporter zeigt, liegt der Grund für die besonders prekäre Situation des Südens vor allem darin, dass dort die Ressourcen für Anpassungsmaßnahmen an die Folgen der Klimakrise fehlen. Zudem verschärft der Klimawandel die bestehende Armut und Ungleichheit, da zunehmendes Extremwetter zu Ernteausfällen führt. In vielen afrikanischen Ländern führt die Klimakrise daher unmittelbar zu einer wirtschaftlichen Krise, da der Kontinent stark vom landwirtschaftlichen Sektor abhängig ist.
Diese Einschätzungen gehen aus dem zweiten Teilbericht des Sechsten IPCC-Sachstandsberichts hervor, in dem die weltweiten Auswirkungen des Klimawandels auf Ökosysteme, Menschen und Gesellschaften diskutiert werden. Damit verschärft sich der Konflikt zwischen dem Globalen Norden und Süden weiter, insbesondere was die Klimagerechtigkeit angeht. Eine Folge der stärkeren Betroffenheit des Globalen Südens durch die Klimakrise ist, dass es dort bereits viele Klimaflüchtlinge gibt, die vor den Folgen des Klimawandels in den Globalen Norden fliehen müssen.
Weiterlesen auf Utopia.de:
- Weltklimarat (IPCC): Funktionen, Arbeitsweise und wichtige Berichte
- Klimazonen der Erde – und wie der Klimawandel sie bedroht
- Welthunger-Index: Kriege und Klimawandel verstärken den Hunger
English article available: Global South and Global North: What Are They & What’s the Conflict?
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